Der Mercedes GLC wird auch als Gebrauchtwagen nicht zum Schnäppchen. Ist das Schwaben-SUV sein Geld wert?
Leider geil! So lautete anno 2015 das kurze und prägnante Fazit eines ziemlich SUV-kritischen Kollegen, der von seiner ersten Testfahrt mit dem GLC heimkehrte. Offensichtlich besitzt dieser Stern die hohe Kunst des Verführens. Das beginnt bereits mit dem ansehnlich geschneiderten Blechkleid. Vom schrill-kantigen Vorgänger namens GLK wandelte sich der GLC zu einem Vorzeigemodell mit passenden Proportionen – nicht zu dick aufgetragen, aber auch alles andere als rundgelutscht. Nach dem Einsteigen sitzt man gefühlt eher in einer höhergelegten C-Klasse als in einem hochbeinigen Geländewagen. Bestuhlung und Ergonomie lassen kaum Wünsche übrig.
60 Prozent Wertverlust beim Testwagen
Das Runde folgt aufs Eckige: Der GLC ist der Nachfolger des betont kantigen GLK – und ist wie eine hochgelegte C-Klasse gestaltet.
Das Kapitel Fahrkomfort beherrscht in dieser Klasse wohl keiner besser, wobei das optionale Luftfahrwerk nur das Sahnehäubchen ist. Denn auch mit herkömmlichen Stahlfedern bestückt, federt der dicke Benz ganz hervorragend. Ja, dick, denn weniger als 1,9 Tonnen zeigte die Testwaage bei uns nie an. Zumindest nicht, wenn der GLC als Diesel vorfuhr. Doch vom massigen Leib merkt der Fahrer recht wenig. Bei Bedarf kann der gemütliche Schwabe sogar ganz engagiert die Kurve kratzen, ohne die Insassen dabei ins Schwitzen zu bringen. Der Verbrauch bleibt vor allem beim Vierzylinder-Diesel mit Alltagswerten um sieben Liter im Rahmen des Verträglichen. Gleichzeitig sind die Fahrleistungen selbst mit dem Basisdiesel mehr als ausreichend. Dieser Zauber der zahlreichen Talente lässt sich auch mit der etwas abgedroschenen Phrase "Ausgewogenheit" zusammenfassen. Bei unserem Gebrauchtwagen kommt noch ein anderer Zauber hinzu. Und der nennt sich Wertverlust. Knapp 28.000 Euro sind immer noch eine Menge Holz für einen Gebrauchtwagen. Doch bei Erstauslieferung stand der Listenpreis dank umfangreicher Zusatzausstattung bei über 65.000 Euro. Mit diesem stolzen Sümmchen im Sinn, wechselt das finanzielle Schmerzbarometer vom tiefroten zumindest in den dunkelgelben Bereich.
Das Cockpit kennen wir aus der C-Klasse. Die Bedienung ist teilweise umständlich. Touchpad und Lenkrad werden zum Facelift erneuert.
Dafür zeigt der Kilometerzähler jetzt 166.000 an. "Na und?", möchte man Bedenkenträgern fast erwidern, denn der Ersthand-GLC macht einen außergewöhnlich soliden Eindruck. Hinter die nächsten 166.000 Kilometer setzt er eher ein Ausrufe- als ein Fragezeichen. Auch wenn die letzten Jahre nicht spurlos an ihm vorbeigegangen sind. Wenig erfreulich ist der Anblick der abgeriebenen Sitzwange auf der Fahrerseite. Sieht zwar aus wie Leder, womit der Innenraum ausgeschlagen ist, handelt sich aber bei den Sitzen nur um Kunstleder, das Mercedes mit dem Kunstwort "Artico" bezeichnet. Die Artico-Unart des Durchscheuerns bis hin zur Rissbildung ist bekannt. Geplagte Kunden berichten aber, dass Mercedes sich hier kulant zeigt und auch nach Garantieablauf einen Teil der Kosten für den neuen Bezug der Sitzfläche übernimmt. Trotzdem ärgerlich, wie auch das defekte Touchpad in Sprungschanzenform auf der Mittelkonsole. Beim Gebrauchtwagentest einer C-Klasse ist das Teil schon mal in Erscheinung getreten, registrierte nur noch jeden dritten Wischer. In unserem GLC ist es komplett tot. Ebensowenig in Topform ist der Spurhalteassistent: Der Test auf der Autobahn offenbart, dass das kamerabasierte System anscheinend eine Kalibrierung erfordert. Trotz mehrerer Versuche, klarer Sicht und einwandfreier Fahrbahnmarkierungen deaktivierte sich der Assi stets nach wenigen Hundert Metern Fahrt.
Plötzliches Aufschaukeln gibt Rätsel auf
Ungleich abgelaufene Reifen: Abhilfe schafft eine Achsvermessung. Hier ist sie teurer als üblich, denn Radar und Kamera müssen dabei kalibriert werden.
Ein ungewöhnliches Verhalten legte der GLC bei einer Vollbremsung aus höherer Geschwindigkeit an den Tag: Aus dem Nichts schaukelte sich der Wagen plötzlich um die Hochachse deutlich spürbar auf. Nachdem sich der Fotograf beruhigt hatte, ließ sich das Phänomen auf topfebener Landstraße mehrmals reproduzieren. Das Bremsverhalten war zwar vollkommen unkritisch – was den Ausschlag für den unrhythmischen Tanz beim Bremsen gab, lässt sich jedoch nur vermuten. Die Reifendruckkontrolle an der Tankstelle ergab korrekte Werte, auf der Hebebühne wiesen die Reifen allerdings eine ziemlich ungleichmäßige Abnutzung auf. Vor allem an den Vorderrädern waren die äußeren Flächen viel stärker verschlissen. Eine Achsvermessung dürfte das Aufschaukeln beim Bremsen wahrscheinlich lindern. Bei genauerer Inspektion der Reifen zeigten sich zudem seitlich an den Profilblöcken kleine Risse. Nicht nur die aufwendige Fahrwerkskonstruktion hat ganz offensichtlich mit dem hohen Gewicht zu kämpfen, auch die Pneus kommen hier an ihre Belastungsgrenze. Doch dieser Umstand tritt bei allen schweren Brocken auf und ist keine markentypische Eigenheit. Grundsätzlich empfiehlt sich daher besonders bei Gebrauchtwagen dieses Kalibers eine genaue Überprüfung der Reifen. Außer diesen für SUV typischen Wehwehchen sind konstruktive Mängel beim GLC kaum auszumachen. Hohe Schule, Mercedes!
Bildergalerie
Gebrauchtwagen-Test Mercedes GLC
Fazit
von
Stefan Novitski
Abgesehen von den typischen SUV-Symptomen lässt sich dem GLC als Gebrauchtwagen wenig vorwerfen. Die Preise dürften sich im Sommer 2019 noch ein wenig entspannen, wenn das Facelift auf den Markt kommt. Urteil: vier von fünf Punkten.
Von
Stefan Novitski
Gebrauchtwagen-Test Mercedes GLC
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Das Runde folgt aufs Eckige: Der Mercedes GLC ist der Nachfolger des betont kantigen GLK. Leider wird er auch als Gebrauchtwagen nicht zum Schnäppchen. Ob er sein Geld wert ist, klärt die AUTO BILD-Kaufberatung!
Bild: Thomas Ruddies / AUTO BILD
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Vom schrill-kantigen Vorgänger wandelte sich der GLC zu einem Vorzeigemodell mit passenden Proportionen – nicht zu dick aufgetragen, aber auch alles andere als rundgelutscht.
Das Kapitel Fahrkomfort beherrscht in dieser Klasse wohl keiner besser, wobei das optionale Luftfahrwerk nur das Sahnehäubchen ist. Denn auch mit herkömmlichen Stahlfedern bestückt, federt der dicke Benz ganz hervorragend. Ja, dick, denn weniger als 1,9 Tonnen zeigte die Testwaage bei uns nie an. Zumindest nicht, wenn der GLC als Diesel vorfuhr.
Bild: Thomas Ruddies / AUTO BILD
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Doch vom massigen Leib merkt der Fahrer recht wenig. Bei Bedarf kann der gemütliche Schwabe sogar ganz engagiert die Kurve kratzen, ohne die Insassen dabei ins Schwitzen zu bringen. Der Verbrauch bleibt vor allem beim Vierzylinder-Diesel mit Alltagswerten um sieben Liter im Rahmen des Verträglichen.
Bild: Thomas Ruddies / AUTO BILD
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Gleichzeitig sind die Fahrleistungen selbst mit dem Basisdiesel mehr als ausreichend. Dieser Zauber der zahlreichen Talente lässt sich auch mit der etwas abgedroschenen Phrase "Ausgewogenheit" zusammenfassen.
Es kommt noch ein anderer Zauber hinzu. Und der nennt sich Wertverlust. Knapp 28.000 Euro sind immer noch eine Menge Holz für einen Gebrauchtwagen. Doch bei Erstauslieferung stand der Listenpreis dank umfangreicher Zusatzausstattung bei über 65.000 Euro. Dafür zeigt der Kilometerzähler jetzt 166.000 an. Aber der Ersthand-GLC macht einen sehr soliden Eindruck.
Bild: Thomas Ruddies / AUTO BILD
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Dennoch sind die letzten Jahre nicht spurlos an ihm vorbeigegangen: Wenig erfreulich ist der Anblick der abgeriebenen Sitzwange auf der Fahrerseite. Sieht zwar aus wie Leder, womit der Innenraum ausgeschlagen ist, handelt sich aber bei den Sitzen nur um Kunstleder, das Mercedes mit dem Kunstwort "Artico" bezeichnet.
Bild: Thomas Ruddies / AUTO BILD
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Ärgerlich ist auch das defekte Touchpad in Sprungschanzenform auf der Mittelkonsole. Beim Gebrauchtwagentest einer C-Klasse ist das Teil schon mal in Erscheinung getreten, registrierte nur noch jeden dritten Wischer. In unserem GLC ist es komplett tot.
Bild: Thomas Ruddies / AUTO BILD
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Ebensowenig in Topform ist der Spurhalteassistent: Der Test auf der Autobahn offenbart, dass das kamerabasierte System anscheinend eine Kalibrierung erfordert. Trotz mehrerer Versuche, klarer Sicht und einwandfreier Fahrbahnmarkierungen deaktivierte sich der Assi stets nach wenigen Hundert Metern Fahrt.
Bild: Thomas Ruddies / AUTO BILD
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Ein ungewöhnliches Verhalten legte der GLC bei einer Vollbremsung aus höherer Geschwindigkeit an den Tag: Aus dem Nichts schaukelte sich der Wagen plötzlich um die Hochachse auf. Das Bremsverhalten war zwar unkritisch, was den Ausschlag für den unrhythmischen Tanz beim Bremsen gab, ...
Bild: Thomas Ruddies / AUTO BILD
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... lässt sich jedoch nur vermuten. Die Reifendruckkontrolle an der Tankstelle ergab korrekte Werte, auf der Hebebühne wiesen die Reifen allerdings eine ziemlich ungleichmäßige Abnutzung auf. Vor allem an den Vorderrädern waren die äußeren Flächen viel stärker verschlissen. Eine Achsvermessung dürfte das Aufschaukeln beim Bremsen lindern.
Bild: Thomas Ruddies / AUTO BILD
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Bei genauerer Inspektion der Reifen zeigten sich zudem seitlich an den Profilblöcken kleine Risse. Nicht nur die aufwendige Fahrwerkskonstruktion hat ganz offensichtlich mit dem hohen Gewicht zu kämpfen, auch die Pneus kommen hier an ihre Belastungsgrenze. Doch dieser Umstand tritt bei allen schweren Brocken auf.
Bild: Thomas Ruddies / AUTO BILD
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Fazit von Redakteur Stefan Novitski: "Abgesehen von den typischen SUV-Symptomen lässt sich dem GLC als Gebrauchtwagen wenig vorwerfen. Die Preise dürften sich im Sommer 2019 noch ein wenig entspannen, wenn das Facelift auf den Markt kommt." Urteil: vier von fünf Punkten.
Bild: Thomas Ruddies / AUTO BILD
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Wer auf der Suche nach einer Alternative zum Mercedes GLC ist, der könnte mit einem Volvo XC60 glücklich werden. Als D4 AWD (190 PS, Baujahr 2015) ist er ab 18.500 Euro zu haben. Urteil: vier von fünf Punkten.