"Gesucht wird Herr X aus Y, unterwegs nach Z. Er soll sich bitte dringend bei seiner Tochter in K melden." Was da unvermittelt nach der Verkehrsmeldung aus dem Radio klingt, ist der Reiseruf. Es gibt ihn seit fast genau 70 Jahren: Wer dringend einen Verwandten oder Bekannten im Urlaub erreichen muss, kann das mit Hilfe von ADAC und Radiosendern. Und das funktioniert auch noch heute. "Es gibt schließlich Menschen, die kein Handy haben – oder das Telefon ist im Urlaub ausgeschaltet", erklärt Norbert Prack, der beim ADAC für den Reiseruf zuständig ist.  "Allerdings ist die Nutzung im Handyzeitalter stark rückläufig." Während der ADAC 1999 rund 1000 Reiserufe im Jahr weiterleitete, waren es im vergangenen Jahr nur noch 121.

Diese Entwicklung bestätigt auch der Hessische Rundfunk, bei dem die ARD-Reiserufstelle angesiedelt ist. Vor einigen Jahren seien täglich noch 15 bis 20 Reiserufe bearbeitet worden, inzwischen seien es meist nur noch ein bis zwei pro Woche. Die öffentlich-rechtlichen Radiosender verbreiten die Reiserufe dann im Rahmen der Verkehrsmeldungen – allerdings nur in wirklich dringenden Fällen. Meist sei ein Angehöriger gestorben oder schwer erkrankt, oder die heimische Wohnung wurde durch ein Feuer oder einen Wasserschaden stark beschädigt. Die Fahndung nach Personen, die nach einem Auslandsurlaub nicht nach Hause zurückgekehrt sind, gehört jedoch nicht zu den Aufgaben des Reiserufes. Bevor ein Reiseruf veröffentlicht wird, müssen die Polizei, ein Krankenhaus oder das Beerdigungsinstitut den Fall bestätigen. Ein Reiseruf kann im Notfall Tag und Nacht telefonisch unter der ADAC-Service-Nummer 01805/10 11 12 (für 14 Cent pro Minute) beantragt werden. Die ARD-Reiserufstelle ist täglich von 5.00 bis 24.00 Uhr unter 069/1 55 33 33 erreichbar.
Übrigens startete der Reiseruf als Kreidebotschaft: Am 5. Juni 1938 wurde der Reichsautobahn-Reiseruf in Form großer Tafeln auf dem Mittelstreifen eingeführt. Tankstellen fungierten als Relaisstationen. Wer einen Angehörigen erreichen wollte, ließ sich über das Fernmeldeamt mit der jeweiligen Station verbinden; der Tankwart trug dann Autokennzeichen und Namen des Gesuchten auf der Tafel ein.  Überdies benachrichtigte man von dort aus auch die zwei benachbarten Tankstellen. Natürlich war das Verfahren unsicher, denn man musste vorausberechnen, wo ungefähr die Person sich gerade befand. 1961 führten ADAC und HR den Reiseruf wieder ein, diesmal über Radio.

Von

Roland Wildberg