Die Revolution macht bei Jaguar mal kleine und mal große Sprünge. 40 lange Jahre, von 1968 bis 2009, tat sich beim großen XJ optisch nur wenig – um dann mit der Baureihe X351 radikal anders zu werden. Und jetzt ist wieder die Zeit der kleineren Änderungen: Das aktuelle Facelift beinhaltet neue LED-Scheinwerfer sowie ein bisschen Schminke für das Heck – mehr ist auf den ersten Blick nicht auszumachen.

Ein Zwölfzylinder für den XJ ist heutzutage undenkbar

Jaguar XJR
XJ mit Zwölfzylinder war gestern: Im Topmodell der Baureihe arbeitet ein Kompressor-V8 mit 550 PS.

Dafür haben die Briten unterm leichten Alublech eine Menge getan. Im Cockpit kommt nun ein neues Multimediasystem zum Einsatz, erstmals gibt es zudem den 300-PS-Diesel mit 700 Newtonmetern Drehmoment. Den würde aber ein echter Aristokrat nicht wählen. Damals, beim ersten XJ, gönnte sich der Adel meist einen feinen Hochdrehzahl-V12, 269 PS stark und der Droge Oktan rettungslos verfallen. Heute ist das anders. Den V12 hat sich der Zahn der Zeit einverleibt, das Topmodell von heute setzt auf acht Zylinder mit Kompressor. Zudem führt statt mechanischer Uhren und Drucktasten die Elektronik Regie. Der neue XJ ist im Prinzip ein fünfsitziger, viertüriger F-Type. Auf Wunsch mit einem 550 PS starken V8-Brüllwerk unter der Haube. Mit einer achtstufigen Automatik, Instant-Bremsen, Carver-Chassis, Zicke-Zacke-Lenkung. Nein, besonders gut federn kann dieser XJ auch nach der Überarbeitung nicht, und wie damals empfiehlt sich für hohe Häupter und lange Lulatsche die Version mit gestrecktem Radstand.
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Technisch hat der XJ mit seinem Urahn kaum noch was gemein

Jaguar XJR
Überlegen: Der neue XJ trägt heute viel mehr Raubkatzengene in sich als der Stubentiger von einst.
Dafür kehrt der aktuelle Jaguar auf Navi-Knopfdruck brav zurück in den Käfig und ist bis unter die gefleckten Haarspitzen vollgestopft mit Assistenzsystemen und Anti-Unfall-Chips. Das Leder duftet heute fremd – das handschmeichlerische Connolly ist jedenfalls Geschichte. Das warme Holz hat Platz gemacht für Metall und Carbon, statt von Hand gekederter Hochflorteppiche liegt uns strapazierfähige Meterware zu Füßen. Doch hinter der modernen Kulisse verbirgt sich ein genetisch neu programmierter Jaguar, der viel mehr Raubkatzengene in sich trägt als der Stubentiger von einst. Von der Erscheinung her war der erste XJ6 zwar fast so imposant wie ein Rolls-Royce Silver Shadow, doch die Qualität der Fortbewegung hatte ihre Tücken. Einmal kurz um den Block kurven reicht, um die Geister der Vergangenheit zurückzurufen – torkelnde Wünschelrutenlenkung und hilflose Bremse inklusive.
Mit dem Blick auf den gerade gelifteten Neuen zeigt sich: Technische Kompetenz schafft ihre eigene Faszination – der Rückblick auf den Alt-68er schafft hingegen zeitlose Emotion. Da ist sie dann, die Revolution.
Technische Daten Jaguar XJR (2016)Motor: V8-Kompressor, vorn längs • Hubraum: 5000 cm³ • Leistung: 405 kW (550 PS) bei 6000/min • max. Drehmoment: 680 Nm bei 3500/min • Vmax: 280 km/h • 0–100 km/h: 4,6 s • Antrieb: Hinterrad, Achtstufenautomatik • Tankinhalt: 80 l • L/B/H: 5130/1899/1460 mm • Leergewicht: 1875 kg • EU-Mix: 11,1 l SP/100 km • Abgas CO2: 264 g/km • Preis: 142.400 Euro.
Technische Daten Jaguar XJ12 (1972) • Motor: V12, vorn längs • Hubraum: 5343 cm³ • Leistung: 198 kW (269 PS) bei 6000/min • max. Drehmoment: 408 Nm bei 3500/ min • Vmax: 225 km/h • 0–100 km/h: 8,1 s • Antrieb: Hinterrad, Dreistufenautomatik • L/B/H 4815/1770/1345 mm • Leergewicht: 1760 kg • Verbrauch: ca. 22 l S/100 km • Neupreis 20.963 Euro.

Fazit

von

Georg Kacher
Very british, nicht perfekt: So fasziniert der XJ seit Jahrzehnten. Unkonventionell, eigenwillig, bewusst anders, aber fahraktiv – nach dem Facelift erst recht.

Von

Georg Kacher