Nebel verhüllt das Schloss, der Waldkauz ruft. Eine Gestalt schleicht, Böses im Schilde führend, durch den dunklen Park, und Kommissar Joachim Fuchsberger ist ihr auf den Fersen. So die typischen Gänsehaut-Zutaten eines Edgar-Wallace-Krimis der 60er-Jahre. Vor dem Fernseher daheim gruselte sich damals der sehr junge Michael Hauschildt, aber nur ein bisschen. Viel spannender fand er den Rolls-Royce Silver Cloud, der in so mancher Episode vor der Herrenhaustür parkte. Britisch, majestätisch, ein Schloss auf vier Rädern. Und ein scheinbar unerreichbarer Traum. Premiere rund 45 Jahre später: Der heute 54-Jährige steuert einen Silver Cloud III fürs AUTO BILD-Fotoshooting in die Auffahrt von Schloss Tremsbüttel bei Hamburg. Auch hier wurde einst ein Edgar-Wallace-Film gedreht: Großbritannien made in Norddeutschland. Die Beatles waren schon zu Gast, und natürlich besaß John Lennon ebenfalls einen Rolls-Royce, einen psychedelisch-bunten Phantom.

"Alle Sinne werden im Silver Cloud berührt"

Cockpit Rolls-Royce Silver Cloud
Panoramablick aus der Königsklasse: Das stylische Cockpit des Rechtslenkers ist aus feinstem Wurzelholz.
Bild: Olaf Tamm / AUTO BILD
Wie alle Modelle ziert den Silver Cloud die Kühlerfigur Spirit of Ecstasy, liebevoll Emily genannt. Entzückt ist auch Michael Hauschildt. Wie fühlt es sich an, einen Mythos zu fahren? "Erhaben", antwortet der Wirtschaftsingenieur und Hobbypilot respektvoll. Ein Rolls-Royce sage: "Ich bin ein stolzes Auto, eins mit Charakter." Diese Aura übertrage sich ganz von selbst. Kein Wunder, wer in der Limousine Platz nimmt, wähnt sich in einer englischen Lounge und zugleich im geschützten Séparée. Hochglanzpoliertes Edelholz, federweicher Florteppich, opulent-bequeme Sitze aus feinstem Leder. Fünf Aschenbecher aus einer Zeit, als Rauchen Churchill-like noch zum guten Ton gehörte. Unser Foto-Modell, das zum Verkauf steht*, riecht nicht nach Tabak, sondern nach Tradition. "Alle Sinne werden im Silver Cloud berührt", sagt Hauschildt. Man merke, dass hier viele Menschen viel Zeit und Handarbeit investiert haben. Ein Kunstwerk habe Rolls-Royce-Chefdesigner John Polwhele Blatchley 1955 mit dem ersten Modell geschaffen. Hauschildt schwärmt von der vollendeten Form, von dem imponierenden, hochstehenden Kühlergrill, blinkendem Chrom, gewaltigen Dimensionen. So monumental, dass sich der gut zwei Tonnen schwere Koloss dank Servolenkung zwar gleichsam wolkig-schwebend fahren lässt. Die Trommelbremsen aber holen den Fahrer wieder auf den Boden. "Der bremst sich wie ein Tanker", stellt Michael Hauschildt fest. Vorausschauend fahren gehört dazu. Tempo spielt ohnehin nicht die Hauptrolle, der Silver Cloud ist zum entspannten Cruisen gemacht. Das ideale Reisemobil mit dem Potenzial eines Kilometerdinosauriers.

Jahrgang 1963, das verbindet

Cockpit Rolls-Royce Silver Cloud
Stilvoll Gas geben: Rolls-Royce gab die PS-Zahl traditionell mit "ausreichend" an.
Bild: Olaf Tamm / AUTO BILD
Auch Michael Hauschildts Zeitreise geht an diesem Tag weiter: Als Junge träumte er von stilvollen englischen Autos, während er mit seinen Eltern im VW Käfer in den Urlaub fuhr. Die Liebe zur Britischen Insel und ihren Bewohnern schien ihm in die Wiege gelegt, da wusste er noch nicht, dass er später auf der Insel arbeiten und ein paar Jahre lang Mini fahren würde. Ansonsten lebte der Hamburger die klassische Kindheits-Blechbiografie: Paninialbum. Matchbox-Auto-Sammlung. Autoquartett, Rolls-Royce war bei all dem einer der Favoriten. Der Silver Cloud III und Michael Hauschildt sind beide Jahrgang 1963, das verbindet. Auch familiär spielte der Wagen eine Rolle: Michael beneidete seine Tante, die als Nanny in Hollywood arbeitete und früher für Sonny und Cher mit dem Rolls-Royce zum Supermarkt fuhr. Der Silver Cloud ist eben keine Blechdiva, sondern ein Star ohne Allüren. Auch wenn ein Blick in die Filmdatenbank zeigt, dass er mehr als 400 Auftritte in Kino und Fernsehen hatte. Auch den heutigen hat er perfekt absolviert. Michael Hauschildt nimmt Abschied von seinem Traumwagen. Mit Blick auf die bequeme Rückbank samt iPad-großen Ablagetischen sagt er: "Ein Chauffeur wäre auch nicht schlecht. Wer in so einem Auto fährt, darf nicht mehr arbeiten."

Von

Sabine Franz