Raus aus dem Winterschlaf, rein in den Schnee! Die meisten Oldtimer stehen im Winter eingemottet und konserviert in einer Halle und warten auf das Frühjahr. Das ist auch gut so, denn das Salz auf den Straßen und aufgewirbelter Split machen dem alten Blech ordentlich zu schaffen. Da scheint es fast schon ketzerisch, dass Opel einen Teil seiner Oldtimer-Sammlung zur Winter Experience in das österreichische Thomatal gebracht hat, um mit ihnen durch den Schnee zu driften. Die Rüsselsheimer feiern in diesem Jahr 120 Jahre Fahrzeugbau und wollten zeigen, wie sich die Antriebskonzepte im Laufe der Jahre entwickelt haben. AUTO BILD nahm das zum Anlass, um verschiedene Antriebskonzepte im Laufe der Jahre zu testen. Dabei standen ein Kadett C GT/E der 1000er-Serie von 1977 (Hinterradantrieb), ein Calibra 4x4 16V von 1990 (Allrad-Antrieb) und ein 2018er Insignia GSi (Allrad-Antrieb mit Torque-Vectoring) zur Verfügung. Und da wir auf einem Gelände unterwegs waren, auf dem Winterfahrtrainings absolviert werden, gab es auch noch Tipps fürs Driften auf Schnee und Eis!

Der Dynamische: Erste Gehversuche im Insignia GSi Diesel

Mit Vollgas über die Schneepiste
Der Insignia wird nach etwas Gewöhnung angenehm flink auf der präparierten Piste.
Die ersten Fahrversuche auf eisiger Strecke werden im Insignia GSi gemacht. Der Diesel leistet 210 PS, genug, um es ordentlich stauben zu lassen. Damit die Leistung nicht verpufft, fahren wir auf Spikes. Das ESP ist aus, sonst stellt sich der Wagen nicht quer. Der Instruktor fährt zuerst und gibt Tipps: frühzeitig Bremsen, den Wagen anpendeln, einlenken und voll aufs Gas. Sieht bei ihm ganz einfach aus. Nach ein paar Runden heißt es Fahrerwechsel. Die ersten Kurven erinnern mehr an eine Kaffeefahrt, als an dynamisches durch den Schnee driften. Doch schon nach einiger Zeit stellt sich ein Grundgefühl von Sicherheit ein. Also das Pedal energischer benutzen und die Geschwindigkeit erhöhen. Runde um Runde klappt das besser, bis der Insignia tatsächlich in der kleinen 180-Grad-Kehre am Ende des Parcours kontrolliert quer geht. Einmal das Prinzip verstanden und ein Gefühl für das Auto entwickelt, wird es leichter, die Drifts einzuleiten. Dabei fällt auf, wie leicht das Heck des Opel werden kann. Ein Grund dafür ist das Allradsystem, das auch eine dynamische Fahrweise erlaubt und das Auto leicht eindrehen lässt. Schaltet man die Fahrhilfen wieder an, kehrt wieder Ruhe in den Opel ein. Trotzdem: Wie leicht das Heck des Insignia auf Wunsch werden kann, ist beachtlich. Aber auch wenn die Assistenten beim modernen Auto deaktiviert werden, hilft einem das Fahrzeug durch technische Kniffe.

Der Brave: Viel Grip mit dem Calibra 4x4 16V

Mit Vollgas über die Schneepiste
Der Calibra hat trotz alter Technik extrem viel Grip. Ist man auf Eis unterwegs, stellt aber auch er sich quer.
Deshalb steigen wir um. Der Allrad bleibt, nur fehlen jetzt alle möglichen Helferlein. Das Fahrzeug: ein Opel Calibra 4x4 16V. Da der Turbo nicht zur Hand ist, muss der normale 16V mit 150 PS herhalten. Das Auto ist quasi neu, nur 1800 km stehen auf dem Tacho. Schon nach ein paar Metern fällt auf, wie weit sich in den letzten 20 Jahren die Fahrwerkstechnik entwickelt hat. Während der Insignia kleine Bodenwellen locker wegschluckt, rappelt es im Calibra ordentlich. Jede noch so kleine Bodenwelle auf dem eisigen Untergrund ist zu spüren. Fährt man die Kurven an, gibt sich das Coupé zurückhaltend. Wie auf Schienen gezogen, pflügt es über die Piste. Das ist gut für die Sicherheit auf der Straße, aber schlecht fürs Driften. Hier muss die Fahrweise aggressiver sein als beim Neuwagen. Das Anpendeln, also das beim Bremsen in die entgegengesetzte Richtung des Kurvenverlaufs fahren, wird hier noch wichtiger. Nachdem nach ein paar Runden der Schnee vom Eis gefahren ist, ist der Calibra williger. Nun gelingen auch mit ihm schöne Kurven in Querlage. Leider fehlen dem 150 PS starken Opel etwas der Durchzug und die Leistung, um auch langgezogene Kurven quer zu durchfahren. Der 204 PS starke Turbo, das damalige Topmodell, hätte sich hier bestimmt besser geschlagen. Dass der Calibra schon vor 29 Jahren einen Allrad hatte, der sich vor heutigen Systemen nicht verstecken muss, ist erstaunlich. Trotz allem merkt man aber, wie unterschiedlich der Fokus der Entwickler war.

Die Heckschleuder: Kadett C GT/E 1000er Serie

Mit Vollgas über die Schneepiste
Auf glattem Untergrund wirken die 115 PS des Kadett wie 500. Er stellt sich als nervöser Spielpartner heraus.
Zwei Allradfahrzeuge, die durch ihren Antrieb souverän auf Schnee und Eis unterwegs sind. Wunderbar, aber um einen wirklichen Vergleich zu haben, verzichten wir mal auf eine angetriebene Vorderachse. Das Stichwort ist: Heckantrieb! Vergleichsfahrzeug ist ein 1977er Kadett C GT/E. Jetzt wird es puristisch. Keine Servolenkung, einfach nichts. Da reichen auch 115 PS, um ins Kurbeln zu geraten. Der Kadett ist in jeder Sekunde nervös. Zumindest am Anfang. Jeder Gasstoß zu viel leitet ein unweigerliches Ausbrechen des Hecks ein. Dabei neigt er dazu, in manchen Situationen urplötzlich den Hintern zu zeigen. Nach einigen Drehern und etwas mehr Gefühl für den Wagen, wird er aber zunehmend beherrschbarer. Zwar lässt es sich mit dem Kadett mit einer langsamen Gangart sicher über den Kurs fahren, dafür macht er bei höheren Geschwindigkeiten und etwas Mumm umso mehr Spaß. Dabei fordert er von seinem Fahrer auf glatter Piste zu jeder Zeit die volle Konzentration und viel Arbeit am Lenkrad. Einmal nicht aufgepasst, schon steht man mit der Nase da, wo man hergekommen ist. Sein Alter merkt man ihm überhaupt nicht an. Die fehlende Servolenkung macht die Straßen für den Fahrer im positiven Sinne unmittelbarer. Das hat sich das Fahrwerk anscheinend abgeschaut, denn es ist angenehm sportlich für ein Auto aus den 70ern. Der Kadett macht Spaß im Schnee, aber nur mit viel Übung und einer abgesperrten Strecke.

Fazit: Sicher mit Allrad

Mit Vollgas über die Schneepiste
Nur fürs Foto: Mit dem Rennwagen von 1903 wurde nicht gedriftet. Bis zu 90 km/h geht der Vorkriegs-Renner.
Es ist erstaunlich, wie viel sich in den letzten Jahren im Automobilbau getan hat. Der klassische Hinterradantrieb ist und bleibt der Spaßgarant auf Schnee und Eis, erfordert aber auch einiges an Übung und möchte beherrscht werden. Die Allrad-Technologie wurde über die Jahre verfeinert und hat sich vom reinen Traktionsbringer zum durchaus dynamischen Antrieb entwickelt. Unter extremen Bedingungen zeigen sich die Unterschiede dabei am deutlichsten. Nach ein paar Stunden in den Klassikern Kadett und Calibra, fährt sich der Insignia fast schon wie im Computerspiel. Die leichtgängige Lenkung, der moderne Allrad und der kraftvolle Motor lassen den Wagen nur so über den Schnee fliegen. Aber vor allem bringen Allradsysteme Sicherheit auf schlüpfrigem Untergrund. Neben dem Spaß mit ausgeschalteten Assistenten bieten sie im Normalbetrieb den meisten Grip. Auch wenn moderne Hinterradantriebe nichts mehr mit dem 1977er Kadett gemein haben, werden sie wohl nie an vier angetriebene Räder herankommen können. Den Vorderradantrieb klammern wir hierfür mal aus. Zum Abschied nehmen wir noch einmal in einem Rennwagen von 1903 Platz. Der durfte sich aber schonen und wurde nur im Kreis bewegt. Driften musste er nicht, versprochen!