Eine teutonische Strenge liegt über diesem Gefährt, ganz anders als bei einem ähnlich alten Range Rover, bei dessen Anblick man irgendwie immer an den Champagner-Bond Roger Moore denken muss. Auch aus der Fahrerperspektive wirkt der G unerbittlich kantig wie ein Song von Rammstein. Dabei haben ihn Österreicher entwickelt: Ein Joint-Venture aus Daimler und Steyr-Puch (Haflinger, Pinzgauer) hat den Dauerbrenner in den 1970ern konzipiert; der Löwenanteil der Entwicklungsarbeit (Rahmen, Karosserie, Verteilergetriebe) entfiel auf die Grazer 4x4-Spezialisten. Bis zum heutigen Tag rollt der G in Graz vom Band.

International wurde die G-Klasse als Puch verkauft

Puch 300 GD
Nein, das hier ist kein Mercedes: Das G-Modell wurde einst auch unter dem Puch-Logo verkauft.
Falls sich jüngere Leser wundern über das Puch-Logo im Grill unseres Fotomodells: Bis 2000 wurde das G-Modell in Österreich, der Schweiz, Großbritannien, Ex-Jugoslawien und in Teilen Afrikas als "Puch G" verkauft. Dieses Exemplar von 1981 ist eines der letzten, bei denen auch Steyr-Puch als Hersteller im Fahrzeugschein steht. AUTO BILD ALLRAD hat in Gebrauchtkauf-Beratungen zu G-Modellen ja schon viele Illusionen zerstören müssen: Nein, der kultige Klassiker ist eben nicht unzerstörbar, der Rostschutz bis 1990 unzureichend, seine Pkw-Motoren halten in dem Schwergewicht meist nur halb so lange wie eben im Pkw. 1981 aber zählte der G zum Solidesten, was man kaufen konnte. An diesem Exemplar sieht alles gut aus: Es ist sorgfältig gegen Rost geschützt, der sich zwischen den Rahmenträgern wegduckende und daher kompliziert verlegte Auspuff ist neuwertig, der Diesel startet nach dem Vorglühen prompt und willig. Vor Jahren wurde der Puch neu lackiert im nicht-originalen, aber zeittypischen Braunmetallic – der G war damals der Daimler- Nutzfahrzeugsparte zugeordnet, und die bot keine Metallicfarben an. Mittlerweile sind wieder zwei Bläschen an Beifahrertür und Kotflügel sichtbar, insgesamt aber ist die Lackierung noch immer überdurchschnittlich.

Auch der stärkste Diesel bleibt reichlich müde

Puch 300 GD
Rollendes Hindernis: Mit dem 88 PS starken Diesel geht es in der schweren Blechburg nur schleppend voran.
Der 300 GD mit 88 PS war damals der stärkere Diesel im Programm. Heute erweckt ein solcher Saugdiesel den Eindruck, man könne seine Beschleunigung mittels eines Kalenders messen. Die offiziell angegebenen 130 km/h sind Theorie; über 90 km/h wird's zäh. Diese Langsamkeit stößt in der Hektik des heutigen Verkehrs nicht immer auf Verständnis – wie auch, ist solch ein historischer G doch nur für Kenner von den ungleich stärkeren aktuellen unterscheidbar. Mehrfach hupen mich Hektiker prollig an, nicht wissend, dass der braune Kasten eben nicht schneller kann mit seinen hohen Fahrwiderständen, den vielen Antriebswellen und 2105 kg Lebendmasse – und das hier ist die leichtere Kurzversion! Der Fahrer eines frühen G hat stets Besseres zu tun, als sich über ungeduldige bis ungehobelte Zeitgenossen aufzuregen: Er muss ja den Diesel engagiert in dem schmalen Drehzahlfenster halten, in dem er seine knappen 172 Nm Drehmoment abgibt, fleißig im Vierganggetriebe rührend, bei Schaltwegen von gefühlt einem halben Meter Länge. Zudem fällt der Drehzahlsprung vom zweiten zum dritten Gang derart gross aus, dass man in ein Loch zu fallen glaubt.Schon das Lenken erfordert volle Konzentration. Lässiges Chauffieren? Nix da, beide Hände gehören ans Steuer, denn auch dieser Vollstarrachser versetzt seitlich in unebenen Kurven. Servolenkung (Aufpreis) ist hier an Bord, aber man sollte von ihr keine Zielgenauigkeit erwarten. Ansonsten ist alles schwergängig an diesem Auto, von den Türen mit ihren dicken Dichtungen über die Kupplung bis hin zu Blinkerhebel und Fensterkurbel.

Abseits befestigter Straßen blüht der G so richtig auf

Puch 300 GD
Das G-Modell in seinem Element: Im Gelände fühlt sich der Puch wohl – richtige Bedienung vorausgesetzt.
Der Fahrer schaut auf eine Hartplastik-Mittelkonsole von eher schlichter Schönheit, die herrlich altmodische Details birgt wie einen Drehknopf zum Feintunen der Leerlaufdrehzahl. Während der Puch G im heutigen Straßenverkehr so gar nicht brilliert, lässt er mich im Gelände breit grinsen – und ist ganz simpel zu bedienen: In einem kurzen zweiten Schalthebel mit bogenförmiger Kulisse sind Zuschaltallrad und Untersetzung zusammengefasst. Quersperren stehen an beiden Achsen zur Verfügung, zu bedienen über mechanisch-hydraulische Zugknöpfe – schwergängig und aufpreispflichtig, natürlich. Alles sperren zu können, neutralisiert den vielleicht einzigen Schwachpunkt: Er hebt gern mal ein Bein, denn die Achsen verschränken nur mittelprächtig. Durch den kräftigen Vorderachs-Querstabilisator geriet das Fahrwerk etwas steifbeinig – die Entwickler wollten rasende Rekruten wohl nicht durch ein schaukeliges Fahrwerk zusätzlich gefährden. Dank der Sperren kann die Antriebskraft trotz dieser Steifbeinigkeit nie an einem in der Luft hängenden Rad verpuffen. Untersetzung und Sperren lassen sich hier noch ohne Bevormundung unabhängig voneinander einsetzen, was Generationen von Autotestern zu allerlei ulkigen Fehlbedienungen verleitet hat, in deren Gefolge sich das Auto weder lenken lässt noch vorankommt.
Eine Fahrt im frühen G hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Allein diese perfekte Rundumsicht von thronender Sitzposition aus, diese Konsequenz der Konstruktion, der spröde Charme des Nutzfahrzeug- Interieurs – ein markanteres Auto ist schwer vorstellbar.