Schwarz wird die Elektronik im Auto zu viel

AUTO BILD motorsport: Bei der Rallye Monte Carlo waren Sie Achter, beim WM-Lauf in Schweden sogar nur 13. – nicht gerade ein toller Auftakt zur Saison 2003 ... Armin Schwarz: Da wir zu beiden Rallyes gefahren sind, ohne vorher einen einzigen Kilometer zu testen, war besonders Platz acht bei der Monte gar nicht so schlecht.

Warum haben Sie nicht getestet? Weil die Verhandlungen über das Budget für 2003 zwischen der Hyundai-Zentrale in Korea und dem englischen Einsatzteam MSD ins Stocken kamen, hat uns das Geld für Tests gefehlt.

Wie geht's jetzt weiter? Beide Parteien haben sich geeinigt. Ich hoffe, das wird jetzt fix umgesetzt. Denn eines ist klar: Ich möchte so intensiv testen wie früher!

Warum sind Testfahrten vor einer Rallye so wichtig? Die heutigen World Rallye Cars (WRC) sind technisch an ihrem Limit, ohne optimale Abstimmung von Fahrwerk, Motor und Kraftübertragung hat man keine Chance. Nehmen wir zum Beispiel die Kraftübertragung: Wir haben drei elektronische Differenziale – vorn, in der Mitte und hinten. Alle lassen sich vielfach verstellen. In der Kombination ergibt sich so eine schier unbegrenzte Anzahl von Abstimmungsmöglichkeiten. Die richtige für die jeweils bevorstehende Rallye muss man während der Tests finden.

Sie sind einer der dienstältesten WM-Piloten. Wie kommen Sie mit der Elektronikflut zurecht? Wenn es nach mir ginge, könnte man auf den Gebieten der Elektronik in Antrieb und Motor zurückrüsten. Viel schlimmer finde ich allerdings die elektronische Überwachung, der wir Fahrer mittlerweile ausgesetzt sind. Unsere Trainingsautos sind mit einer satellitengestützten Geschwindigkeitskontrolle ausgestattet. Wenn ich schneller als 70 km/h fahre, geht der Alarm los. Zumindest im Training sind wir heute schon bei dem In-einer-Reihe-Fahren angelangt, das Walter Röhrl schon 1985 vorhergesagt hat.

"Testarbeit für andere gehört dazu"

Wie sehr frustriert es Sie, dass Sie oft langsamer sind als Ihr Teamkollege Freddy Loix? Gar nicht, weil ich weiß, woran es liegt. Freddy hat einen ganz anderen Fahrstil als ich. Er braucht ein stark untersteuerndes Auto (schiebt über die Vorderräder, d. Red.), wie es der Hyundai Accent momentan ist. Ich habe inzwischen eine Abstimmung gefunden, die zu meinem Fahrstil perfekt passen würde. Dazu müssten wir aber einige Dinge am Auto verändern, zum Beispiel die Stoßdämpfer. Dazu fehlte uns bisher das Geld. Ein zweiter Grund ist das System der Startreihenfolge in der WM. Wenn man einmal in der Tabelle hinten steht, kriegt man bei jeder Rallye die schlechten Startplätze. Dadurch erzielt man fast automatisch ein miserables Ergebnis, wird bei der nächsten Rallye wieder benachteiligt und so weiter. Aus diesem Teufelskreis kommt man nur sehr schwer heraus.

Welcher Ihrer bisherigen Teamkollegen hat den größten Eindruck bei Ihnen hinterlassen? Ganz klar Carlos Sainz, mit dem ich von 1990 bis 92 bei Toyota zusammen gefahren bin. Carlos ist ein unglaublich zielorientierter Mensch. Im Guten wie im Schlechten. Er hatte überhaupt kein Problem damit, eine Idee von mir zu akzeptieren, wenn er gemerkt hat, dass das Auto dadurch schneller wurde. Er hatte aber auch kein Problem damit, mir meine Reifen zu klauen, wenn ihm seine eigenen auf einmal nicht mehr gepasst haben.

Was war der Tiefpunkt Ihrer bisherigen Karriere? Das Jahr 1997, als ich mitten während der Saison auf ziemlich unfaire Art aus dem Ford-Team geflogen bin. Dafür verantwortlich waren Dinge außerhalb meiner Kontrolle, vor allem finanzielle Streitigkeiten. Seitdem verzichte ich auf einen Manager und fahre damit wesentlich besser.

Ärgern Sie sich, dass Sie oft Teams mit aufgebaut haben, die Lorbeeren dann aber andere geerntet haben, weil Sie das Team längst verlassen hatten? Nein, das ist Teil des Geschäfts.

Trotzdem sind Ihnen schon einige Chancen entgangen, weil Sie zum falschen Zeitpunkt das Team gewechselt haben. Das Dumme ist, man weiß immer erst hinterher, dass der Zeitpunkt falsch war. Beispiel: Ich habe 1993/94 geholfen, Mitsubishi an die Weltspitze heranzuführen. Das Team ist mit Tommi Mäkinen dann vier Mal in Folge Weltmeister geworden. Ich war da längst weg.

Warum? Weil ich mit VW einig war, den neuen Allrad-Golf zu fahren. Das Projekt wurde dann leider eingestellt.

Altwerden will Schwarz in Monte Carlo nicht

Bei der Rallye Deutschland im letzten Jahr hatten Sie einen schweren Unfall, bei dem auch zwei Rippen zu Bruch gingen. Berührt Sie so etwas mehr, seitdem Sie Vater sind? Nein. Wenn ich im Rallyeauto sitze, muss ich die Gedanken an meine Familie verdrängen. Erschreckt hat mich der Unfall aber. Es war das erste Mal, dass ich mir bei einem Crash wehgetan habe. Hoppla, dachte ich mir, ich bin ja doch nicht unverletzlich.

Wie reagierte Ihre Frau auf diesen Unfall, bei dem Sie mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Baum prallten? Erstaunlich gelassen. Sie weiß, dass Unfälle zur Rallye gehören.

Zurzeit leben Sie mit Ihrer Familie in Monte Carlo. Ist das ein Ort zum Altwerden? Eher nicht. Wir wollen unsere Tochter nicht in einer Stadt wie Monte Carlo großziehen. Ich glaube, als Kind verliert man hier zu schnell den Sinn für die Realitäten des Lebens.

Beinahe mehr Zeit als mit Ihrer Frau verbringen Sie mit Ihrem Beifahrer Manfred Hiemer. Wie verträgt sich ein Fitness-Fanatiker wie Sie mit einem starken Raucher? Wir haben ein Abkommen, dass im Auto nicht geraucht wird. Manfred nutzt aber jede Gelegenheit zum Aussteigen und Qualmen. Ich erinnere mich an einen Vorfall während des Trainings zur Safari-Rallye. Nach einem Reifenwechsel saß ich schon wieder hinter dem Steuer und wollte schnell weiter. Wer noch fehlte, war Manfred. Er stand im Busch und rauchte eine.

Haben Sie Angst vor der Rallye Türkei – oder vielmehr vor einem Krieg im Nachbarland Irak? Ich habe meine Lebensversicherung gefragt, wie sie die Sache sieht. Die Antwort lautete trocken: Im Kriegsfall zahlen wir nur, wenn eine Zusatzversicherung abgeschlossen wurde. Die würde für die Rallyewoche knapp 10.000 Euro kosten. Ich vertraue fest auf das Verantwortungsbewusstsein der FIA (der Motorsportweltverband, d. Red.). Sie werden die Rallye nur durchführen lassen, wenn für alle Beteiligten keine Gefahr besteht.