Ganze zehn Jahre sind seit dem Marktstart des Nissan GT-R im Jahr 2007 ins Land gezogen. In dieser Zeit wurde der japanische Turbo-Dino von immer neuen Gegnern gepiesackt, die ihm auf seinen räuberischen Beutezügen über die Rennstrecken dieser Welt von Jahr zu Jahr stärker zusetzten. Das schleichende Performance-Defizit will Nissan nun mit der neuen Track Edition bekämpfen. Ob das Früchte trägt, prüfen wir im direkten Vergleich mit dem deutschen Dauergegner des GT-R: dem Porsche 911 Turbo.

Mit der Track Edition rüstet Nissan den GT-R wieder auf

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Video: Nissan GT-R Track Edition (2017)

So brüllt Godzilla

In der jüngsten Ausbaustufe erhält Godzilla eine modifizierte Radaufhängung, stärkere Stabilisatoren, härtere Bilstein-DampTronic-Dämpfer mit adaptiver Regelung und Dunlop-Reifen in NR1-Kennung, die wir bereits vom Topmodell GT-R Nismo kennen. Daneben sollen zusätzliche Verklebungen die Steifigkeit der Karosserie erhöhen. Die Leistung des V6-Biturbo beließen die Japaner bei 570 PS. Als Gegner für die GT-R Track Edition schickt Porsche einen 540 PS starken 911 Turbo mit allerhand optionalen Performance-Extras: Wankstabilisierung (PDCC), Sport-Chrono-Paket, Keramikbremse und Pirelli-Corsa-Sportreifen sollen den aufgerüsteten Japaner auf Distanz halten. Der darf vorlegen und nimmt den Fahrer sofort für sich ein: Der V6-Biturbo erwacht mit seinem ganz eigenen kreiselnden Sound und überdeckt das bauartbedingte Fauchen beim Einsatz der Turbolader mit dem turbinenartigen Schleudergeräusch einer alten Miele-Waschmaschine.
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Der GT-R spricht die Sinne des Fahrers deutlich an

Nissan GT-R
Faszinierende Fahrmaschine: Der GT-R macht mit seiner etwas ruppigen Art mehr an als der Porsche.
Während den riesigen Auspuffrohren kaum mehr als ein monotones Rauschen entweicht, mahlt und rattert das Hinterachsdifferenzial wie eine rangierende Straßenbahn und verleiht dem Antrieb damit seine ungemein mechanische Akustik, die trotz der verbesserten Geräuschdämmung noch immer alles andere als domestiziert anmutet. Die mitdrehenden Schaltpaddel aus Aluminium schmiegen sich griffgünstig an die Fingerspitzen und lassen keinerlei Gelüste nach dem Automatikmodus aufkommen. Wie die Doppelkupplung den V6 in gleichmäßigen 50-km/h-Schritten durch ihre sechs Gänge reißt, die Drehzahl dabei immer wieder punktgenau ins Schubfenster der Turbolader klinkt und den GT-R trotz seiner Masse von 1,8 Tonnen scheinbar mühelos über die 300 km/h jagt, hat auch im Jahr 2017 kein bisschen an Faszination verloren. Ein drehzahlsenkender siebter Gang würde trotzdem nicht schaden, wenn der GT-R bei Topspeed jenseits seiner Nennleistung in den roten Bereich donnert.Im normalen Verkehr wirkt der Japaner trotz seiner ausladenden Statur überraschend leichtfüßig. Im Vergleich zum Standardmodell reagiert das steinharte Nismo-Fahrwerk jedoch spürbar nachlässiger auf Unebenheiten und Querfugen. Sonderlich komfortabel ist das zwar nicht, doch der Kontakt zur Straße ist inniger und das Feedback an den Fahrer erdiger, als es sich viele Konkurrenten in dieser Zeit noch trauen würden. Die Lenkung gibt sich überraschend leichtgängig, führt den Nissan nach kurzer Eingewöhnungsphase aber zielgenau und mit guter Rückmeldung in die Radien.

Im Alltagsgebrauch ist der 911 Turbo total unterfordert

Porsche 911 Turbo
Geschliffen und perfekt: Im Alltag wirkt der 911 Turbo etwas distanziert – auf der Rennstrecke brennt er.
Gegenüber dieser pulsierenden Aura des Japaners wirkt der Porsche 911 Turbo wie ein kühler Karrieremacher. Der wilde Charakter seiner Ahnen 930 und 964 ging im Streben nach immer weiter gesteigerter Effizienz verloren. Das kann man bedauern, doch gibt es bis heute keinen zweiten Supersportler, der gleichermaßen virtuos zwischen konzilianter Alltagstauglichkeit und bestechender Track-Performance wandelt. Im Unterschied zu den mittlerweile immer dauerhaft zwangsbeatmeten Carrera-Modellen ist die Aufladung des Turbo omnipräsent und damit distinktives Merkmal eines Motors, der seine aberwitzige Schubgewalt mit fast schon gespenstischer Leichtigkeit serviert. Wo die Carreras ihre Leistung erst generieren müssen, liefert der Turbo seine Durchzugskraft als Permanentzustand, der ihn auch im siebten Gang bei Tempo 50 aus Leerlaufdrehzahl ruckfrei beschleunigt.
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Die Geschliffenheit, mit der er solche Alltagssituationen meistert, ist zweifellos beeindruckend. Das Gefühl, sein gewaltiges Potenzial im normalen Verkehr kaum ausloten zu können, lässt den Turbo aber immer etwas distanzierter auf den Fahrer wirken als der GT-R.
Wie sich die beiden Supersportler auf dem Sachsenring schlagen, erfahren Sie in der Bildergalerie.

Fazit

von

Guido Komp
Vor zehn Jahren eroberte der GT-R die Rennstrecken der Welt. Mit Bilstein-Fahrwerk und der Nismo-Bereifung lotet die Track Edition das querdynamische Potenzial des alten Sauriers noch einmal voll aus und beschert ihm eine beachtliche Rundenzeit. Der Haken: Die harte Dämpfung fordert abseits der Rennstrecke schon einige Nehmerqualitäten. Den aktuellen Stand der Technik zeigt der Porsche 911 Turbo: Er legt die deutlich schnellere Runde hin, meistert aber auch den Alltagsbetrieb mit beflissener Souveränität.

Von

Guido Komp