Mercedes Future Bus mit CityPilot
Nach wie vor gibt es einen Fahrerplatz; der Kasten an der Windschutzscheibe enthält Sensoren.
Bild: Werk
An der Haltestelle Schipol Handelskade deutet nichts auf den Bus der Zukunft hin. Direkt nebenan liegt das Cargocenter der Fluggesellschaft KLM, gegenüber ist eine Tankstelle. Der Bus der Linie 300 fällt wegen seinen grau-silbernen Lackierung auf, denn die anderen Busse sind knallrot lackiert. Er rollt langsam heran und die Türen öffnen sich. Der Bus fährt an und nach wenigen Metern färbt sich die Deckenbeleuchtung blau statt bisher weiß. Busfahrer Georg hat sein Steuer per Tastendruck an den Autopiloten abgegeben, das riesige Gefährt bahnt sich selbstständig seinen Weg. Georg nimmt die Füße von Gas sowie Bremse und lässt auch das große Buslenkrad wie von Geisterhand seinen Dienst tun.
Autonomes Fahren: Mehr zum Thema
Autonom fahrende Autos sind ein großes Thema und Hersteller wie Mercedes, Nissan oder Volvo unterstreichen, dass einige ihrer Modelle bis zum Jahre 2020 vollautonom durch den turbulenten Alltagsverkehr kommen. Aber auch für Busse scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis diese zumindest partiell autonom im Straßenverkehr der Großstädte unterwegs sind. Deshalb hat Mercedes einen Prototypen für einen selbstständig fahrenden Bus entwickelt, der in den Niederlanden jetzt erstmals unterwegs war.

Der Bus ist auf einer eigenen Spur unterwegs

Das dortige ÖPNV-Netz gehört schließlich zu den besten in Europa. Auf der Strecke zwischen dem Flughafen Amsterdam und Haarlem existiert mit dem Bus Rapid Trasit BRT das längste Expressbus-Liniennetz Europas. Die Busse sind hier auf eigenen Busspuren untwerwges, baulich getrennt von normalen Fahrbahnen. Die immer gleiche Strecke auf separater Trasse, ein klar definierter Fahrplan, eindeutige und identische Aktionen an Haltestellen: Stadtlinienbusse auf BRT-Linien sind prädestiniert für das autonome Fahren der nahen Zukunft. "Der City Pilot ist eine Weiterentwicklung des Highway Pilot, speziell für Großstädte", sagt Wolfgang Bernhard, im Daimler-Konzern verantwortlich für Trucks und Busse. Der Autopilot für Busse soll den Nahverkehr nicht nur effizienter, sondern auch ressourcenschonender und pünktlicher machen.Zahllose Sensoren des City Piloten tasten jeden Millimeter um dem Bus der Linie 300 ab. Er ist unter anderem mit Fern- und Nahbereichsradar sowie einer Vielzahl von Kameras sowie dem satellitengesteuerten Ortungssystem GPS ausgestattet, die allesamt miteinander vernetzt sind. Techniker Peter Schumacher: "Es geht um eine möglichst genaue Lokalisierung des Busses. So können wir den Bus präzise über die Fahrbahn führen und an den Haltestellen die Türen öffnen und schließen lassen." Vollautomatisch hält der Bus mit dem deutschen Kennzechen MA – IN 2016 an der nächsten Haltestelle De Hoek. Keiner wartet; die Türen bleiben zu und es geht weiter auf der Busspur. Nur ein paar Meter daneben verläuft die Landstraße, dahinter ziehen grüne Getreidefelder vorbei.

Zentimetergenaues Bremsen, Schutz vor Kollisionen

Mercedes Future Bus mit CityPilot
Zentimetergenau soll der Bus die Haltestellen anfahren – das wäre ein Vorteil beim Einsteigen.

Bild: Werk
An der dritten Haltestelle Beukenhorst wird es dem höchst menschlichen Fahrer des nachfolgenden Busses der Linie 300 zu bunt. Er überholt. Kein Wunder, denn der teilautonome Proband lässt es mitten im normalen Fahrplanbetrieb zwischen Schipol und Haarlem zaghaft angehen. Maximal fährt er auf freier Strecke Tempo 70 und rollt betulich und träge an die einzelnen Haltepunkte der BRT-Linie heran. Dafür hält er zentimetergenau an Haltestellen und Ampeln, fährt automatisch an, durchquert Tunnel, bremst für Hindernisse sowie Fußgänger auf der Fahrbahn und kommuniziert mit Signalanlagen. Der Fahrer ist an Bord und überwacht das System. Als beim Anfahren am Haltepunkt Toolenburg ein Fußgänger auf die Fahrtrasse läuft, bremst der Bus automatisch ab. Alles gut gegangen und der Busfahrer musste nicht einmal eingreifen.

Moderner Innenraum, klassischer Antrieb

Mercedes Future Bus mit CityPilot
Im Fahrgastraum des Zukunftsbusses gibt es wenig Sitzmöglichkeiten – ein Prototyp eben.
Bild: Werk
Die Businsassen sitzen in einem Linienbus, der trotz seiner autonomen Zukunftsqualitäten nicht elektrisch oder mit einem Wasserstoffmodul angetrieben wird. Im Heck des Testbusses dieselt ein Selbstzünder laut vernehmbar vor sich hin, während im Innern harte, aber loungige Sitzmöbel und indirekte Beleuchtungen zum Verweilen einladen. Die Haltegriffe sind dezent oder betont auffällig inszeniert und neben den Sitzmöbeln gibt es Flächen, auf denen man sein Smartphone kabellos aufladen kann. WLAN und moderne LED-Beleuchtungen sind ebenso selbstverständlich wie das überdimensionale Info-Display für die Passagiere. In den nächsten fünf Jahren will man bei Mercedes rund 200 Mio. Euro in die Weiterentwicklung des Stadtbus-Portfolios investieren – die Entwickler glauben fest daran, dass die Technik bei Busunternehmern ankommt.Die finale Haltestelle in Haarlem ist erreicht. Wieder hält der Bus auf den Punkt, öffnet automatisch seine Türen und das blaue Innenlicht erlischt. Der Fahrer greift wieder ins Steuer, weil die 20 Kilometer lange Testtour beendet ist. Bis zum Jahre 2021 soll es dauern, bis das System zusammen mit dem bereits vorgestellten Autobahnpiloten in Serie gehen könnte. Das Potenzial erscheint riesig. Aktuell bestehen weltweit rund 180 BRT-Systeme mit einer Flotte von 40.000 Omnibussen. Täglich sind auf allen fünf Kontinenten rund 30 Millionen Fahrgäste unterwegs.

Von

Stefan Grundhoff