Der Klassiker-Klau hat Konjunktur

Alte Liebe rostet nicht. Oldtimer schon gar nicht, sofern sie in guten Händen sind. Die automobilen Raritäten mit dem H im Kennzeichen sind gepflegt wie geleckt – und sie finden immer mehr Liebhaber. Auch bei Kriminellen. Die Erfahrung machte Reinhard Schade von der Lebenshilfe Gießen, die jedes Jahr Oldtimer als Hauptgewinne ihrer Spendenaktion für Behinderte verlost.

Schade war am 14. Juni mit dem Hauptgewinn dieses Jahres, einem Mercedes-Benz 190 SL, Baujahr 1962, 45.000 Euro wert, zum Oldtimer-Treff nach Bockhorn am Jadebusen (Niedersachsen) gefahren, am nächsten Morgen war der weiße Sportwagen weg. Geklaut, wie auch eine 280-SL-Pagode. Für Bockhorn die ersten Oldtimer-Diebstähle in den letzten 22 Jahren.

Der Klassiker-Klau hat Konjunktur, vor allem im Kölner Raum. Noch im vergangenen Jahr war die Domstadt Hochburg des Homejackings. Die Diebe brachen in Villen ein, griffen sich Autoschlüssel und Papiere und fuhren mit den Luxuslimousinen – vorzugsweise Mercedes-Benz SL und S-Klasse sowie Audi A8 – davon.

Erst ausspähen, dann zuschlagen

Dieses Jahr trifft's die Oldtimer-Besitzer. Die Serie begann Anfang April mit einem Mercedes-Benz 280 SE, Baujahr 68. Am 17. Mai versuchten die Raritäten-Diebe in Köln-Marienburg einen silbernen Jaguar E-Type aus einer Tiefgarage zu klauen. Der Versuch misslang.

Macht nichts, sagten sie sich, kamen eine Woche später, knackten das Rolltor der Tiefgarage und nahmen außer dem E-Type auch noch einen Jaguar Mk II mit. An einem weiteren E-Type und einem Mercedes-Benz 280 SL (Pagode) scheiterten die Klau-Versuche.

Wiederum eine Woche später schlug die Bande im Stadtteil Rodenkirchen zu. Aus einer Tiefgarage stahlen sie einen grünen Jaguar E-Type und einen silberfarbenen Mercedes-Benz 190 SL. Die Polizei: "Das ist geplant und bandenmäßig organisiert." Bei allen Diebstählen auffällig: Die Gangster wissen genau, wo sie ihre Beute finden. Das bedeutet, dass sie ihre späteren Opfer entweder ausspähen – oder dass sie an die Halterdaten gekommen sind.

Geklaut wird vor allem in Grenznähe

Auffällig ist auch stets die relative Nähe der Tatorte zu Belgien und Holland. Wie Köln. Oder Meuspath (beim Nürburgring), wo ein Mercedes-Benz 230 SL, Baujahr 66, gestohlen wurde. Oder Trier, wo es einen roten Jaguar E-Type, Baujahr 62, Kennzeichen MZG–JE 40 H, traf. Oder Aachen: blaues 220er-Ponton-Cabriolet, Baujahr 57.

Aus dieser geographischen Reihe fällt der Diebstahl eines 150.000 Euro wertvollen Mercedes-Benz 300 (Adenauer-Serie), Baujahr 1952: Er wurde Ende Mai in Braunschweig entwendet. Aber auch der Adenauer dürfte längst im Ausland sein – in Deutschland sind die auffälligen Oldies so gut wie unverkäuflich.

Einziger Trost für die Opfer: Ihre Schätzchen sind meist vollkaskoversichert. So auch der 190 SL der Lebenshilfe Gießen. Reinhard Schade: "Wir haben bereits Ersatz beschafft, der Hauptgewinn ist gesichert." Wer ihn haben will, überweist mindestens fünf Euro auf das Oldtimerspendenkonto der Lebenshilfe Gießen bei der Sparkasse Gießen (Kto. 200 626 000, BLZ 513 500 25) oder bei der Volksbank Gießen (Kto. 2590018, BLZ 513 900 00).