AFS-Leuchten können auch schielen

Bis heute hatte sich die Fahrweise der Beleuchtung anzupassen. Demnächst paßt sich die Beleuchtung der Fahrweise an: 2006 geht AFS-Licht in Serie. AFS, das steht für Adaptive Frontlighting-System – anpassungsfähige Scheinwerfer. Dahinter steckt die Idee, den Lichtkegel für unterschiedliche Fahrbedingungen zu optimieren. Breit für den Stadtverkehr, so lang wie möglich für die Autobahn.

Standard bis vor drei Jahren waren zwei verschiedene Lichtverteilungen: Abblend- und Fernlicht. Dann kam Bewegung ins Licht: Audi brachte Ende 2002 das Abbiegelicht, und im März 2003 lernten die Scheinwerfer, um die Ecke zu sehen – Opel und Mercedes-Benz stellten nahezu zeitgleich ihr dynamisches Kurvenlicht vor.

Dies darf als erste Stufe von AFS-Licht bezeichnet werden, auch wenn bei diesen Systemen nur die konventionelle Lichtverteilung entsprechend der Kurvenradien geschwenkt wird. Die demnächst erscheinenden AFS-Leuchten, von Hersteller Hella VARILIS (VARiables Intelligentes LIcht-System) getauft, schwenken ebenfalls ihre Scheinwerfer-Module. Allerdings leuchten sie nicht nur parallel in Kurven hinein, sondern beherrschen auch das Schielen. Denn VARILIS besitzt eine Funktion, die sich dynamisches Stadtlicht nennt. Dabei schwenken beide Scheinwerfer von der Mittelachse des Fahrzeugs um elf Grad zur Außenseite, wodurch der Lichtkegel nochmals erheblich verbreitert wird – ideal für mehrspurige Ausfallstraßen mit einem Geschwindigkeitsniveau von 60 bis 80 km/h.

Die Reichweite beträgt gut 200 Meter

Unterhalb dieses Tempos produziert VARILIS Stadtlicht: Beide Scheinwerfer strahlen parallel, statt Reichweite wird Breite bevorzugt. Und beim Abbiegen oder Fahren von engen Kurven kann ein zusätzliches Abbiegelicht die dunkle Zone direkt neben dem Auto aufhellen.

Außerhalb der Stadt, wenn die Tachonadel sich der 100 nähert, ist alles beim alten. Denn das Landstraßenlicht entspricht im Prinzip dem bekannten asymmetrischen Abblendlicht. Wobei asymmetrisch bedeutet, daß der Lichtkegel links begrenzt ist, um den Gegenverkehr nicht zu blenden. Rechts dagegen ist die Reichweite weitgehend unbeschränkt, gute Scheinwerfer schaffen am rechten Straßenrand bis zu 150 Meter.

Spannend wird es auf Schnellstraßen. Denn bei höheren Geschwindigkeiten schaltet VARILIS auf Autobahnlicht. Die Reichweite nimmt dabei drastisch zu, beträgt gut 200 Meter. Trotzdem werden weder der Verkehr auf der entgegenkommenden Spur noch vorausfahrende Autofahrer geblendet, weil der Lichtkegel – anders als beim Fernlicht – nach oben scharf begrenzt ist. In Verbindung mit der Kurvenlichtfunktion ergibt sich so eine sichere Spurführung auch bei höheren Geschwindigkeiten – vielleicht die wichtigste Innovation von AFS alias VARILIS.

Der Prototyp steckt in einem BMW

Erzeugt werden die unterschiedlichen Ausleuchtungen mit Xenon-Projektionsscheinwerfern. Die funktionieren wie ein Diaprojektor, nur steckt im Strahlengang kein Dia, sondern eine drehbare Walze. Unterschiedliche Ausfräsungen bewirken verschiedene Lichtverteilungen, praktischerweise ist auch gleich eine Stellung für Länder mit Linksverkehr vorgesehen.

Wird das Fernlicht also überflüssig? Nein, der Fahrer hat nach wie vor die Möglichkeit, alle Lichtfunktionen von VARILIS mit Fernlicht zu überlagern. Dabei wird die Walze blitzschnell in eine Position gedreht, die dem Licht den vollen Durchgang freimacht. Den Serienanlauf von VARILIS hat Hella für 2006 angekündigt. Nur in welchem Fahrzeug das sein wird, durften die Lippstädter Lichtexperten noch nicht verraten.

Der Prototyp ist in einem BMW eingebaut, aber das hat keine Bedeutung. Entwicklungstechnisch betrachtet, ist VARILIS für Hella ohnehin bereits abgeschlossen. Jetzt steht der Leuchtdioden-Scheinwerfer vor seiner Vollendung. Und in acht bis zehn Jahren sollen aktive Lichtquellen serienreif sein, die ähnlich wie ein Video-Beamer arbeiten und gezielt Informationen auf der Straße leuchten lassen, Gefahrenpunkte markieren. Oder Helligkeit dort ausblenden, wo sie stört – in Augenhöhe des Gegenverkehrs. So ein Licht paßt sich also nicht nur der Straße an, sondern auch ihren Benutzern.