Kimi will "einfach der Beste sein"

AUTO BILD motorsport: Herr Räikkönen, wie groß ist Ihre Enttäuschung über die knapp verpasste Weltmeisterschaft? Kimi Räikkönen : Nicht sehr groß. Ich hatte in Suzuka keine Siegchance. Mein Auto hat unter- und übersteuert. Vielleicht wäre eine Drei-Stopp-Strategie besser gewesen, das ist aber letztlich egal. Gratulation an Michael und sein Team!

Was bedeutet Ihnen denn der Vize-WM-Titel? Nicht so viel, wie Sie vielleicht erwarten. Denn zweite Plätze vergessen die Leute im Gegensatz zu gewonnenen Titeln nach ein paar Wochen.

Siege sind also wichtig wegen des Ruhms? Nein, ich will einfach der Beste sein. Nur wenn ich dieses Gefühl habe, dann kann ich mich wirklich freuen.

Der Beste zu sein: Woher kommt dieser Antrieb? Den hatte ich schon immer.

Ist das nicht anstrengend? Nein. Das ist mein Antrieb. Sonst wäre ich wohl langsamer.

Ihr abschließendes Saisonfazit? Gut, überraschend gut sogar. Nach 2002, als ich nicht allzu oft ins Ziel kam, hatte ich keine großen Hoffnungen. Ich wollte häufiger ankommen, was kein besonders ehrgeiziges Ziel war. Ich wollte insgesamt besser abschneiden und ein Rennen gewinnen. All das habe ich mit McLaren-Mercedes geschafft.

Was haben Sie außer Ihrem ersten Sieg noch in guter Erinnerung? Meine Pole-Positionen auf dem Nürburgring und in Indianapolis zum Beispiel.

Denen keine Siege folgten. Wie groß war der Ärger? Riesig, denn unser größter Gegner, Michael Schumacher, hat fast jedes Rennen auf einem Spitzenplatz beendet und beständig gepunktet. Deshalb fielen mein Ausfall auf dem Nürburgring und der Startunfall in Hockenheim schwer ins Gewicht, zumal ich beide Rennen hätte gewinnen können. Ich hätte lieber öfter gewonnen. Wie schon gesagt: Ich mag zweite Plätze nicht besonders.

"Ich fahre genauso gut wie Schumi"

Wie verlief die technische Entwicklung im Team? Erfreulich, besonders für den Italien-GP: In Monza bekamen wir ein neues Aerodynamik- und Motorenpaket. Und dazu beständig spürbar verbesserte Motorstufen von Mercedes-Benz.

War es nicht enttäuschend, vergeblich auf das neue Auto, den McLaren-Mercedes MP 4-18, zu warten? Nein. Die Parallelentwicklung an beiden Autos hat zeitweise dazu geführt, dass wir das Einsatzauto, den MP 4-17 D, nicht schnell genug weiterentwickelt haben und etwas stagnierten. Aber letztlich kam uns die Arbeit am MP 4-18 zugute, denn sie floss teilweise in den 17er mit ein und machte uns schneller.

War Ihr Silberpfeil übers Jahr genauso gut wie Schumis Ferrari? Das Kräfteverhältnis wechselte ständig, das Wetter und die Reifen auch. Vielleicht war unser Auto nicht das beste im Feld, der BMW-Williams war phasenweise stärker. Ich habe aber nicht das Gefühl, insgesamt technisch im Nachteil gewesen zu sein.

Auch nicht durch die Änderung der Reifenregeln zum Monza-GP, ab dem Ihr Lieferant Michelin schmalere Laufflächen bauen musste? Nein, die Walzen wurden eher noch besser als vorher, auf jeden Fall aber konstanter.

Haben Sie außer Erfahrungsrückstand fahrerisch Nachteile gegenüber Schumi? Nicht, dass ich wüsste. Aber sein Erfahrungsvorsprung ist wertvoll genug. Durch Erfahrung kann man in bestimmten Rennsituationen automatisch besser reagieren, weil man sie schon mal erlebt hat. Es gibt ja wenig, was Michael Schumacher noch nicht erlebt hat.

Hat es Ihnen denn geholfen, im Team gegenüber David Coulthard zu dominieren? Technisch bestimmt nicht. McLaren-Mercedes kann zwei Fahrer technisch absolut gleich ausrüsten. Für das persönliche Gefühl ist es natürlich hilfreich zu wissen, dass man intern die Nase vorn hat.

Kurzvita von Kimi Räikkönen

Was erwarten Sie für 2004? Dass wir uns über den Winter ähnlich oder noch mehr steigern als im letzten Winter. Das wird eine Freude, bald zu testen, denn jetzt kommen neue Teile. Außerdem mag ich die Testarbeit. Das ist entspannter, weil man da konzentrierter arbeiten kann als bei den Rennen.

Mal ehrlich, Eismann: Was kann Sie nervös machen? Das dauert. Aber offen gestanden habe ich vor der Qualifikation ab und zu ein bisschen erhöhten Puls.

Wer kann Ihnen 2004 außer Ferrari und BMW noch gefährlich werden? Alonso. Auch wenn ich hoffe, dass Renault nicht noch einmal so einen Sprung hinlegt wie 2003. Aber Alonso ist immer gut unterwegs. Bei uns beiden kommt es auch darauf an, wie wir uns persönlich entwickeln.

Und Montoya, Ihr angeblich nächster Teamkollege? Der macht mir keine Angst.

Ralf Schumacher sagt: Es war noch nie leichter, Weltmeister zu werden, als 2003. Es war sicher schon schwieriger. Und leichter wird es 2004 bestimmt nicht.

Kurzvita von Kimi Räikkönen Geboren: 17. Oktober 1979 • Geburtsort: Espoo (FIN) • Wohnort: Wollerau bei Zürich (CH) • Nationalität: Finnland • Familienstand: verlobt mit Topmodel Jenni Dahlmann • Erlernter Beruf: Kfz-Mechaniker (Lehre abgebrochen) • Hobbys: Snowboarden, Joggen, Fitnesstraining, Motocross, Eishockey • Karriere: 1988 bis 1999 Kart, 1999 Formel-Renault-Winterserie, 2000 britischer Formel-Renault-Meister, 2001 Formel 1 mit Sauber, seit 2002 McLaren-Mercedes.