Reden wir ganz offen: In diesem Land fehlen Charakterköpfe. Typen, die ein eigenes Profil besitzen und dieses mutig in den Wind halten, sogar in den von vorn. Dachten Sie auch gerade an unsere Politiker? Dann war das zwar nicht beabsichtigt, aber sicher auch kein Zufall. Wie das mit dem eigenen Kurs geht, zeigen das neue Mercedes C 200 Cabrio und sein wichtigster Kontrahent, das BMW 420i Cabrio. Beide werden von einem 184 PS starken Zweiliter-Vierzylinder befeuert. Der sitzt vorn, treibt aber die Hinterachse an. Danach kommen 2 + 2 Sitze und dann ein wenig Kofferraum. Fertig.

Entspanntes Cruisen ist nur auf den vorderen Plätzen möglich

Mercedes C 200 Cabrio
Enge Kiste: Sowohl in der offenen C-Klasse als auch im 4er Cabrio reicht es hinten eigentlich nur für Kinder.
Bild: Uli Sonntag
Also doch alles eins? Nee, nee! Die feinen Sonnenbänke haben schon ihren ganz eigenen Stil. Gediegen und entspannt der Benz mit dem lässigen Stoffverdeck, sportlich und spritzig der Bayer mit dem steifen Stahldeckel. Wer wird unser Sonnenkönig? Eines vorweg: Auch wenn BMW und Mercedes jeweils vier Sitzplätze haben – fahren Sie lieber nur zu zweit! Schon im 4er fühlen Erwachsene sich eingeengt, in der C-Klasse kneift es noch mehr. Vorn lässt es sich dagegen ganz entspannt auf hervorragenden Sitzen lümmeln (beide gegen Aufpreis mit Nackenföhn), im funktionalen Cockpit stöbern und Sonne tanken. Gegen Sturmschäden an der Frisur hilft das klassische Windschott (Mercedes 351, BMW 360 Euro). Vom Mercedes-Duo aus kleinem Windschott zwischen den Fondkopfstützen und ausfahrbarem Spoiler am Windschutzscheibenrahmen raten wir dringend ab.
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Die Klapp-Mechanik fällt beim BMW komplizierter aus

BMW 420i Cabrio
Sesam öffne dich: Vom Coupé zum Cabrio braucht der BMW 24 Sekunden – das klappt auch bis 18 km/h.
Bild: Uli Sonntag
Damit lässt sich zwar zu viert fahren, es weht aber schon ab 80 km/h recht kräftig, und die 821 Euro teure "Aircap" verunstaltet das an sich schöne Cabrio doch deutlich. Nicht der einzige Fauxpas, den Mercedes sich leistet. Am Kofferraumdeckel fehlt ein Öffner, die Ladeluke ist winzig, zum Ausbau der störenden Fondkopfstützen empfiehlt das Handbuch einen Besuch in der Fachwerkstatt. Vielen Dank. Doch wir wollen nicht ungerecht sein. Den Gurtbringer mögen wir genauso wie das stabile und schnelle Verdeck (handgestoppte 18 Sekunden), das sogar bis Tempo 60 und auch per Funkschlüssel in Aktion tritt (im Stand muss aber die Bremse getreten werden). Der BMW braucht für das komplizierte Klipp-Klapp seines Hardtops sechs Sekunden länger, arbeitet bis 18 km/h und nur über den Schalter in der Mittelkonsole. Der Nackenföhn verhindert, dass sich die Kopfstützen vorn in der Höhe verstellen lassen – geht gar nicht.
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Über wenige Zehntel bei der Beschleunigung oder ein paar km/h Spitze streiten wir hier nicht – geschenkt. Beide Frischluft-Flitzer machen richtig Alarm, kommen unter neun Sekunden auf 100 km/h und schaffen weit über Tempo 200. Das reicht locker, um das Cabrio-Barometer mal eben auf Sturm zu stellen. Trotzdem wirkt die offene C-Klasse nicht so heißblütig wie der BMW.

Preis: Schwupps, sind die 50.000 Euro geknackt

Vergleich BMW 420i Cabrio Mercedes C 200 Cabrio
Anker werfen: Aus Tempo 100 stoppt der Mercedes mit rund 35 Metern fast zwei Meter eher als der BMW.
Bild: Uli Sonntag
Der mit mehr Drehmoment gesegnete Mercedes gefällt in der Rolle des kraftvollen Cruisers, dreht aber weniger beherzt aus und klingt immer eher angestrengt als wild. Die sanfte Neunstufenautomatik nimmt sich beim Kickdown mehr Zeit, der Bayer mit seiner famosen Achtstufenautomatik lässt dagegen nichts anbrennen. Der 420i agiert wacher, dreht freier und klingt nicht nur sportlicher. Dazu passen das straffe Sportfahrwerk und die präzise Lenkung. Und der C 200? Stress ist ihm fremd. Er will reisen und nicht rasen. Die Luftfederung reitet lange Wellen ebenso gekonnt ab, wie sie kurze Stöße schluckt. Auch hier passt die Lenkung, die jede Hektik vermeidet und trotzdem ausreichend direkt anspricht. Wem es doch mal im Gasfuß juckt, der findet im Sportmodus einen talentierten Partner fürs fröhliche Kurvenkratzen. Gern mit spätem Bremsen: Mit rund 35 Metern aus 100 km/h stoppt der Benz fast zwei Meter früher als der BMW.
So ein C 200 Cabrio gibt es ab 44.238 Euro, den offenen 420i ab 44.300 Euro. Dann noch die empfehlenswerte Automatik, Fahrwerk, Räder und Kleinkram obendrauf – schwupps, sind die 50.000 Euro geknackt. Trotzdem gibt es nur zwei Jahre Garantie und bei Mercedes auch noch jährliche Wartung. Offen gesagt: frech!