Lamborghini Huracán Tecnica: Supertest, Supercar, PS, Leistung, Preis
Ist der Tecnica der beste Huracán aller Zeiten?
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Die jüngste Ausbaustufe des Huracán soll Straße und Rennstrecke gleichermaßen gut können, quasi ein GT3 Touring von Lamborghini. Der Tecnica im Supertest!
Bild: AUTO BILD
Das ist Nummer 12. Nein, nicht die 12 von 333 limitierten Autos, nicht der zwölfte Huracán aus dem italienischen Testfuhrpark und auch nicht der zwölfte Supertest eines Lambo. Nein, dieser Tecnica ist die zwölfte Huracán-Version in acht Jahren Bauzeit.
Es gab nie ein komplett neues Auto, es wurde immer eifrig weiterentwickelt und verbessert. Denn dieses Auto ist technisch so grundsauber, so auf das Fahren in Vollendung fokussiert, dass bei jedem Facelift oder Sondermodell eigentlich nichts schiefgehen konnte. Eigentlich? Ja, der letzte Lamborghini im Supertest, der Super-duper-Flügel-STO, der hat uns schon ein wenig enttäuscht.
Kam stolz wie Bolle mit wildem Geflügel daher, mit nach vorn klappender Haube wie ein echter Rennwagen, machte einen auf 911 GT3 RS, und dann passte die Rundenzeit nicht zum Auftritt. Vielleicht hat man beim STO zu viel gewollt, zu viel radikalisiert, verschlimmbessert ist aber das falsche Wort.

Der Tecnica ist der neue schnellste Lamborghini im 18-Meter-Slalom.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD
Wie dem auch sei, wir fanden ihn trotzdem toll, beklatschten den Mut der Italiener, in solchen Zeiten noch mal so eine Maschine rauszuhauen. Auch die eingefleischten Fans der Marke waren begeistert, die Autos gingen weg wie warme Semmeln. Doch der ein oder andere monierte die doch sehr prollige Optik und die mangelnde Alltagstauglichkeit.
Die Lambo-Macher und Chef Stephan Winkelmann haben natürlich immer ein offenes Ohr für ihre Stammkunden. Und so ging es dann auch ganz schnell, ein abgespeckter STO musste her. (Patentzeichnungen geleakt: Sieht so der Aventador-Nachfolger aus?)
Best-of-Huracán
Leistung, Hinterradantrieb, Elektronik, alles vom Supercar STO, das Fahrwerk etwas softer, innen ein bisschen weniger Motorsport, fertig. So in etwa muss es wohl gewesen sein, als man den Huracán Tecnica LP 640-2 ins Leben rief.
Die grobe Einordnung: Vom Fahrspaß oberhalb des Evo, von der Performance her knapp unterhalb des STO. Klingt nach einem Best of, mal schauen. Kollege Bernt durfte das Auto schon vor ein paar Monaten Probe fahren und adelte den Tecnica als Tracktool für Hobbyrennfahrer mit eigenständigem Look. Also genau das, was die werte Kundschaft eigentlich sucht.

Mit 1563 kg ist der Tecnica 47 Kilo schwerer als der STO.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD
Doch erst unser harter Supertest deckt auf, ob die Lücke zwischen Evo und STO mit dem Tecnica perfekt getroffen wurde. Vorher ein kurzes Technik-Update. Wie viel STO steckt denn nun wirklich drin?
Fangen wir beim Motor an. Hinter den beiden Sitzen bleibt es natürlich auch im Huracán Tecnica beim ikonischen 5,2-Liter-V10-Sauger. In diesem Fall leistet er 640 PS und 565 Nm, identisch zum STO, genauso wie das Getriebe. Gegenüber dem Evo RWD legt er jedoch um 30 PS und 5 Nm zu.
Fahrzeugdaten | Huracán Tecnica |
---|---|
Motorbauart | V10 |
Einbaulage | Mitte hinten längs |
Ventile/Nockenwellen | 4 pro Zylinder/4 |
Hubraum | 5204 cm³ |
Bohrung x Hub | 84,5 x 92,8 mm |
Verdichtung | 12,7:1 |
kW (PS) b. 1/min | 470 (640)/8000 |
Literleistung | 123 PS/l |
Nm b. 1/min | 565/6500 |
Getriebe | 7-Gang-Doppelkupplung |
Antriebsart | Hinterrad |
Maße L/B/H | 4567/2236/1165 mm |
Tank-/Kofferraumvolumen | 80/100 l |
Normverbrauch • CO2 | 14,5 l/100 km • 328 g/km |
Abgasnorm | Euro 6d-Temp |
Grundpreis | 229.709 € |
Testwagenpreis | 255.733 € |
Im Vergleich zu den Allradlern bringt der Entfall der vorderen Antriebswellen eine Gewichtsersparnis von etwas mehr als 30 Kilo. Trocken soll der Tecnica 1379 Kilo wiegen, auf unserer Waage vollgetankt sind es dann doch 1563 kg. Im Vergleich zum STO, der ja bekanntermaßen vor Leichtbau und Carbonteilen nur so strotzt, ist der Tecnica aber auch nur 47 Kilo schwerer.
Und weil wir gerade bei der Technik sind, das Ding hat natürlich den letzten Schrei an Fahrspaß-Elektronik an Bord. Mit dabei das hausgestrickte Fahrdynamik-Vernetzungssystem LDVI, Torque Vectoring, das im Vergleich zum STO nochmals modifizierte Performance Traction Control System (P-TCS), eine direkter übersetzte Lenkung inklusive Hinterradlenkung, aufwendige Bremsenkühlung mit speziell entwickelten Kühlabweisern und Bremssattelkanälen sowie STO-identische Bereifung.

Im Tecnica brüllen 640 PS, wie beim Huracán STO und Allrad-EVO. Dazu direktere Gaspedal-Drosselklappen-Kennlinie und kürzere Schaltzeiten vom Supersportler STO.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD
Optisch? Hat sich auf den ersten Blick bis auf die Front und einen kleinen Heckflügel nicht viel getan. Der Tecnica soll sechs Zentimeter länger sein als der Evo und die Silhouette an den Essenza SCV12 erinnern. Erst beim zweiten Hinsehen entdeckt man die komplett neue Frontschürze, die das wilde Y-Design des Terzo Millennio aufgreift und nun einen Air Curtain beinhaltet.
Der neue Frontsplitter hat niedrigere, offene Lamellen, die die Luft durch verbesserten Abtrieb und Kühlung durch die Räder leiten sollen. Haube vorn? Carbon. Haube hinten? Neue vertikale gläserne Scheibe plus eine adrette Carbonabdeckung für den V10.
Darunter eine neu gezeichnete Heckschürze mit fettem Diffusor, über dem zwei hexagonal geformte Endrohre ragen, sowie der gerade angesprochene feste Heckflügel. Nicht zu sehen: der Unterboden, der mit neuen Leitwerken und Finnen optimiert wurde. Genug der Antipasti, wir wollen wissen, wie das neue Ding fährt.
Virtueller Rennassistent für 4855 Euro
Keiner in dieser Klasse baut flacher, kompakter, extremer, duckt sich gerade einmal 1,16 Meter über den Asphalt und verlangt eine entsprechend biegsame Physis, will man sich ihm mit gebührender Grazie nähern. Einmal jedoch in seinem Flachdach-Kokon eingenistet, lässt er nicht mehr von dir ab. Vorn wächst einem der spitz gekeilte Instrumententräger entgegen, das Dach säbelt bündig übers Haupt, zur Rechten reiht sich ein adrettes Kippschalter-Spalier auf, darunter haust ein tabletartiges Touchdisplay.
Für 4855 Euro steckt dann da auch ein virtueller Rennassistent drin, der Telemetriedaten speichert und bei der Verbesserung der Rundenzeit hilft. Ist beim Testwagen natürlich an Bord, der Lausitzring schon vorkonfiguriert.

Die Türtafeln aus Carbon stammen wie die Türschlaufen eins zu eins vom Huracán STO.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD
Und im Cockpit-Zentrum? Klar, traditionell der Startknopf – atmosphärisch gesichert von einer roten Schutzklappe. An der Lenkradunterseite der bekannte "Modi-Kipper". Fans des Stiers kennen die Programme "Strada", "Sport" und "Corsa". Die Kurzbeschreibung lautet: In "Strada" geht es halbwegs zivilisiert zu, in "Sport" ist alles auf maximale Emotion und viel Hecklastigkeit ausgelegt (Übersteuern, aber geschmeidig beherrschbar).
In "Corsa" geht es um möglichst viel Agilität und Präzision für die Rennstrecke. Die Sportschalensitze sind im Vergleich zu den STO-Carbonschalen deutlich popotauglicher, bieten genug Komfort und perfekten Seitenhalt und Verstellungen.
Um 5000/min geht der Spaß los
Also rote Schutzkappe nach oben, Zündung, Gänsehaut! Erst der kühle Takt des Anlassers, der den V10 in seinen Arbeitsrhythmus schnippt, dann ein dunkles Aufbellen des 5,2 Liter großen Kammerchors, ehe sich das feinmechanische Brodeln im Leerlauf ausbreitet. Über die Schaltwippe den ersten Gang einlegen und gemütlich losrollen. Das kann er, wirklich, sogar ziemlich unauffällig. Vor allem dann, wenn der V10 kurzzeitig zum Fünfzylinder wird. Bis 3000 Touren liegt der 5.2er quasi im Halbschlaf, der Puls niedrig, der Klang bedeckt, der Vortrieb im Großen und Ganzen eher zahm.
Ortsausgang, Klick auf "Sport", die erste Stufe braut sich zusammen. Der Klang erwacht, der Schub schwillt an. Um 5000/min fängt die Lunte schließlich richtig Feuer, das dunkle Bellen im Heck gewinnt an Fülle, der Vortrieb an Fulminanz, ehe um 6000 Touren schließlich der Nachbrenner zündet, die 565 Newtonmeter emporschießen und der Fahrer in einen regelrechten Drehzahlrausch gesaugt wird.
Messwerte | Huracán Tecnica |
---|---|
Beschleunigung | |
0-50 km/h | 1,6 s |
0-80 km/h | 2,5 s |
0-100 km/h | 3,2 s |
0-130 km/h | 4,6 s |
0-180 km/h | 7,6 s |
0-200 km/h | 9,3 s |
0-250/0-300 km/h | 15,9/28,9 s |
0-402,34 m (Viertelmeile) | 11,01 s |
Elastizität | |
60-100 km/h im 4./5. Gang | 2,9/4,0 s |
80-120 km/h im 5./6. Gang | 3,8/5,4 s |
80-120 km/h im 7. Gang | 6,7 s |
Bremsweg | |
100-0 km/h kalt (m/s²) | 32,0 m (12,1 m/s²) |
100-0 km/h warm (m/s²) | 30,1 m (12,8 m/s²) |
200-0 km/h warm (m/s²) | 114,1 m (13,5 m/s²) |
Testverbrauch | |
Ø auf 100 km | 15,4 l Super Plus |
Reichweite | 520 km |
Gewichte | |
Leergewicht/Zuladung | 1563 kg/k. A. |
Balance Vorderachse/Hinterachse | 41/59 % |
Leistungsgewicht | 2,4 kg/PS |
Höchstgeschwindigkeit (lt. Hersteller) | 325 km/h |
Gefühl? Packender als jeder Thriller! Allein das organische Gefühl im Gaspedal, das so fein rückmeldet, als würde sich dahinter noch ein echter Gaszug verbergen. Oder das feinmechanische Singen im Ventiltrieb, das sich so filigran über die gewaltige Soundschleppe legt. Schub und Klang verdichten sich im Takt der Drehzahl, rotieren bei 8000/min 640 PS von der Welle – Saugmotor-Leidenschaft at its best! Diese Orgie will man immer wieder erleben, freut sich auf jeden Ortsausgang, jede Autobahn-Auffahrt, jeden Überholvorgang.
Das Handling entfaltet sich mit weit weniger Theatralik. Zum einen natürlich wegen der ganzen elektronischen Helfer, Torque Vectoring und Co, die selbst richtig kühne Querkraftexperimente rutschfest absichern. Zum anderen aber auch wegen der allgemein sehr handfesten Art, mit der so ein Huracán die Richtung wechselt.
Er ist kein Tänzer, eher Turner: bleibt stets konzentriert, unter Spannung und dreht nur dann aus der Hüfte mit, wenn es seiner Choreografie auch wirklich hilft. Lenkung und Bremse geben glasklares Feedback, das Fahrwerk federt eine Spur sanfter als im STO, ist dennoch von der straffen Sorte.
Wenn sich Tempo 200 wie 100 anfühlt
Autobahn? Kann er, und wie! Das Überholprestige mit dem neuen Gesichts-Make-up könnte nicht besser sein. Tempo 200 fühlt sich an wie 100, 300 wie 200. Auf die Bremsen ist immer Verlass, die sind gefühlt unterfordert. Du kannst natürlich auch tiefenentspannt im Strada-Mode mit Radio und 150 auf der rechten Spur trödeln. Glauben Sie mir, das wollen Sie nicht. Der V10 muss schreien, du willst dir die Gangwechsel in deinen Rücken tätowieren lassen, es muss wehtun.
Kommen wir zur Längsdynamik. Trotz der Semislicks schlupfen bei der Sprintprüfung anfangs ein paar Newtonmeter durch. Hat der V10 jedoch erst einmal festen Halt gefunden, ballern die Gänge mit der Vehemenz eines Presslufthammers auf die Achse. 3,2 Sekunden ist die Werksangabe auf 100, 3,2 ist auch unser Messwert. 200 sind in 9,3 Sekunden erreicht. Hier hätten wir im Vergleich zum beflügelten STO (3,0/9,1 s) eine bessere Zeit erwartet. Ist aber kein Beinbruch.

Da wackelt der Lausitzring: Schade, dass Sie nicht genau diesen Moment hören können, wenn sich der V10 aufbäumt und in Richtung Start-Ziel-Gerade schreit.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD
Bremsen? Die Acht- respektive Vierkolbensättel nehmen die Carbon-Keramik-Scheiben großartig in die Zange: Der Druckpunkt ist so gut und feinfühlig wie nie zuvor in einem Lambo. Da nehmen wir auch den STO mit rein. Selbst unter fortwährender Beanspruchung bleibt das Pedal stramm und stabil, das ABS setzt den Grip der Semislicks punktgenau in Verzögerung um. In Zahlen: 30,1 Meter aus 100 und 114,1 aus 200 km/h bei 13,5 Metern pro Sekunde – sensationell.
Kommen wir zur Querdynamik. Wo sortiert sich der Tecnica ein? So schnell wie der Allrad-Evo, wie viel langsamer als der STO? Der Huracán generell kennt den Lausitz-Kurs gut. Aventador SVJ, Evo, STO, alle waren sie schon hier, immer erfolgreich. Und so wundern wir uns auch nicht über die ersten Warm-up-Runden.
Dieser Tecnica liegt in der Hand wie ein seit Jahren vertrauter Tanzpartner, locker, empathisch und derart selbstverständlich, dass man in jeder Ecke aufs Neue darüber staunt, was er mit Kurven alles anstellt. Das Auto ist verstanden, die Strecke hat er inhaliert, in der Box neue Bridgestone Potenza Race montieren und ab auf Zeitenjagd.
Auch ohne fette Flügel schnell
Und schon in der ersten Runde passt einfach alles, fantastisch! Nein, wir übertreiben nicht. Sind nicht vom infernalischen Sound zugedröhnt oder wurden von den Lambo-Ragazzi mit Café und Pasta bestochen. Egal ob Bremse, Motor, Lenkung oder Fahrwerk – alles am Tecnica rückmeldet derart glasklar und organisch, dass man mit ihm regelrecht verschmilzt. Die Vorderachse schnalzt mit graziler Leichtigkeit der Fliehkraft entgegen, die Lenkung zirkelt mit fast schon perverser Präzision, während das Heck je nach Gusto brav auf Linie folgt, sanft drängt oder in bester Hooligan-Manier drauflosfackelt.
So richtig schnell ist man aber nur, wenn man den V10 kurvenausgangs wild übersteuernd nicht bis in die Puppen dreht, sondern schon bei 5000 bis 6000 ins nächste Ritzel wechselt und nur mit leichter Schräglage auf die nächste Gerade hechtet. Traktion und Drehmoment hat er dafür zur Genüge. Bremse und Reifen arbeiten perfekt zusammen, so geht Spätbremsen.
Im Vergleich zum STO, dessen Fahrwerk in der Lausitz etwas zu steif war, ist die fehlende Aero in den schnellen Ecken spürbar. Am Ende ist es dann doch nur eine winzige Sekunde, die dem Tecnica auf seinen beflügelten Bruder STO fehlt. Und das ist echt eine Überraschung. Mission erfüllt, Huracán und Heckantrieb sind auch ohne fette Flügel schnell.
Fazit
Sie liebäugeln mit einem Lambo? Dann jetzt zuschlagen. Dieser Huracán Tecnica ist mit das Beste, was jemals aus Sant’Agata kam. Emotional hoch zehn, viel Fahrspaß, noch mehr Speed und schnelle Zeiten.
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