Um das gleich mal klarzustellen: Wir reden hier nicht von irgendwelchen Turbo-Typen, sondern von dem turbo. Unbedingt klein und kursiv geschrieben. So wie der Schriftzug ab Werk unter dem riesigen Luftleitwerk am Heck des aufgeladenen Porsche 911. Sicher, es gab schon vor ihm Serienautos mit Turboaufladung. Aber in Sachen Legendenbildung keines mehr nach ihm. 1975, als die ersten Tests gefahren wurden, war er das schnellste Auto Deutschlands. Sogar Walter Röhrl soll sich ein bisschen vor dem turbo gefürchtet haben. Angst! Der Walter! Ob es wahr ist oder nicht, bleibt ohne Bedeutung.

Drehmoment satt – so viel wie ein Vier-Liter-V8

Seit der Vorstellung des 911 Turbo war die Sportwagen-Welt eine andere. Bis heute ist er Porsches Über-Elfer, das sündteure und leistungsgewaltigste Aushängeschild des Hauses. Derzeitiger Stand des aktuellen 997 turbo: 143.080 Euro inklusive Steuer und 480 PS. Anfangs reichten 65.800 Mark und 260 PS, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Und dann die anderen, die wichtigeren Zahlen im Quartett: 5,5 Sekunden von null auf 100, Höchstgeschwindigkeit 250 km/h. Das Alpha-Tier im Turbo-Revier. Der bis dato stärkste und schnellste Serienwagen aus Zuffenhausen, schon im Werdegang ein echter Porsche. Wie so oft war die Anregung aus dem Rennsport gekommen: Die Schwaben wollten ein Basisauto für den Motorsport schaffen und erfanden einen Leichtbau-Elfer mit 2,7-Liter-Turbomotor.

Dicke Backen und große Flügel am Porsche wurden hip

Als das Reglement sich änderte, wuchs der 911 turbo dar aus, zwar schwerer und luxuriöser, aber auch massenkompatibler. Die Sitze trugen Schottenmuster und Leder, die Heizung regelte sich tatsächlich automatisch. Vier Gänge und dürre 185er-Reifen an der Vorderachse mussten ausreichen. Ein Elfer für Spazierfahrer? Jein! Systembedingt konnte der 911 turbo durchaus im Schongang betrieben werden. Das Inferno wartete bei hohen Drehzahlen. Bis der KKK-Lader anfing, Druck zu machen, fuhr sich der 911 turbo 3.0 wie ein halb so teurer 911 2.7 mit 165 PS. Erst bei 3500 Touren ging die Post ab, mit 0,8 Bar Ladedruck, und bei 4000 Touren fiel der Turbohammer mit solcher Macht, dass der Porsche über den Horizont zu springen schien. Wem das in der Kurve passierte, der zitterte künftig vor dem Tier im turbo.
Dieser Elfer war so anders, dass die neue Typennummer 930 absolut berechtigt war. Die Gewaltanwendung fand Ausdruck in massiven Kotflügelverbreiterungen, Spoiler und Flügelwerk an Bug und Heck. Das sah nach Rundstreckenmeisterschaft aus, erhöhte aber den Anpressdruck um nahezu 100 Prozent, sorgte für Kühlung des hoch belasteten Boxers im Heck – und machte Mode. Dicke Backen und große Flügel am Porsche wurden hip, ab 1984 konnte der "Werksturbo-Look" (WTL) auch offiziell für Elfer mit Saugmotor geordert werden. Da war der 930 schon zehn Jahre alt, stand aber immer noch an der Spitze der Nahrungskette. Erst 1987 wurde er weicher: Es gab den ultimativen Elfer auch als 911 Cabrio und 911 Targa. Keine Typen – sondern immer noch echte turbos.

Historie

Vorstellung des 911 turbo auf dem Pariser Salon 1974 mit 2993 cm³ und 260 PS. Ab 1976 vollverzinkte Bodengruppe, Ende 1977 wachsen Hubraum und Leistung auf 3299 cm³ und 300 PS, 1979 erhält der 911 turbo 3.3 eine leisere Zweirohr-Auspuffanlage. 1984 "Werksturbolook" als Option für Sauger-Fahrzeuge, im Frühjahr 1987 ergänzen Targa- und Cabrioversion die 930-Baureihe. Produktionsende 1989 nach 2874 turbo 3.0 und 17.381 turbo 3.3.

Plus/Minus

Er ist ein Sportwagen-Meilenstein, weil mit ihm die Turbo-Aufladung in die Großserie einzog. So wurde die bis dahin als zickig geltende Technik alltagsfest und so begehrlich, dass viele (Massen-) Hersteller nachzogen. Ansonsten ist der 930 ein Supersportwagen für die ganze Woche. Nicht mehr in die heutige Zeit passt sein außergewöhnlich hoher Verbrauch: Egal ob radikaler 3.0 oder der gezähmte 3.3, beide saufen richtig. Wer sich davon nicht schrecken lässt, kann heute noch eine Sportwagen-Legende mit garantierter Wertsteigerung zum Preis einer aktuellen Diesel-E-Klasse erwerben. Eine sichere Geldanlage – und brutaler Fahrspaß für fortgeschrittene Fans.

Ersatzteile

Es ist Segen und Fluch zugleich: Viele Ersatzteile für alte Porsche sind bei der hauseigenen Porsche Classic-Abteilung bestellbar, kosten aber oft ein Vermögen. Günstiger sind meist freie Händler. Teuer in Unterhalt und Reparatur ist ein 930 aber auf jeden Fall – spezifische Teile schlagen herzhaft ins Budget. Ein großer Vorteil ist die Vollverzinkung einzelner Karosserieteile (Serie ab 1976), nur ein paar Hundert Autos kamen ohne auf die Welt.

Marktlage

Die frühen und unverzärtelten Dreiliter-Versionen werden so gut wie nie gehandelt, längst sind sie behütete Sammlerstücke. Üppiger ausgestattet und technisch ausgereifter sind spätere 911 turbo 3.3, die das aktuelle Angebot bestimmen. Bei 30.000 Euro beginnen seriöse Angebote, billigere Autos können sehr teuer werden – wer einen baufälligen turbo mit unklarer Vorgeschichte kauft und diesen sanieren muss, kann ein kleines Vermögen investieren. Am oberen Ende der Preis-Skala liegen die seltenen Targa und Cabrios.

Empfehlung

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