Über 100.000 Kilometer hat AUTO BILD die B-Klasse getestet. Der B 200 CDI hat zwar gehalten – aber nicht, was er verspricht. Ein Mercedes muss mehr bieten.
Kolbendurchmesser des ersten Zylinders: 0,5 Hundertstelmillimeter unter Sollstärke – quasi Neuzustand. Verschleißmaß der Kupplungslamellen: voll in der Toleranz – also gerade eben eingefahren. Pleuellager, Ventilsitze, Nockenwelle: top. Keine Frage, der technische Zustand des Mercedes B 200 CDI könnte kaum besser sein. Die B-Klasse hat die Verschleißprüfung mit Bravour bestanden. Eine haltbare Maschine! Alles gut also? Leider nicht. Denn der AUTO BILD-Dauertest kratzt deutlich tiefer im Autoleben als eine Kurbelwelle in ihren Lagern. Nach etwas über 100.000 Kilometer Einsatz in der Redaktion kehren wir Späne auf und fassen zusammen: Abseits der mechanischen Beanspruchung musste der B 200 CDI Sports Tourer ordentlich Federn lassen. Was wir ihm vorwerfen? Vertrauensbruch, er hat uns enttäuscht. Denn das, was ein immerhin 46.743 Euro teurer Mercedes – Slogan: Das Beste oder nichts – verspricht, haben wir nicht mit ihm erlebt.
Klappe zu, Blech wackelt: Das sollte Mercedes besser können
Brummende Geräusche aus den Radlagern, Zittern im Lenkrad: Schon auf der Überführungsfahrt fiel die B-Klasse negativ auf.
Bereits die Überführungsfahrt von Stuttgart nach Hamburg verlief nicht reibungslos und verunsicherte Dauertest-Profi Manfred Klangwald. Bei Kilometerstand 1910 notierte der als ersten Eintrag ins Fahrtenbuch: "Brummende Geräusche aus den Radlagern, Zittern im Lenkrad, irgendwas stimmt nicht. Bitte Reifen wuchten lassen." Genervt schnappt sich Klangwald zu Hause seine Tasche aus dem Kofferraum, schlägt die Klappe zu und hört, was später noch viele hören werden: Statt erwartetem sattem Klonk einer soliden Mercedes-Luke folgt das dünnliche Klötern eines mäßig befestigten Hitzeschutzblechs über dem Endschalldämpfer. Klappe zu, Blech wackelt – schepperschepper. Immerhin: Das lose Blech sowie eine ebenfalls geräuschvoll wackelnde Motorabdeckung hat die Mercedes-Werkstatt im Rahmen der ersten Inspektion beruhigen können.
Nervfaktor: die unkultivierte Arbeitsweise des CDI
Logbuch-Schelte auch für's Fahrwerk: "Unbequem gefedert, nervtötend starres Abrollverhalten."
Den derben Motor jedoch mussten wir uns über die gesamte Distanz anhören. "Ruppig", fasste Redakteur Martin Puthz die unkultivierte Arbeitsweise des CDI zusammen. Etwas detaillierter beschrieb ein Kollege aus der Messabteilung den Antriebscharakter. "Nach dem Kaltstart rau, auch im warmen Zustand kein sanfter Diesel, bei hohen Geschwindigkeiten zu laut – unwürdig in dieser Preisliga", so das Urteil von Berend Sanders. Ähnlich wie zum Thema Motor spicken auch negative Beiträge zum Getriebe das Fahrtenbuch. Vor allem das Anfahrverhalten (unsanft, zu hektisch beim Rangieren) bemängelten die Kollegen. Gelegentlich fielen die Gangwechsel auch übereifrig aus. Genug Schelte für den Antrieb – wir haben ja auch noch mit dem Fahrwerk zu schimpfen. Kein Kollege, der eine längere Reise mit dem B 200 CDI unternahm, fand lobende Worte für die Federungsmanieren. Stellvertretend für den Tenor über die gesamte Distanz schrieb es Testfahrer Ivo Bartulovic ins Logbuch: "Unbequem gefedert, nervtötend starres Abrollverhalten." Die zu kurzen Sitzflächen verstärkten den Eindruck vom eingeschränkten Reisekomfort noch. "Auf längeren Strecken kaum zu ertragen" – so das schriftliche Urteil im Bordbuch.
Kollisionswarner erleidet Panikattacken im Stadtverkehr
Keine kleine Toleranzabweichung: Statt versprochener 4,4 Liter Verbrauch gönnte sich die B-Klasse 6,9 Liter im Durchschnitt.
Genervt hat außerdem die Elektronik der Assistenzsysteme. Zwar hat der radargestützte Temporegler ordentlich funktioniert (allenfalls ein etwas defensives Beschleunigungsverhalten fiel auf), doch gelegentliche Fehlinterpretationen der Kollisionswarnung störten das Vertrauen in die Technik. Mehrere Male ließ das unzuverlässige System den Motor sogar ins Notprogramm fallen. Erst ein Werkstattbesuch mit Software-Therapie erlöste den Kollisionswarner von seinen Panikattacken im Stadtverkehr. Kleiner Trost: Ohne diese elektronischen Störungen (auch ein Lenkungs-Update gab es im Rahmen des ersten Servicetermins) hätte die Werkstatt nicht viel zu tun gehabt. Zweimal Bremsklötze erneuern, bei Kilometer 77.427 die vorderen Bremsscheiben tauschen, Motor- und Getriebeöl wechseln, neue Glühlampen einsetzen – mehr hat die B-Klasse nicht gefordert. Happig allerdings: Für das Erneuern der Birnen in den Kurvenleuchten sieht Mercedes Arbeitslohn vor – 57 Euro. Überhaupt, die Kosten: Alles, was uns am B 200 wirklich gut gefiel, gab es nicht umsonst. Das praktische Ladesystem Easy Vario Plus (inklusive klappbarer Beifahrersitzlehne) kostet 672 Euro, die klappbare Anhängekupplung berechnete Mercedes mit 940 Euro, für die Rückfahrkamera sind 345 Euro fällig. Und Aufschlag hat die B-Klasse auch beim Fahren verlangt. Statt versprochener 4,4 Liter Verbrauch wurden es während der 100.000 Kilometer 6,9 Liter im Durchschnitt. Das ist dann schon mehr als eine kleine Toleranzabweichung. In der Bildergalerie erfahren Sie, was während des Tests und bei der Demontage des Testwagens nach Erreichen der 100.000 Kilometer außerdem aufgefallen ist. Den vollständigen Artikel mit allen Daten und Tabellen gibt es im Online-Artikelarchiv als PDF-Download.
Bildergalerie
100.000 Kilometer mit der Mercedes B-Klasse
Fazit
von
Manfred Klangwald
Ohne Panne über 100.000 Kilometer – so weit, so gut. Eine ordentliche Zuverlässigkeit wollen wir der B-Klasse nicht absprechen. Unsere Erwartungen hat sie aber dennoch nicht erfüllt. Ein Mercedes für 46.000 Euro muss komfortabel und souverän fahren – auch dann, wenn es keine E-Klasse ist! Und da war er eben nur Mittelmaß.
Die Mercedes B-Klasse im Test über 100.000 Kilometer: Hier haben wir die wichtigsten Ergebnisse unserer Zeit mit dem B 200 CDI Spirit für Sie zusammengefasst.
Bild: Ivan Bartulovic
2/24
Das, was ein immerhin 46.743 Euro teurer Mercedes – Slogan: Das Beste oder nichts – verspricht, haben wir nicht mit ihm erlebt. Bereits die Überführungsfahrt verlief nicht reibungslos und verunsicherte Dauertest-Profi Manfred Klangwald. Bei Kilometerstand 1910 notierte er als ersten Eintrag ins Fahrtenbuch: "Brummende Geräusche aus den Radlagern, Zittern im Lenkrad, irgendwas stimmt nicht. Bitte Reifen wuchten lassen."
Bild: Christoph Boerries
3/24
Die nächste Enttäuschung offenbart die B-Klasse beim ersten Zuschlagen der Heckklappe: Statt erwartetem sattem Klonk einer soliden Mercedes-Luke folgt das dünnliche Klötern eines mäßig befestigten Hitzeschutzblechs über dem Endschalldämpfer. Immerhin: Das lose Blech sowie eine geräuschvoll wackelnde Motorabdeckung hat die Mercedes-Werkstatt bei der ersten Inspektion beruhigen können.
Bild: Roman Raetzke
4/24
Den derben Motor jedoch mussten wir uns über die gesamte Distanz anhören. "Ruppig", fasste Redakteur Martin Puthz die unkultivierte Arbeitsweise des CDI zusammen. "Nach dem Kaltstart rau, auch im warmen Zustand kein sanfter Diesel, bei hohen Geschwindigkeiten zu laut – unwürdig in dieser Preisliga", so das Urteil eines Kollegen aus der Messabteilung. Und dann ...
Bild: Christoph Boerries
5/24
... auch noch das: Statt versprochener 4,4 Liter Verbrauch wurden es während der 100.000 Kilometer 6,9 Liter im Durchschnitt. Das ist dann schon mehr als eine kleine Toleranzabweichung.
Bild: Christoph Boerries
6/24
Auch negative Beiträge zum Getriebe spicken das Fahrtenbuch. Vor allem das Anfahrverhalten bemängelten die Kollegen: unsanft, zu hektisch beim Rangieren. Gelegentlich fielen die Gangwechsel auch übereifrig aus.
Bild: Toni Bader
7/24
Und auch das Fahrwerk fiel in Ungnade. Kein Kollege, der eine längere Reise mit dem B 200 CDI unternahm, fand lobende Worte für die Federungsmanieren. Testfahrer Ivo Bartulovic schrieb ins Logbuch: "Unbequem gefedert, nervtötend starres Abrollverhalten." Die zu kurzen Sitzflächen ...
Bild: Christoph Boerries
8/24
... verstärkten den Eindruck vom eingeschränkten Reisekomfort noch. "Auf längeren Strecken kaum zu ertragen" – so das schriftliche Urteil im Bordbuch.
Bild: Uli Sonntag
9/24
Im Fond sitzen Passagiere indes bequem, selbst große Menschen fühlen sich wohl.
Bild: Uli Sonntag
10/24
Genervt hat außerdem die Elektronik der Assistenzsysteme. Zwar hat der radargestützte Temporegler ordentlich funktioniert, doch gelegentliche Fehlinterpretationen der Kollisionswarnung störten das Vertrauen in die Technik. Mehrere Male ließ das unzuverlässige System den Motor sogar ins Notprogramm fallen. Erst ein Werkstattbesuch mit Software-Therapie schuf Abhilfe.
Bild: Christoph Boerries
11/24
Klassisch: Immerhin im Cockpit zeigt sich der B 200 CDI als typischer Mercedes im bekannten Stil. Beim Navi vermissten wir aber eine Autozoom-Funktion.
Bild: Toni Bader
12/24
Der Kofferraum ist mit 486 bis 1545 Litern für Familien etwas knapp bemessen. Allerdings darf die B-Klasse mit 522 Kilo auch noch richtig vollgestopft werden.
Bild: Christoph Boerries
13/24
Um auch mal etwas Nettes zu sagen: Die Werkstatt hat mit unserer B-Klasse nicht viel Arbeit gehabt. Zweimal Bremsklötze erneuern, bei Kilometer 77.427 die vorderen Bremsscheiben tauschen, Motor- und Getriebeöl wechseln, neue Glühlampen einsetzen – mehr war nicht zu tun. Happig allerdings: Für das Erneuern der Birnen in den Kurvenleuchten ...
Bild: Ivan Bartulovic
14/24
... sieht Mercedes Arbeitslohn vor – 57 Euro. Überhaupt, die Kosten: Alles, was uns am B 200 wirklich gut gefiel, gab es nicht umsonst. Das praktische Ladesystem Easy Vario Plus (inklusive klappbarer Beifahrersitzlehne) kostet 672 Euro, ...
Bild: Roman Raetzke
15/24
... die klappbare Anhängekupplung berechnete Mercedes mit 940 Euro, für die Rückfahrkamera sind 345 Euro fällig.
Bild: Christian Bittmann
16/24
Kleiner Zwischenstand vor der Demontage des Testwagens: Der B 200 CDI Sports Tourer hat ordentlich Federn gelassen. Was wir ihm vorwerfen? Vertrauensbruch, er hat uns enttäuscht. Am Ende des Dauertests ist es Zeit, ...
Bild: Toni Bader
17/24
... über die mechanische Beanspruchung der B-Klasse zu urteilen. Und diese beiden Kollegen nehmen diese Aufgabe sehr ernst: DEKRA-Sachverständiger Günther Schiele und Mercedes-Meister Gerhard Kircher.
Bild: Christian Bittmann
18/24
Die zerlegte B-Klasse hält keinerlei böse Überraschungen parat: Der technische Zustand könnte kaum besser sein. Die B-Klasse hat die Verschleißprüfung mit Bravour bestanden. Beispiel: Der Kolbendurchmesser des ersten Zylinders liegt 0,5 Hundertstelmillimeter unter Sollstärke – quasi Neuzustand. Verschleißmaß der Kupplungslamellen: voll in der Toleranz – also gerade eben eingefahren. Pleuellager, Ventilsitze, Nockenwelle: top.
Bild: Christian Bittmann
19/24
Zahnreihen wie in der Werbung: keine Karies, keine Abnutzung – Gangräder und Differenzial im Neuzustand.
Bild: DEKRA
20/24
Einige kleinere Dinge fielen dennoch auf: Leichter Ölverlust nebelt die tiefer liegenden Aggregate ein.
Bild: DEKRA
21/24
Die Katalysator-Abdeckung weist einen kleinen Riss auf.
Bild: DEKRA
22/24
Scheppern im Schacht: Ein loses Abschirmblech verursachte Geräusche.
Bild: DEKRA
23/24
Pelzige Verkokung der Einlassventile – nicht gut für die Wärmeableitung.
Bild: DEKRA
24/24
Fazit: Ohne Panne über 100.000 Kilometer – so weit, so gut. Eine ordentliche Zuverlässigkeit wollen wir der B-Klasse nicht absprechen. Unsere Erwartungen hat sie aber dennoch nicht erfüllt. Ein Mercedes für 46.000 Euro muss komfortabel und souverän fahren – auch dann, wenn es keine E-Klasse ist! Und da war er eben nur Mittelmaß. Note: 2-.