Ein Jeep-Treffen mit 1600 Teilnehmern in einem Schlossgarten – kann so etwas gutgehen? Es kann! Das Euro Camp Jeep zeigt auch, wie stark sich die Jeeper-Szene in den vergangenen Jahren verändert hat.
Ein Land wie aus dem Tuschekasten: eine weich gezeichnete Landschaft in pastelligen Farbtönen, ohne spektakuläre Erhebungen, dünn besiedelt und betont ruhig. Immer wieder stößt der Reisende auf kleine und große Wasserflächen. Die Zahl der Seen in Mecklenburg-Vorpommern ist vierstellig! Die Straßen sind neu, die Häuser meist hübsch renoviert – bescheidener Wohlstand, großteils vom Tourismus finanziert. Ein Paradies für Golfer und Bootfahrer, eine Gegend von therapeutischem Wert für genervte Großstadtmenschen. Ein Jeep-Treffen ausgerechnet hier? Wenn das mal keine Konflikte provoziert …
Die wilden Kerle übernachten im Schloss statt im Zelt
Im Schlossgarten jeden Abend gern gesehen: Videos vom Tagesgeschehen.Erster Eindruck bei der Annäherung an die Großveranstaltung: Es ist wie früher. Hochgelegte Jeeps bollern durchs Dorf, schießschartenäugig dreinschauende Passanten befürchten offenbar das Schlimmste von den apokalyptischen Jeep-Reitern. Die Reise endet – nein, nicht auf dem Campingplatz – im Schloss Fleesensee, dem feinsten Hotel am Platze. Offenbar hat sich doch einiges geändert seit den Achtzigern, als Jeep-Fahrern ein ähnlicher Ruf vorausging wie Bikern: Mütter, schließt eure Töchter weg! Die einschüchternden Outlaws von einst tragen mittlerweile mehrheitlich Silberschopf und Bauch, haben Familie und Verantwortung – und verhalten sich auch so. Statt im Zelt übernachten sie im Schloss oder im (preislich ebenfalls gehobenen) Club Robinson. Sie verklappen abends in geselliger Runde ein paar Bierchen, die Exzesse lassen sie weg. Der Fuhrpark aber präsentiert sich immer noch individueller und expressiver als der ganze automobile Rest auf unseren Straßen. Nie war die Jeeper-Szene angenehmer und vielgesichtiger als heute.
Der neue Cherokee hebt das Bein auf der Verschränkungspassage.Nun ist das Euro Camp Jeep eine vom Hersteller organisierte Großveranstaltung mit 1600 Teilnehmern aus mehr als 20 Ländern in zwei Schüben. Es sind erwartungsgemäß mehr Neufahrzeuge dabei als bei cluborganisierten Treffen. "Ich mag beides", sagt Willys-Fahrer und -Restaurator Philipp Krummenacher (50, Technikchef eines Metallbauunternehmens) aus Liestal in der Schweiz. "Bei den Clubtreffen steht das Geländefahren stärker im Vordergrund. Das Euro Camp aber hat der Hersteller schon immer derart gut organisiert, dass ich seit dem ersten Mal 2002 dabei bin. Das 2007er-Camp an der Ardèche zum Beispiel – traumhaft!" Krummenacher hat mit Ehefrau Beatrice zwölf Stunden Anfahrt in Kauf genommen. Sein 1943er Willys hat den D-Day erlebt. Heute ist das Leben des Oldies komfortabler: Die Hinreise fand auf dem Hänger statt, stilecht gezogen von einem Grand Cherokee. Einen Willys von 1947 besitzt der Jeep-Fan auch noch. "Mit dem fahre ich auch ins Gelände." Hier und da singt noch ein alter CJ7 sein gurgelndes Lied von einer wilden Zeit, in der man mit dem V8-Benziner die Steilhänge hinauf donnerte. Besonders schön bollert der ultraseltene, in nicht einmal 1300 Exemplaren gebaute Honcho Sportside von 1982 (ein Wagoneer als Pick-up).
Bei dem Gefährt von Michael Kutina aus dem Ohrekreis (östlich von Wolfsburg) liegt das V8-Pulsieren in der Natur der Sache, denn unter der flugzeugträgerhaft hohen Kantenhaube röhrt zünftig-brünftig ein 1992er Corvette-Motor vor sich hin. "Mir gefällt hier vor allem der Familienfestcharakter", sagt Kutina , der seine Brötchen als Versuchsfahrer und Sicherheitstrainer bei VW verdient und mit der ganzen Familie angereist ist. "Hartes Gelände kann ich im Berufsalltag täglich haben." Auf diesem Treffen erstaunlich oft zu sehen: der neue Cherokee, der in anderen europäischen Ländern schon zu haben ist. Vor allem die Schweizer scheinen eine Sammelbestellung aufgegeben zu haben. Es haben aber auch genügend Fahrer ausgefallener Oldtimer nach Göhren-Lebbin gefunden, um den Gang über den Parkplatz spannend zu halten.
Im Jeep-Camp in Mecklenburg dreht sich alles um Individualität
Steilfahrt: immer schön auf dem Gas bleiben!So richtig ins Auge springt der 1968er Jeepster Commando von Herbert Antosch (42) aus Hallein bei Salzburg, allein schon durch diese optimistische grün-blaue Badezimmerfarbe im typischen Stil der 60er. "Ach ja, die Farbe ...", erinnert sich der Restaurator. "Die haben wir anhand eines Farbrests am Tankdeckel nachgemischt." Den Haustechniker aus Österreich (Selbsteinschätzung: "I hob oan Knall, und zwar richtig") hat der Jeep-Virus heftig erwischt: Der seltene Jeepster ist nur einer von 19 Jeeps, die bei ihm zu Hause stehen. Das liebevoll wiedererweckte Schmuckstück mit dem gemütlich blubbernden V6-Benziner (3,7 Liter Hubraum, von Buick) sollte einst die Lücke füllen zwischen CJ5 und Wagoneer – ein Crossover, lange bevor dieser Begriff aufkam. Antoschs Exemplar ist eines der wenigen mit Allrad. Der Zuschalthebel sitzt im Fußraum der Beifahrerseite.
Im Jeepster (die Zusatzbezeichnung Commando stand für die Cabrioausführung) wirkt der Fahrer immer so, als sei er gerade zum Strand unterwegs, so sehr atmet dieses Mobil den Surfer-Lebensstil seiner Zeit. Flott ist der Jeepster auch noch: 160 PS bei nur gut 1600 Kilo Gewicht lassen ihn auch heute noch ohne Anstrengung im Verkehr mitschwimmen. Weshalb ausgerechnet dieses Modell? "Weil es so selten ist", sagt Antosch. 57.000 gebaute Exemplare, das war keine große Stückzahl für US-Verhältnisse. Ganz klar: Um Individualität geht es hier. Noch ein lebender Beleg dafür: Mathias Bohny aus dem Schweizer Thurgau, der das Logo seiner Lieblingsautomarke sogar als Ohrschmuck trägt. Sein Wrangler schlägt mit dem Totenkopf-Airbrush auf der Motorhaube die Brücke zwischen Jeep- und Heavy-Metal-Szene. "Ich war vor allem am Geländefahrkurs der Jeep Academy interessiert", sagt der 37-jährige Schweizer, von Beruf Gleisbauvorarbeiter. "Es geht hier etwas schicker zu als beim Clubtreffen, trotzdem sind genug interessante Leute dabei."
Nach Göhren-Lebbin fanden Jeep-Fahrer aus mehr als 20 Nationen.Es ist tatsächlich ein beeindruckendes Paket, das der Hersteller hier geschnürt hat zum Preis von 349 Euro pro Teilnehmer (zuzüglich Übernachtung, die etwa im Schloss 500 Euro für drei Nächte kostet). Wer alles mitmacht, kommt kaum zum Luftholen: Geländefahrkurs, Ruderbootrennen, Quadfahren, Reiten, Challenge-Mehrkampf mit Hochseilgarten, Schnitzeljagd durch die ländliche Umgebung, Baumanpflanzungsaktion, um das Treffen CO2-neutral zu gestalten, Roadbooktour – es ist tatsächlich für jeden Geschmack etwas dabei, deshalb kommen so viele mit Familie. Abends gibt’s Trunk und Tanz zu den Klängen einer Showband, die von Madonna-Popsongs bis hin zu Pink Floyd alles beherrscht – und bis ein Uhr morgens spielt. Um 8.30 Uhr am folgenden Morgen wartet der nächste Programmpunkt. Guten Morgähn! "Anfangs hatte ich nicht den Eindruck, dass wir hier bei den Golfern sonderlich gelitten sind", konstatiert Hans Hildebrand, erfahrener Jeeper und Instruktor im Nürburgring-Fahrgelände Camp-4fun. "Aber ich glaube, auf den zweiten Blick fanden sie uns dann doch ganz lustig. Jedenfalls schauten sie am Ende freundlicher drein."
Zurück zu den Militärursprüngen Eine der Attraktionen, die Jeep zur allgemeinen Bewunderung in den Schlossgarten stellte: der in Ägypten gebaute Militär-Wrangler J8 mit 2.8 CRD, Schnorchel und Blattfedern hinten. Vor allem der Zweitürer auf langer Unlimited-Basis ist für viele der derzeit eleganteste Jeep. Privatleuten bietet Jeep den Wagen nicht an, es gibt keine EU-Musterzulassung.
Höhenweltrekordfahrer Matthias Jeschke plant eine neue spektakuläre Expedition: Paris – New York auf dem Landweg und über die zugefrorene Beringstraße. Im Oktober geht's los. Das Fahrzeug: ein Extrem-Wrangler mit 40-Zoll-Reifen, Atlas-Verteilergetriebe (Vorder- und Hinterachse separat ansteuerbar) und Dana-60-Achsen. Mitfahren ist möglich, ab 11.125 Euro. Info: pny2009.