Porsche 911 RSR WEC: Fahrbericht
Tracktest mit dem Porsche 911 RSR

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Mit dem Porsche 911 RSR fährt Porsche in der Langstrecken-WM und bei den 24 Stunden von Le Mans. Wir haben das Auto getestet.
Bild: Porsche
Ein Trupp von vier Ingenieuren schart sich um den rot-weißen, pausbackigen Porsche 911 RSR. Dreimal hintereinander rasselt der Anlasser ein paar Sekunden lang. Dann folgt trügerische Ruhe. „Fünf Sekunden!“, ruft Alexander Stehlig, Einsatzleiter Langstrecken-WM (WEC) bei Porsche. Kollektiv halten sich seine Kollegen die Ohren zu.
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Der 4,2-Liter-Sechszylinder-Boxermotor, der knapp vor der Hinterachse kauernd auf seinen Einsatz wartet, hat nun ausreichend Öldruck. Ein Klick am Laptop, die Benzinpumpe schaltet sich zu – und das Biest erwacht grummelnd zum Leben. Kein Turbolader, kein Downsizing, kein Hybrid – dieser Rasse-Elfer setzt ganz auf alte Schule.

Mit dem Porsche 911 RSR fährt Porsche in der Langstrecken-WM und bei den 24 Stunden von Le Mans.
Bild: Porsche
Wenig später rolle ich mit 60 km/h die Boxengasse des Autodromo Vallelunga vor den Toren Roms herunter – im ersten Gang, wohlgemerkt. Ziehe kurz vor der grünen Ampel noch einmal an den dicken Hosenträgergurten, die mich in den engen Schalensitz drücken. Mein Blick schweift über das mit 22 Schaltern und Knöpfen übersäte ovale Lenkrad. Ein Druck mit dem Daumen der rechten Hand auf den „Pit“-Knopf – der Geschwindigkeitsbegrenzer ist deakti… Wrooom! Die Drehzahl schnellt hoch, mein Kopf knallt nach hinten. Die roten Schaltlämpchen am oberen Lenkradrand blitzen kurz vor dem Drehzahllimit auf.
Das liegt je nach Gang zwischen 8000 und 8400 Touren. Reflexartig ziehe ich an der rechten Schalt-wippe. Auch wenn der RSR reglementbedingt sogar 5 PS weniger hat als sein Serienbruder, der Porsche 911 GT3 RS, haben seine 515 PS mit nur 1245 Kilogramm Basisgewicht leichtes Spiel. Sämtliche Anbauteile der Karosserie bestehen aus Carbon. Aber die Längsbeschleunigung ist nicht einmal das, was diesen Rennwagen der GTE-Kategorie wirklich ausmacht.
Im fünften Gang schieße ich auf die Cimini-Passage zu. Das sind zwei aufeinander folgende Rechtskurven, die sich fast wie die Steilkurve eines Ovals in den Hang schneiden. Den Fuß vom Gas und aufs überdimensionale Bremspedal gestemmt, beißen sich die Rennbremsbeläge unter dem Druck von Sechs-Kolben-Festsätteln in die 390-Millimeter-Bremsscheiben an der Vorderachse. Hinten tun Vier-Kolben-Festsättel an 355-Millimeter-Bremsscheiben ihr Übriges.

Dieser Rasse-Elfer setzt ganz auf alte Schule.
Bild: Porsche
Grip hat er dabei satt: Die Michelin-Slicks kleben auf dem Asphalt, die Aerodynamik von Karosserie und Unterboden sorgt für Anpressdruck. Das Resultat: 1,9 g Querbeschleunigung. Fühlt sich irre an, als hätte sich das Auto irgendwo eingehakt.
Maximal 240 km/h erreiche ich im sechsten und höchsten Gang. Mehr als 300 km/h wären ohne Restriktor und mit anderem Setup auf einer längeren Geraden möglich. Als ich glaube, das in Weissach konstruierte Biest im Griff zu haben, blockiert das rechte Vorderrad beim Anbremsen. Weil die Geschwindigkeit und somit der Anpressdruck an dieser Stelle während des Bremsens so stark nachlassen, hätte ich das Pedal allmählich zurücknehmen müssen. ABS? Fehlanzeige.
Genauso wenig wie ein elektronisches Stabilisierungsprogramm. Mit den rechten Rädern komme ich auf den lackierten Curb. Zu früh gebe ich Gas. Trotz Traktionskontrolle schwänzelt das Heck, habe ich Mühe, den Porsche 911 RSR durch schnelles Gegenlenken einzufangen.
Wer’s übertreibt, bekommt sofort die Quittung. Zeit, das Renncockpit wieder den Profis zu überlassen.
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