Neues Light-E-MTB: Scott Lumen eRide 900 SL im Test
Dieses E-Mountainbike wiegt nur noch 15,5 Kilogramm
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Die neue E-MTB-Plattform Lumen verschiebt Grenzen. Das Topmodell Scott Lumen eRide 900 SL wiegt nur 15,5 Kilogramm – ein Wahnsinnswert für ein motorisiertes Mountainbike.
Bild: Michal Cerveny
Inhaltsverzeichnis
Das neue Scott Lumen eRide 900 SL dürfte zu diesem Zeitpunkt das weltweit leichteste Serien-E-Mountainbike mit Vollfederung sein. Es ist so unglaublich leicht, dass es sogar einige nicht motorisierte Mountainbikes gewichtstechnisch abhängt. 15,5 Kilogramm, kann das wahr sein? Es ist ein Wert, den man wirklich zweimal lesen muss, um ihn zu glauben. Auch wenn man je nach Waage und Rahmen 100 Gramm mehr oder weniger messen kann, bleibt das Federgewicht definitiv weit unter der 16-Kilogramm-Marke.
Der Schweizer Fahrradhersteller Scott hat in enger Zusammenarbeit mit dem deutschen Motorenbauer TQ-Systems mit dem Lumen ein Role Model in der Kategorie Light-E-MTBs geschaffen. Doch das neue Lumen steht für mehr als nur ein neues E-MTB-Modell – es ist für Scott der Startschuss für eine neue gattungsübergreifende Plattform auf TQ-Basis, die trotz Elektroantrieb ein extrem natürliches und authentisches Fahrgefühl bieten soll, sodass man den Unterschied zwischen einem herkömmlichen und motorisierten Sportfahrrad kaum noch merken soll.
Für das E-MTB Lumen eRide 900 SL haben beiden Hersteller ins Rennen geschickt, was ihr Portfolio aktuell hergibt. Antriebsseitig ist das bei TQ-Systems der neue HPR50, der seine Energie aus dem 360-Wattstunden-Akku (ebenfalls TQ-Systems) bezieht. Das maximale Drehmoment von 50 Newtonmetern haut einen zwar nicht vom Hocker, umso beeindruckender an dem jungen Aggregrat sind aber die geringe Lautstärke, das niedrige Gewicht und seine Kompaktheit, womit der Motor sogar den direkten Konkurrenten Fazua in den Schatten stellt.
Praktisch: Am neuen Lumen lassen sich bis zu zwei Flaschen mitführen. Oder wahlweise eine Flasche plus Range Extender, um die Reichweite zu erhöhen.
Bild: Michal Cerveny
Bis zu 300 Prozent Unterstützung und maximal 300 Watt Leistung spielt der HPR50 zu. Die Motorleistung lässt sich über drei Unterstützungsstufen (Eco, Mid, High) regulieren. Mithilfe einer einfachen Remote am Lenkerende können die Unterstützungsstufen verstellt, der Walk-Modus aktiviert oder auch jegliche Unterstützung deaktiviert werden. Aufgefallen ist uns während der Testphase, dass der Druckpunkt etwas Finger- bzw. Daumenkraft bedarf. Vorteil wiederum: Dass man versehentlich die Unterstützungsstufe wechselt, ist nahezu ausgeschlossen.
Die Graduierung innerhalb der Unterstützungsstufen kann zusätzlich in der kostenfreien und einfach zu bedienenden TQ-App individualisiert werde. Per Regler lassen sich Leistung, Unterstützungsfaktor und Pedalsensibilität verändern. Jeder Fahrradhersteller liefert sein Rad mit einer Default-Einstellung aus. Der Kunde ist anschließend frei, den Charakter des Antriebs nach seinem Gusto anzupassen. Koppeln lässt sich der Antrieb per ANT+ oder Bluetooth und nicht nur mit dem Smartphone, sondern auch mit diversen Radcomputer, auf denen dann beispielsweise die Leistung angezeigt werden kann.
Das Cockpit ist aufgeräumt und alle Bedienelemente gut erreichbar. Die TQ-Remote nimmt nicht viel Platz weg. Mit den drei Schalthebeln werden die Dropperpost und das Twinloc-System von Scott bedient.
Bild: Michal Cerveny
Das zwei Zoll große Schwarz-Weiß-Display von TQ-Systems ist beim Scott Lumen im Oberrohr integriert. Die Ablesbarkeit war selbst bei direkter Sonneneinstrahlung oder diffusem Licht auf dem Trail hervorragend und hat ein Farbdisplay zu keinem Zeitpunkt vermissen lassen. Ein Knopf am unteren Rand des Displays führt durchs Darstellungsmenü. Alle wichtigen Fahrdaten werden angezeigt, so zum Beispiel Geschwindigkeit, Leistung, Reichweite und Akkustand.
Wir können nach diversen Testfahrten mit dem Scott Lumen eRide 900 SL in der Toskana versprechen: Mehr als 1000 Höhenmeter sollten mit einer Akkuladung bei üblicher Fahrweise drin sein, und mit dem Range Extender (160 Wattstunden) kommen weitere 500 hinzu. Das ist nicht nur deshalb möglich, weil der Antrieb effizient arbeitet. Je besser das Fahrrad rollt, desto weniger Leistung müssen Fahrer und Motor aufwenden.

Optisch ein Leckerbissen, technisch auf hohem Niveau: Die XX1 Eagle AXS von Sram zeigt im Härtetest keine Anzeichen von Schwäche.
Bild: Michal Cerveny
Mit dem Lumen eRide 900 SL hat uns Scott sein Topmodell für voraussichtlich 15.999 Euro vorgestellt. Neben der Gewichtsangabe noch so eine Zahl, die man zweimal lesen muss, um sie glauben zu kommen. Aber Entwarnung, es wird das Lumen mit dem TQ-Antrieb auch viel preiswerter geben, ab 6.999 Euro. Dann wird man allerdings auf Highend-Komponenten wie Sram elektronischer AXS-Schaltung verzichten müssen. Die XX1 Eagle mit ihren zwölf Gängen ist über jeden Zweifel erhaben. Ebenso die regenbogenfarbene Kassette mit ihren 10 bis 52 Zähnen, die in Kombination mit dem 34er-Kettenblatt eine üppige Bandbreite bietet. Die Schaltwippe der AXS-Gruppe lässt sich einfach per Daumen bewegen, der Druckpunkt ist stimmig.
Ebenfalls wird man, wenn man nicht zum Lumen eRide 900 SL greift, nicht in den Genuss kommen, die supersteifen und ebenso leichten, aber auch knüppelharten Carbonlaufräder von Syncros fahren zu können. Was das Budget drückt, muss dem Fahrspaß nicht zwangsläufig einen Abbruch tun. Zwar sind die teuren Carbonstücke, die mit 1.280 Gramm weit unter 1.500 Gramm wiegen, super leicht und brutal steif, aber auch insgesamt zu hart, wenn man länger im Sattel unterwegs ist oder etwa die Handgelenke bereits vorermüdet sind. Bestückt ist das E-MTB mit 29-Zöllern vorn und hinten.
Technische Daten: Scott Lumen eRide 900 SL
Modell
Scott Lumen eRide 900 SL
Preis
Rahmen/Cockpit
Motor
Akku
Federgabel
Dämpfer
Schaltung
Übersetzung
Laufräder
Reifen
Bremsen
Gewicht
Zul. Gesamtgewicht
Clever: Scotts patentiertes Twinloc-System
Scotts patentiertes Twinloc-System findet sich in jedem Lumen-E-MTB wider. Das praktische System ermöglicht es, dass man während der Fahrt die Federgabel in drei Stufen (fix, mittel, offen) verstellen kann. Ein sehr praktisches Feature, das man gern nutzt, wenn man die Funktionsweise einmal verinnerlicht hat. So kann man die Gabel öffnen, wenn es bergab geht oder eben fixieren, sollte eine Stück Asphalt zu bewältigen sein.
Der Federweg von 130 Millimetern liegt irgendwo zwischen Cross Country und All Mountain – und scheint ein guter Kompromiss für sportliche Fahrer.
Bild: Michal Cerveny
Hinsichtlich der Geometrie sowie des Federwegs der prominenten Fox-Dämpfer (130/130 Millimeter) hat man sich am Cross-Country-Modell Spark orientiert. Damit ist auch die Ausrichtung des Lumen eRide eindeutig: Das E-MTB richtet sich an sportliche Fahrer, die genauso gut auch beim Spark hätten landen können, aber ihre Kondition mit etwas Fremdleistung pimpen wollen, ohne die typischen Nachteile eines E-Bikes wie Optik, Gewicht oder miese Fahreigenschaften ohne Motor in Kauf zu nehmen.
Zu den Vorzügen des neuen Lumen gehört auch, dass Scott das Thema Integration nicht nur groß geschrieben hat, sondern es sehr weit zu Ende gedacht hat. Zwar hatten die Schweizer mit dem kompakten und kleinen TQ-HPR50 leichtes Spiel beim Design, doch dass die Ingenieure neben dem TQ-Akku auch den Heckdämpfer in den Rahmen integriert haben – Chapeau! Das Geniale am Lumen ist, dass bei dem stimmigen Gesamtpaket Form der Funktion folgt und umgekehrt Funktion der Form: Denn durch diesen Kniff ließ sich im Rahmendreieck Platz finden, um gleich zwei Flaschenhalter zu positionieren – wovon einer durch den Range Extender ersetzt werden kann.
Motorisierte Leichtgewichte wie Scotts neues Lumen begründen eine neue Fahrradkategorie. Sogenannte Light-E-MTBs sind aktuell in aller Munde, und das Thema ist so heiß, dass alle Hersteller daran fieberhaft arbeiten. Lighweight-E-MTBs wollen sich bewusst von Power-E-MTBs abgrenzen und so nahe wie irgendwie möglich am natürlichen Fahrgefühl sein. Hierfür werden zugunsten von Gewicht und Agilität auf Drehmoment und Akkukapazität verzichtet – mit weiteren positiven Folgen. Kinematik und das allgemeine Fahrgefühl sind so nah am konventionellen Mountainbike, dass man während der Fahrt vergisst, auf einem elektrifizierten Modell unterwegs zu sein.
Das Scott Lumen eRide 900 SL ist ein Paradebeispiel für ein Lightweight-E-MTB und will seinem Naturell nach eigentlich ein herkömmliches MTB sein, bietet trotzdem viele Vorzüge aus dem Segment der E-MTBs. Die Unterstützung durch den TQ-Antrieb fällt mit 50 Newtonmetern Spitzendrehmoment moderat aus, bietet indes ausreichend Support auch für steilere Kletterpartien. Die Sensibilität des Motors sucht ihresgleichen und kann auf die Spitze getrieben werden, wenn man in der App die Pedal-Sensitivität nach unten schraubt. Dann entfällt das – mitunter bevormundende – anschiebende Moment, das man von kräftigen Mittelmotoren kennt. Sportiven Fahrern wird der neue TQ-HPR50 zusagen, er ist da ohne präsent zu sein, er unterstützt ohne zu bevormunden und er ist so leise, dass man irgendwann vergisst, dass man auf einem E-MTB unterwegs ist.
Die Laufräder aus Carbon am Topmodell Lumen eRide 900 SL waren für unseren Geschmack zu radikal. Leichtigkeit und Steifigkeit in Ehren, aber bei den Syncros-Schmuckstücken für fast 5.000 Euro, die aus einem einteiligen Stück Carbon gefertigt sind, waren Performance und Komfort zu weit auseinander. Die 29er-Reifen von Schwalbe bieten ein sehr gutes Überrollverhalten und dürften abseits des Grenzbereichs während rasanter Abfahrten jederzeit eine gute Figur abgeben.
Der Federweg ist ausreichend für sportlichen Spaß aufm Trail, die FOX-Gabel verhält sich grundgütig, bietet aber auch Reserven für eine aggressivere Gangart. Am Heckdämpfer ist vor allem erstmal bemerkenswert, dass er nicht sichtbar ist. Die Schweizer Ingenieure haben den Dämpfer analog zum Cross-Country-Bike Spark im Rahmen verschwinden lassen, von wo er laut Scott wesentlich direkter seine Aufgabe erfüllen kann. So sollen durch die neue Konstruktion laut Scott seitliche Scherkräfte verhindern werden und durch die steifere Halterung im Sitzrohr eine effizientere Kraftübertragung sichergestellt worden sein.
Nach drei Tagen intensivem Fahren in der Toskana ist uns klar, worin der Reiz von solchen Light-E-MTBs wie das Scott Lumen liegt. Power-MTBs haben ihre Berechtigung und bieten mehr Leistung und mehr Reichweite für Radfahrer, die in den Bergen unterwegs sind. Das neue Lumen ist ein Spaßbike der Extraklasse, für vor allem sportliche Fahrer entwickelt, die auf integriertes Design stehen und sich im Gelände fordern wollen. Mit dem neuen Scott Lumen eRide 900 SL wird man sich fühlen, als hätte man die Tagesform seines Lebens – einfach nur jeden Tag aufs Neue, immer wieder. Es lebe die neue Kategorie der Light-E-MTBs!
Das Topmodell Scott Lumen eRide 900 SL wird für viele ob seines Kaufpreises ein Traumbike in unerreichter Reichweite bleiben. Daneben bietet Scott drei weitere (bezahlbare) Modelle an, darunter auch ein dezidiertes Frauenmodell.
Technische Daten: Scott Lumen eRide 900
Modell
Scott Lumen eRide 900
Preis
Rahmen/Cockpit
Motor
Akku
Federgabel
Dämpfer
Schaltung
Übersetzung
Laufräder
Reifen
Bremsen
Technische Daten: Scott Lumen eRide 910
Modell
Scott Lumen eRide 910
Preis
Rahmen/Cockpit
Motor
Akku
Federgabel
Dämpfer
Schaltung
Übersetzung
Laufräder
Reifen
Bremsen
Technische Daten: Contessa Scott Lumen eRide 900
Modell
Contessa Scott Lumen eRide 900
Preis
Rahmen/Cockpit
Motor
Akku
Federgabel
Dämpfer
Schaltung
Übersetzung
Laufräder
Reifen
Bremsen