Mercedes Prüf- und Testzentrum: Reportage, GLC, Test, Extrem
Zu Besuch im Prüf- und Testzentrum

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Im Prüf- und Testzentrum Immendingen werden Autos unter Extrembedingungen bewegt. Ingenieure wollen wissen, wie haltbar die Technik ist. AUTO BILD fuhr mit im neuen GLC.
Bild: Pierre Johne
Dauerläufer bei Mercedes ist auch nicht gerade das, was man als Auto sein will. Dann schon besser Opas neuer Stolz, Mamas krümeliger Kindertransporter, ja, wenn’s sein muss auch Mietwagen aus dem Flughafen-Parkhaus. Alles nicht so anstrengend wie das hier!
AUTO BILD ist zu Besuch im Prüf- und Testzentrum von Mercedes. Auf dem 520 Hektar großen Gelände einer ehemaligen Bundeswehr-Kaserne in Immendingen, 130 Kilometer südlich von Stuttgart, müssen Testfahrer die Autos ohne Rücksicht auf Verluste quälen, so ist das Jobprofil.
"Job hin, Job her, ich hab doch auch Gefühle! Letztens war ich in Papenburg fast an der Nordsee, Zwölf-Kilometer-Rundkurs mit Steilkurven. Sie haben mich mit Vollgas über den Asphalt gejagt, nur beim Tanken durfte ich kurz durchschnaufen, dann wieder Vollgas."

Anfahren am Berg: Früher Fahrschülers Albtraum, heute hilft der Anfahrassistent, auch bei 30 Prozent und mit Anhänger. Nebenan sind 70, 80 und 100 Prozent nur für die G-Klasse.
Bild: Pierre Johne
Mercedes testet die neuen Modelle überall, bei minus 30 Grad in Lappland, bei plus 50 in Dubai, auf spanischen Schlechtwegepisten, auf Hochgeschwindigkeitsstrecken in Nardò (Italien) oder Papenburg im Emsland. Und eben in Immendingen, 68 Kilometer Straße oder Schotter, internationale Verkehrszeichen und Straßenmarkierungen.
Letzte Instanz vor der Serienproduktion
Eben warst du noch in Deutschland, dann fährst du in Frankreich, Spanien, China, Japan, Südkorea, Amerika. Die große, weite Welt ist hier wenige Kilometer voneinander entfernt. (Mercedes GLC: Dieses SUV zeigt ganz große Klasse)
"Wir sind die letzte Instanz vor der Serienproduktion und sehen uns hier als Anwalt der Kunden", sagt Frank Jäger, der Leiter des Prüfzentrums mit 300 Mitarbeitern, davon über 100 Testfahrer. Das klingt wie ein Werbeslogan, hat aber tieferen Sinn.

Mit 30 Sachen über die Beton-Buckelpiste – die gibt’s von schlimm bis ganz schlimm.
Bild: Pierre Johne
Ende der 90er-Jahre regierte beim Daimler der Rotstift, Resultat waren rostende E-Klassen der Baureihe 210 (1995–2002) oder gammelnde C-Klassen vom Typ 203 (2000–2007). Dann, vor zwölf Jahren, ausgerechnet als bei jungen C- und E-Klassen die braune Pest wütete, genau in diesem Moment erfand Mercedes den Slogan "Das Beste oder nichts", und viele lachten.
Festgelegte Aufgaben für jede Schicht
"Leute, bin ich denn ein Taxi, oder was? Immer nur Stop-and-go und immer wieder Motor aus, Motor an, höchstens 30 km/h, und das über Stunden. Das macht doch kein Mensch da draußen!"

Dieser Prototyp hat schon über 25 000 Kilometer runter, insgesamt fahren Simon Wanner (31, im Bild) und rund 350 weitere Tester gut zwei Millionen Kilometer mit dem GLC.
Bild: Pierre Johne
Simon Wanner pilotiert unseren GLC-Prototyp, unten in der Frontscheibe klebt ein kleiner Kasten von Motorola, die "On-Board-Unit" (OBU). Über die kommen die Aufgaben für seine Schicht, der 31-Jährige arbeitet das Programm ab, das ihm der Ingenieur vorgibt.
Manchmal muss er während einer Schicht unzählige Male die Fensterheber betätigen oder die elektrische Kofferraumklappe, jetzt fährt er von der Poststraße in den Badeweg, über einen Kreisverkehr in den Theaterweg, bleibt an der roten Ampel stehen, muss sich den Parcours ausnahmsweise nicht mit 20 anderen Autos teilen.
Computer im Kofferraum zeichnet alles auf
"Früher fanden diese Übungen im Stuttgarter Verkehr statt", sagt er, "hier ist das viel einfacher für uns, außerdem sind die Ergebnisse reproduzierbar." Wenn etwa die Verkehrszeichen-Erkennung etwas übersieht oder das Fahrwerk Geräusche macht – der Computer im Kofferraum zeichnet alles auf und gibt die Ergebnisse in Echtzeit weiter an den Ingenieur.

Supercomputer im Kofferraum: Der Ingenieur hat die Daten in Echtzeit auf seinem Schreibtisch.
Bild: Pierre Johne
"Ihr sitzt kühl auf eurem Ledergestühl, und mir fliegen die Schottersteine gegen den Klimakompressor, ganz zu schweigen vom Staub in allen Ritzen. Danke dafür!"
Mercedes lässt regelmäßig vom Traktor den Schotter glatt ziehen, damit die Schmerzen fürs Auto immer gleich sind. Und sie haben die "Heidestrecke" bauen lassen, eine 75 Jahre alte Buckelpiste aus der Lüneburger Heide.
Nichts besser als schlechte Straßen
Dafür wurde Meter für Meter in Gips gegossen, die Kopie ins Straßennetz des Testzentrums eingebaut. Um die Haltbarkeit des Fahrwerks oder die Steifigkeit der Karosserie zu testen, gibt es nichts Besseres als schlechte Straßen.

Außendusche mit Superstrahl: Hier spülen sie den Dreck der Teststrecke von der Erlkönig- Folie.
Bild: Pierre Johne
In Immendingen arbeiten sie im Dreischicht-Betrieb, sieben Tage die Woche. Die Frühschicht fährt von 6 bis 14 Uhr, dann kommt die Spätschicht. Um 22 Uhr übernimmt die Nachtschicht. Je nach Aufgaben fahren Wanner und Kollegen in acht Stunden bis zu 700 Kilometer. "Aber nur, wenn viel Autobahntest gefragt ist", sagt der 31-jährige Kfz-Mechatroniker, "im Schnitt sind es 450 Kilometer."
Und in jeder Schicht gibt es ein anderes Auto. "Wir wollen, dass unsere Fahrer alle Knöpfchen drücken, sie sollen spielen, möglichst viele Funktionen testen", sagt Jäger, der Chef. Und natürlich alles notieren, auch Aussetzer der Assistenten oder Klappergeräusche. Denn ein Mercedes darf nicht klappern, auch nicht auf der Heidestrecke.
Sie haben die Betonhügel markiert wie beim Skifahren, "rote Piste" bis 60 km/h, schwarz bis 30. Wir fahren "rot", Federbeine am Anschlag, immer wieder.
"Diesen Unfug muss ich hundert Kilometer mitmachen, dabei würde ich so gern mal ganz entspannt zum Aldi ums Eck fahren."
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