Wieder mal die alte Leier: Da stehen drei hochpotente Boliden in einer Reihe, die man in dieser Konstellation wohl nie zusammen antrifft – und einer überschattet alle. Wie so oft bei solchen Geschichten ist es nicht der neueste oder der stärkste: Es ist der älteste. In diesem Fall ein Porsche Turbo S Leichtbau der 964er-Reihe, Baujahr 1992, quietschgelb (was natürlich nicht die korrekte Farbbezeichnung ist), mit schwellenden Rundungen und einem Mordsflügel, dazu geboren, PS-Freaks hemmungslos zu erotisieren. Eigentlich im Porsche-Museum zu Hause, wo er als einer von 86 jemals von der Porsche-Exclusive-Manufaktur gebauten Turbo-S-Modelle als Ur-Opa aller GT2 bestaunt werden kann: Im Heck der 3,3-Liter-Motor des Turbo, um 61 auf 381 PS gesteigert, das Gewicht um sagenhafte 180 Kilogramm reduziert und heute so bildschön wie vor 20 Jahren, war er auch der Auslöser zu dieser Geschichte.

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Porsche 911 Turbo S Leichtbau
Heute immer noch so schön, wie vor 20 Jahren: der Porsche 911 Turbo S Leichtbau.
"Können wir den mal auf Zeit fahren?", war die vorwitzige Frage an Porsche, die in eine nicht ernsthaft erwartete Antwort mündete: "Dann nehmt doch zwei GT2 und den Walter dazu – warum nicht …" Und so stehen wir jetzt hier am Sachsenring, der Turbo S, der GT2, der GT2 RS und der Herr Röhrl und warten, dass die Strecke endlich frei wird. Für den Rallye-Weltmeister ist es sogar eine Premiere: "Den Turbo S bin ich noch nie gefahren" – ein Umstand, den ansonsten nicht viele Porsche-Modelle für sich reklamieren können. "Eine Katastrophe", schimpft Walter Röhrl, als er versucht, seine 1,96 Meter hinter das nicht einstellbare Lenkrad des Turbo S zu falten. Er könnte mit den Knien lenken, doch nicht mal Röhrl kann mit den Knien lenken. Mit dezentem Rasseln springt der luftgekühlte Boxermotor des Oldies an. Die erste Runde geht er gemächlich an, Röhrl erkundet den Sachsenring. "Schöne Strecke, aber das Omega mag ich nicht besonders", meint er und macht sich auf die Zeitenjagd. "Wenig Grip", konstatiert er, als wir im Omega leicht rutschen und er mit offensichtlichem Krafteinsatz gegenlenkt.

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Porsche 911 Turbo S Leichtbau
Verzögertes Ansprechverhalten: Der Turbo im Heck steckt anfangs in einem tiefen Loch.
Zwar hatten die 964 schon eine Servolenkung, doch im Turbo S, der nach den Rennerfolgen in der IMSA-Serie 1991 aufgelegt wurde, fiel die Lenkunterstützung ebenso dem Leichtbau zum Opfer wie elektrische Fensterheber, Klimaanlage, Zentralverriegelung oder die Rücksitzbank. Der hohe Preis von 295.000 D-Mark kam auch dadurch zustande, dass die Formen für die aus Kohlefaser gefertigten Türen, Fronthaube und Heckdeckel nur für geringe Stückzahlen verwendet werden konnten – 1992 steckte die aufwendige Technik noch in den Kinderschuhen und war entsprechend teuer. Nach zwei Runden sind Walter Röhrl und der Turbo S zu einer Einheit verschmolzen, und das Rallye-Ass tanzt mit weichen Bewegungen um den Kurs. "Ein Fahrerauto, man muss sehr sensibel sein, sonst ist man Passagier." Erschwerend hinzu kommen die wilden Anfänge der Turbotechnik, zumindest was das Ansprechverhalten anbelangt. Der Turbo S hat nur einen Lader, und der glänzt erst mal durch sein Loch. Röhrl demonstriert: "Gas, Gas, Gas, Gas – und jetzt erst kommt er. Da musst immer vorausdenken." Nach fünf Runden sind die (Straßen-)Reifen ziemlich am Ende, zumindest für gute Rundenzeiten. Wir fahren an die Box und lesen die Zeiten aus: 1:41,33 Minuten, das ist in etwa auf dem Niveau eines Cayman S und mehr als beachtlich für ein Museumsauto, das 20 Jahre alt ist und gerade mal 1028 Kilometer auf der Uhr hat.
Der Nächste im Bunde ist der 996 GT2 der zweiten Generation mit 483 PS und wassergekühltem Motor, den ob ihrer spiegeleiähnlichen Form oft belächelten Frontscheinwerfern und einem damaligen Listenpreis (2003) von satten 175.044 Euro. Ein Quantensprung, verglichen mit dem Ur-GT2 des Modells 993, vor allem auch was die Aerodynamik angeht, angetrieben von einem 3,6-Liter-Boxer mit Biturboaufladung und variabler Ventil- und Nockenwellenverstellung. Erstmals waren hier bei einem Porsche serienmäßige Keramikbremsen an Bord, das Gewicht lag exakt 100 Kilogramm unter dem eines Turbo. Optional gab es ein Clubsportpaket mit Käfig, was den GT2 schon ab Werk für Motorsportveranstaltungen fit machte. Röhrl freut sich über einen vernünftigen Arbeitsplatz, denn dank des einstellbaren Lenkrads kann er hier – nur leicht gefaltet – gut sitzen.

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Porsche 911 GT2
Optisch durchaus diskutabel: der 996-GT2 mit den typischen Scheinwerfern der Baureihe.
Auch dieser GT2 ist auf Straßensportreifen unterwegs, was die Zahl der möglichen gezeiteten Runden einschränkt. Doch Röhrl ist mittlerweile auch auf den Sachsenring eingeschossen und dreht Runde um Runde mit der Präzision eines Roboters und dem Gleichgewichtsgefühl eines Seiltänzers. In der ersten Runde enttäuschen die Bremsen: "Die haben weniger Biss als die des 964", meint Röhrl und vermisst zunächst auch das Gefühl der servolosen Lenkung des 964. Dafür ist das Ansprechverhalten des Motors eine ganz andere Welt. "Hier tut sich sofort was", der 996 schaufelt bei vollem Ladedruck von zwei Bar wuchtige 640 Nm auf die 315er-Hinterreifen, es geht druckvoll voran, Walter Röhrl reißt die Gänge durch – der Ehrgeiz packt ihn immer mehr. Gemessen am 964 ist der 996 etwas unproblematischer zu fahren. "Deutlich mehr Grip an der Hinterachse, das macht das Heck viel stabiler", sagt Röhrl und bremst die Queckenbergkurve an, um in die Box abzubiegen. Die Zeitmessung ergibt: 1:38,43 Minuten braucht der 996-GT2 für die Runde, rund drei Sekunden schneller als der zehn Jahre ältere Turbo S.

Überblick: Alle News und Tests zum Porsche 911 GT2 RS

Porsche 911 GT2 RS
Da geht richtig was: Der GT2 RS ist das schnellste Serienauto auf dem Sachsenring.
Jetzt wird’s heftig: Mit seinen 620 PS und einem Gewicht von 1370 Kilogramm ist der aktuelle GT2 RS nicht nur deutlich stärker und leichter als der 996. Er ist als Einziger auf Semislicks unterwegs. Und Walter Röhrl sofort in seinem Element, schließlich hat er den RS maßgeblich mit abgestimmt. "Bei der Servolenkung spürt man viel mehr, hinten ist er extrem stabil, aber der Leistungseinsatz ist nicht ohne." Doch gibt es in diesem GT2 ein fein abgestimmtes Stabilitätsprogramm, das selbst auf der Rennstrecke sehr gute Zeiten erlaubt, vorausgesetzt, man fährt sauber und ist am Kurvenausgang vorsichtig mit dem Gas. Natürlich ist es jetzt deaktiviert, ein bisschen Spaß und Kitzel muss sein. Am Ausgang der Fahrerlager-1-Kurve, die man blind anfährt und die bergab auf die Sachsenkurve führt, geht Walter Röhrl etwas zu früh aufs Gas. Das kurveninnere Hinterrad ist entlastet, und der GT2 kommt bei etwa 180 km/h blitzartig quer.
Röhrl fängt ihn ab, bemerkt trocken, dass so eine Situation für einen Normalfahrer nicht lösbar sei und hält auf die Sachsenkurve zu. Subjektiv erschien die Runde nicht spektakulär schnell, doch die Uhr sagt etwas anderes. 1:33,51 Minuten. Das ist Platz drei in der Hitliste und damit die schnellste Rundenzeit für ein Serienauto auf dem Sachsenring. Bis jetzt.

Fazit

Und mit welchen der drei hatte Walter Röhrl den meisten Spaß? Ge­nau. Es war der Turbo S von 92. "Das Schwergängige und gleichzeitig Feinfühlige, die direk­te Rückmeldung, das Schwierige – ich mag das." Ein Rennfahrer der alten Schule eben. Jung geblieben und immer noch verrückt.