Zwei ungleiche Brüder

Sie stammen aus einem Haus und dennoch aus zwei Welten. Hier der urdeutsche Inbegriff für Luxuslimousinen: die S-Klasse. Gut fünf Meter lang, repräsentatives Äußeres, Platz für fünf und Antrieb auf die Hinterräder. Dort der zurückgekehrte Auswanderer, etwas neureich wirkend, die R-Klasse aus den USA. 15 Zentimeter kürzer als der S, optisch eher ein Van, Platz für Sechs und Antrieb auf alle vier Räder. Vor allem aber: R ist fast 15.000 Euro billiger. Ist R eine Alternative zum S?

Raum trifft auf Kraft, lockt die Werbung. Aber trifft R unseren Geschmack? Wären auf den getönten hinteren Scheiben (Aufpreis 383 Euro) noch Palmwedel eingraviert, er gäbe einen guten Bestatter ab. Innen stören die etwas laxe Verarbeitung und die sinnvoll gedachte, aber völlig mißratene Verstellung der Rücksitze. Wer aus dem R einen Kombi machen möchte, der kommt ohne Studium der Anleitung (36 Seiten zum Stichwort Sitze!) absolut nicht weiter.

Ganz anders die S-Klasse. Die Kotflügelverbreiterungen werden manche nicht mögen, alles andere aber atmet bewährte "S"onderklasse. Da stimmen Spaltmaße und Verarbeitung, da ist wieder reichlich Chrom, da kann sich aber auch der Generationenstreit fröhlich ausleben. Comand-Controller heißt das Reizwort, ein Drück-Drehrad auf der Mittelkonsole, dessen unzähligen Menüs die Anleitung rund 80 Seiten widmet.

Die technischen Daten

Beim Thema Herz herrscht dagegen Einigkeit: Unter der Haube pocht kaum hörbar bei beiden der neue V6-Diesel mit einem beruhigenden Drehmoment von über 500 Newtonmeter schon bei 1600 Umdrehungen (für die S-Klasse wurde noch etwas mehr Leistung herausgekitzelt). Heißt in der Praxis: Entspannter läßt sich kaum fahren, zumal die serienmäßige Siebengang-Automatik fast unbemerkt schaltet.

Tacho 100 – und beide drehen so schiffsdieselige 1500 Touren. Bei 130 km/h sind es 2000, bei 200 zeigt die Nadel dann erstmals über 3000 an. Doch Raserei paßt nicht zum Selbstzünder, weil er "obenrum" spürbar schlapper wird. Spannend der Verbrauch: Mit 8,4 Litern (Werk) liegt die S-Klasse 1,1 Liter unter dem R-Klasse-Durst. Für Autos, die leer zwei bis 2,3 Tonnen wiegen, ein sehr guter Wert.

Kosten und Ausstattungen

Doch das Autofahrerleben spielt sich im Innenraum ab: Vorn gibt es bei beiden nichts zu meckern. In zweiter und dritter Reihe verwöhnt R mit bequemen Einzelsitzen, wobei das hintere Paar etwas enger zusammenrücken muß und keiner größer als 1,80 Meter sein sollte. Im Fond der S-Klasse fehlen nützliche Laderaum-Variationen. Außer einem Skisack (342 Euro) für die Mittelarmlehne gibt es nichts. Dafür bietet die Preisliste aber jede Menge Sondersitze. Sie können heizen, kühlen und massieren – ideal für einen repräsentativen Chefwagen. Was der R mit Sicherheit nicht werden will – und auch nicht wird.

Fazit und Wertung

Fahrwerk und Federung zeigen sich den Schwergewichten gewachsen. Die S-Klasse ist dank Luftfederung spürbar komfortabler als ihr Vetter aus den USA, der in zu schnellen Kurven eher die ESP-Bremse zieht, wodurch er dann etwas nervöser wirkt. Dennoch sind beide gut beherrschbar und am liebsten auf der Langstrecke zu Hause: Rund drei Meter Radstand sprechen für unbeirrbaren Geradeauslauf.