Der kalte Krieg ist in die Formel 1 eingezogen. Die Fronten der drei Motorenhersteller Mercedes, Renault (die Franzosen arbeiten ab 2015 exklusiv mit Red Bull zusammen) und Ferrari sind verhärtet. Die Zukunft der Königsklasse ist gefährdet, wenn es keine Einigung gibt. Sogar ein Ausstieg von Mercedes ist laut ABMS-Informationen möglich. Problem: Die drei Hersteller sind verschiedener Meinung, wie für 2015 und in Zukunft die Weiterentwicklung der in dieser Saison neu eingesetzten V6-Motoren mit Turboladern und Hybridsystemen betrieben werden darf. Laut Reglement dürfen für 2015 circa 48 Prozent des Gesamtpakets verändert werden. Deadline ist Februar 2015. Danach geht nichts mehr.

Angst vor Langeweile

Podium Brasilien 2014
Volle Dominanz: Mercedes fuhr mit Rosberg und Hamilton in Brasilien den elften Doppelsieg der Saison ein
Die Überlegenheit von Mercedes und seinen Kundenteams in dieser Saison führte aber zu einem Umdenken der Konkurrenten. Mercedes gewann fast spielerisch Konstrukteurs- und Fahrertitel. Sogar Williams, im letzten Jahr als Renault-Kunde nur Hinterherfahrer, hat sich dank des Mercedes-Antriebs mittlerweile als zweite Kraft hinter dem „Silberpfeil-Werksteam“ etabliert. Red Bull gewann seine drei Rennen in Kanada, Ungarn und Belgien nur, weil Mercedes dort Probleme hatte. Ferrari fuhr die ganze Saison hoffnungslos hinterher. Deshalb befürchten Ferrari, Renault und sogar Neueinsteiger Honda, dass der technische Vorsprung der Stuttgarter zu groß ist und die Formel 1 auch in den nächsten Jahren zur langweiligen Mercedes-Show verkommt, wenn das Reglement nicht drastisch geändert wird.

Marko für Chancengleichheit

Bei Meetings während der Rennen in Singapur und Austin einigten sich die Hersteller deshalb darauf, das bestehende Reglement zu lockern. Das heißt: mehr Weiterentwicklung als die vorher festgeschriebenen 48 Prozent und das bis Juli nächsten Jahres. Danach sollte wieder der ursprüngliche Entwicklungsplan gelten. „Mercedes sagte zu, um die Chancengleich zu wahren“, so Red-Bull-Sportchef Helmut Marko zu AUTO BILD MOTORSPORT. Ergebnis: Alle waren zufrieden, ein Kompromiss schien gefunden. Beim letzten Rennen in Brasilien aber kam es zum Eklat. Marko: „Plötzlich zog Mercedes alle gegebenen Zusagen wieder zurück, die Fronten waren endgültig verhärtet.“

Änderung erst 2016?

Rosberg
Ferrari-Kappe hin oder her: Die Mercedes-Stars stehen bei den Fans hoch im Kurs und würden der F1 fehlen
Jetzt droht ein Horrorszenario. Mercedes will sich seinen teuer erarbeiteten Vorteil nicht nehmen lassen und besteht auf das ursprüngliche Reglement. Damit müssen Red-Bull-Renault, Ferrari und Honda erst einmal leben. Red Bull argumentiert aber: „Weil wir von 2010 bis 2013 vier Titel in Folge holten, hat man ständig die Aerodynamik an den Autos beschnitten. Das war unser großer Vorteil. Wir haben das auch akzeptiert.“ Jetzt wollen die Mercedes-Gegner auf die Barrikaden gehen. Hintergrund: Für Regeländerungen hinsichtlich 2015 braucht man noch Einstimmigkeit. Für 2016 wäre es mit einer einfachen Mehrheit möglich das Regelwerk komplett zu ändern.

Rückkehr zu V8-Motoren als Option

Die Drohung: Wenn Mercedes nicht einlenkt, würde man den Entwicklungsstopp komplett aufheben und so nagelneue V6-Motoren ermöglichen. Die Kosten würden dann erheblich steigen, kleinere Teams wie Force India, Sauber und Lotus könnten sich die völlig neu entwickelten Antriebsaggregate, die dann statt 20 Millionen Euro pro Jahr mehr als das Doppelte kosten würden, nicht mehr leisten. Um den kleinen Teams zu helfen, wäre sogar eine Rückkehr zu den vormals eingesetzten V8-Saugmotoren möglich. Die könnten Lotus und Co. für acht Millionen haben und garantierten zudem Chancengleichheit.

Lauda von Ferrari genervt

Mercedes
Nicht nur die Doppelspitze Rosberg/Hamilton fährt mit Mercedes-Power - auch Williams, McLaren & Force India
ABMS erfuhr: Eine Rückkehr zu den lauteren aber technisch wenig anspruchsvollen V8-Motoren würde der Stuttgarter High-Tech-Konzern nicht mittragen. In diesem Fall wäre der Ausstieg aus der Formel 1 Ende 2015 beschlossene Sache. Das kann man sogar verstehen. Warum sollte sich Mercedes für seine gute Arbeit bestrafen lassen? Das ganze Marketing- und Werbeprogramm ist schließlich auf den Erfolg der High-Tech-Motoren und ihre Hybridsystemen ausgelegt. Der Wechsel zu den antiken V8-Motoren wäre für Mercedes wie eine Rückkehr in die Steinzeit. Kein Wunder, dass der sonst so eloquente Mercedes-F1-Chef Niki Lauda mit Wissen dieser Hintergründe in Brasilien fast ratlos wirkte: „Ferrari ist gegen alles,“ sagte er vor laufenden Kameras.

Mercedes hat es in der Hand

Was er meint: Die Italiener (letzter WM-Titel 2007) forderten am stärksten die Einschränkung der Aerodynamik, weil sie von 2010 bis 2013 nicht mit Red Bull mithalten konnten. Ferrari machte sich deshalb vehement für die neuen Hybridmotoren stark und drohte sogar mit Ausstieg. „Die Formel 1 muss wieder eine Motorformel werden“, argumentierte Präsident Luca di Montezemolo, der mittlerweile nicht mehr im Amt ist. Mit dem Ergebnis: Ferrari baute den schlechtesten aller Hybridmotoren und ist wieder chancenlos. Fest steht: Die Formel 1 steht jetzt am Scheideweg. Mercedes hat es in der Hand, die Königsklasse wieder zu vereinigen. Dafür müssten sie aber auf viel Lohn ihrer Arbeit verzichten.

Von

Ralf Bach