480.000 Spiegel auf einem Chip

Geht es nach den Vorstellungen von BMW, fahren wir in Zukunft alle wie die Henker: Mit Vollgas durch dichten Nebel, Fernlicht auch bei Gegenverkehr und während der Fahrt werfen wir mit Symbolen und Zeichen um uns. Doch die durchaus für einen sportlichen Auftritt bekannten Bayern haben dabei vor allem die Sicherheit des Verkehrs im Auge – genau genommen im Lichtkegel.

Anlässlich des neunten IST-Weltkongress (Intelligent Transport Systems) in Chicago präsentiert BMW eine völlig neue Scheinwerfer-Technik: das so genannte Pixel-Licht. Und im Gegensatz zu Xenon oder Kurvenlicht stellt es die automobile Lichttechnik tatsächlich auf den Kopf: Statt einem erhellen nun insgesamt 480.000 Spiegel pro Scheinwerfer das Sichtfeld des Fahrers. Allesamt untergebracht auf der Fläche des DMD-Chip (Digital Micromirror Device) – gerade mal so groß wie ein Daumennagel. Dabei ist jeder einzelne Minireflektor frei programmierbar und lässt sich über die Chip-Schaltkreise des DMD steuern. Komplett elektronisch, ohne jede Mechanik. Auf diese Weise kann das Licht nicht nur punktgenau verteilt, sondern auch in der Helligkeit stufenlos variiert werden.

Für die Lichtingenieure eröffnet das ungeahnte Spielwiesen. Vor allem in Kombination mit anderen technischen Systemen. Beispielsweise zusammen mit dem Navigationssystem: Je nach Routenverlauf könnte Pixel-Licht Richtungspfeile oder Entfernungsangaben auf die Straße vor dem Fahrzeug werfen. Das schafft zwar die nette Dame aus dem Lautsprecher ab, erhöht aber die Sicherheit ungemein. Wenn nämlich Informationen wie Geschwindigkeit oder Tankinhalt auf der Straße liegen, muss der Pilot seinen Blick kaum noch eine Sekunde von selbiger wenden.

Mit Vollgas in die Nebelwand

Vielversprechend auch die Kopplung mit einem radargestützten Vorfeld-Überwachungssystem: Während dessen Radarsensoren den Gegenverkehr erfassen und die Position der Fahrer berechnen, produziert der DMD-Chip für diesen Bereich "Lichtlöcher" – Dauerfernlicht ohne den Gegenverkehr zu blenden.

Eine feine Kombination auch für Nebelfahrten: So kann das Radar weit durch die unsichtbaren Schwaden spähen. Wird ein vorausfahrendes Fahrzeug erkannt, projiziert die neue Technik eine Warnung auf die graue Nebelwand vor dem Fahrer und bremst die Geschwindigkeit. Blindflug mit Topspeed – kein Problem. Aber nicht nur im Nebel, das Pixel-Licht wird sich während der Fahrt immer auf alle augenblicklichen Gegebenheiten einstellen – je nach Geschwindigkeit, Örtlichkeit oder Wetterbedingungen. Von breiter Ausleuchtung etwa in Ortschaften bis hin zu langen, schmalen Lichtstrahlen auf Autobahnen oder Landstrassen.

Bislang sind die Ingenieure an der Isar noch in der Entwicklungsphase. Erst im Laufe der nächsten Jahren wird die neue Technik auch in die Serie gelangen. Vorausgesetzt der Gesetzgeber spielt mit. Denn die bestehenden Regelungen schreiben die Art des Lichtes vor – Pixel-Licht wäre verboten. Um solch innovative Systeme dennoch zuzulassen, müsste das Recht liberaler werden; nur noch die Lichtverteilung und –intensität dürften geregelt sein. Spätestens in fünf Jahren, glaubt man in München, sei es soweit.