Es ist eine traurige Weisheit, die sich da in letzter Zeit immer häufiger bewahrheitet: Charakter verkauft sich einfach nicht. Siehe Mazdas Wankel-Sportler, der an Normen wie Konventionen gleichermaßen scheiterte. Oder Hondas Drehzahl-Eisen, die sich der grassierenden Downsizing-Maschinerie lange widersetzten, ehe sie selbst zu solchen wurden. Oder der vielleicht größte Name von einst, der die Bühne des automobilen Sports nun ebenfalls verlässt: Mitsubishi Lancer Evolution, kurz Evo.

Der Lancer Evolution war ein Produkt des Rallye-Sports

Mitsubishi Lancer Evo X
Die letzte Flagge: Nach zehn Baureihen geht der Lancer Evo mit einer Final Edition in den Ruhestand.
Ein Auto, gebaut nach einem strikten Glaubensbekenntnis, für Menschen, die noch wirklich an etwas glaub(t)en. An die Perfektion des Allradantriebs, an zwei Liter Arbeitsvolumen plus Turbo und daran, dass sich der wahre Motorsport nicht auf der Rundstrecke abspielt, sondern dort, wo es noch wahre Helden braucht. 1992 fängt die Legende erstmals Feuer, als Mitsubishi die Rallye-Technik des beleibten Galant ins deutlich schlankere Kleid des Lancer packt. 2008 karrikiert sie sich selbst, als die Verantwortlichen von Rallye plötzlich nichts mehr wissen wollten. Auf einmal standen sie vor uns, die Herren vom Marketing, suhlten sich in ihren Sprechblasen und betonten bei jeder noch so unpassenden Gelegenheit, dass der Evo nun endlich kein "Boyracer" mehr sei, was sinngemäß wohl so viel bedeuten sollte wie: Wir sind jetzt auch Elite, bauen Promenaden-Mischlinge mit Premium-Allüren und haben eigentlich keine Ahnung, welch gigantischen Mythos wir dafür gerade durch den Kakao ziehen.
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Als Dampfmacher fungiert ein Zweiliter-Turbo

Mitsubishi Lancer Evo X
Gute Tuning-Basis: Spezialisten holen aus dem 307 PS starken Vierzylinder immer noch bis zu 600 PS.
Ein Evo war, ist und wird auf ewig die Basis für den Rallyesport sein. Nicht mehr, aber auch kein bisschen weniger. Daran änderte sich auch in zehnter Auflage nicht wirklich viel, auch wenn die ganzen Wohlstands-Attentate natürlich Spuren hinterließen. Am Gewicht etwa, das von einst recht schlanken 1400 auf ziemlich kolossale 1600 Kilo anschwoll. Oder am Punch, der trotz des neu entwickelten 4B11T-Motors längst nicht mehr so derb in der Magengrube einschlug wie zuvor. Das kastrierte ein wenig die Dramatik, wog in letzter Konsequenz aber längst nicht so schwer wie die Quasi-Zwangsehe mit dem seifigen Doppelkupplungsgetriebe SST. Ein Handschalter war zwar bis zuletzt verfügbar, nur wirkte der mit seinem seltsam übersetzten Fünfgang-Raster eher so, als hätte man ihn aus irgendwelchen Pajero-Restbeständen reaktiviert. Immerhin: Das knochige Manuellgetriebe steckt auch ordentlich was weg. Fast noch mehr als der Motor, der je nach Art und Umfang des Tunings zwischen 360 und 600 PS abwirft.Zum Vergleich: Der legendäre 4G63t, der in unterschiedlichsten Ausbaustufen die Generationen eins bis neun bezogen hatte, ließ sich von versierter Hand auf über 1000 PS bringen. Damit zählen die alten Evo zu den ganz wenigen Kurventieren, die sich ebenso rigoros auch auf den Dragstrip abrichten lassen. Was irgendwie aber auch ein wenig wie Perlen vor die Säue ist, da es die wahre Bestimmung dieses Sportlers schon arg entfremdet.

Das Allradsystem des Mitsubishi kann fast alles

Mitsubishi Lancer Evo X
Oft imitiert und doch nie erreicht: Der Allradantrieb des Lancer Evo passt perfekt in jede Fahrsituation.
Dreh- und Angelpunkt der Faszination Evo ist schließlich das Allradsystem. Dieses unglaublich clevere Geflecht aus Ritzeln, Lamellen und Sensoren, das bis heute oft imitiert und doch nie erreicht wurde: Aktives Mittendifferenzial mit zusätzlicher Lamellenkupplung, elektro-hydraulisches Hinterachsdifferenzial, klassische Torsensperre vorn und elektronisches Torque Vectoring an allen vieren. Mehr geht eigentlich nicht! Vor allem in der zugehörigen Choreografie. Denn der Evo kann mit seinem Drehmoment jonglieren wie kein Zweiter, einzelne Räder abbremsen, andere gezielt mit mehr Kraft versorgen, zwischen vorn und hinten umherschieben, abkoppeln, andocken; hochflexibel und genau so, wie es der jeweilige Fahrzustand erfordert. Klingt komplex, zugegeben, führt letztlich aber zu einer absolut einzigartigen Fahrdynamik, die Traktion und Handling quasi nahtlos miteinander verwebt.
Weitere Details zum letzten Lancer Evo finden Sie in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen gibt es als Download im Online-Heftarchiv.

Fazit

von

Manuel Iglisch
Mag sein, dass der Evo für viele ein verklärtes Stück Gestrigkeit ist. Doch genau in dieser Gestrigkeit liegt auch seine Stärke. Eine Sportlimousine, die ihren Allrad derart kompromisslos ins Zentrum ihrer Faszination rückt, wird es so nicht mehr geben – nie wieder! Insofern: Mach's gut, liebster Evo, und hoffentlich auf bald!

Von

Manuel Iglisch