Sonntag, 13. Mai 2007. Im Münchener "Kart Palast" läuft ein Fünf-Stunden-Rennen. Mit dabei: Michael W. (26). Wieder zu Hause, klagt er über Kopfschmerzen und Übelkeit – und stirbt Minuten später.

In seinem Blut wird Kohlenmonoxid (CO) in erhöhter Konzentration festgestellt – wie auch im Blut von 48 weiteren Personen, die an der Veranstaltung teilgenommen haben. Am 18. Mai testet der TÜV die Anlage im vollen Fahrbetrieb. Ergebnis: keine kritische Belastung. Noch am selben Tag wird die Bahn wieder freigegeben. Welche Rolle die hohe CO-Belastung beim Tod von Michael W. spielt, lässt sich im Nachhinein nur schwer beurteilen. Fest steht: Seit diesem Vorfall fährt bei vielen Kart-Fans die Angst mit. Kaum zu glauben: Im regulierungswütigen Deutschland gibt es keine Höchstgrenzen für das gefährliche Atemgift CO. Es existiert nur ein allgemeiner Arbeitsplatzgrenzwert für das Personal. Aber die Kontrollen sind lasch: "Installiert ein Kartbahn-Betreiber CO-Sensoren, kann er sich der Überwachung entziehen", sagt der DEKRA-Sachverständige Jürgen Bachmann.

Übrig bleibt eine – eher theoretische – Verpflichtung zur Selbstkontrolle. Denn dem Erreichen der Grenzwerte folgt nicht automatisch ein eingeschränkter Rennbetrieb oder eine verstärkte Frischluftzufuhr. Das gilt in der Kart-Szene als offenes Geheimnis. Außerdem nimmt die Sensibilität der Sensoren schon nach einem Jahr erheblich ab. "2006 wurde ein Neun-Stunden-Rennen in Nordrhein-Westfalen nach der halben Distanz abgebrochen", berichtet ein Kartbahn-Betreiber. "Die Fahrer lagen alle auf der Wiese und schnappten nach Luft." Möglicher Grund für derartige akute Vergiftungssymptome: die Verbrennung von Tankstellensprit. Dass zahlreiche Karts nicht mit dem vorgeschriebenen benzolfreien Benzin betankt werden, ist bekannt – der Sprit kostet um 2,15 Euro pro Liter. Apropos Benzol: "Seit 2005 die Gefahrstoffverordnung überarbeitet wurde, sind die alten Höchstwerte hinfällig. Somit gibt es derzeit keine offiziellen Grenzwerte dieser extrem krebserregenden Substanz", sagt Dr. Walter Dormagen vom TÜV Rheinland.

Wann sie vorliegen werden, steht in den Sternen. "Gerade bei kleinen Anlagen mit schlechter Belüftung kommt es häufig zu Übelkeit mit Erbrechen", berichtet Wolfgang Koellner, Polizeihauptmeister und Kart-Nachwuchsförderer aus Hamburg. "Manchmal sind sogar Sauerstoffbehandlungen im Rettungswagen nötig." Immerhin gibt es ein zuverlässiges Messinstrument für dicke Luft: das menschliche Riechorgan. Meldet die Nase stinkende Schwaden, drängt das Hirn zum Rückzug nach draußen – üblicherweise bevor Gesundheitsschäden auftreten. Das funktioniert bei rund 95 Prozent der etwa 150 Indoor-Kartcenter in Deutschland. Nämlich dort, wo Benzin-Renner unterwegs sind. Die restlichen fünf Prozent betreiben ihre Fahrzeuge mit geruchlosem Flüssiggas. So wie der "Kart Palast" in München.