Durchkommen war alles. Die extrem harten Schotter-Wertungsprüfungen rund um die Touristenhochburg Marmaris sorgten für die höchste Ausfallquote bei einer WM-Rallye seit Jahren. Nur Toyota-Pilot Ott Tänak (30) machte alles richtig und feierte seinen dritten Sieg in Folge. „Mir war klar, dass hier nicht der Schnellste, sondern der Schlaueste gewinnt“, verpasste der Este den Konkurrenten nach der Zieldurchfahrt noch eine verbale Ohrfeige.
Nicht zu den Schlauesten zählten auf jeden Fall Tabellenführer Thierry Neuville (30) und Titelverteidiger Sébastien Ogier (34). Neuville musste seinen Hyundai vorzeitig mit völlig zerstörter Radaufhängung abstellen. Ogier konnte einen kleineren Schaden an der Radaufhängung seines Ford zwar noch mit Bordmitteln reparieren, rutschte aber wenig später von der Piste und musste ebenfalls aufgeben.
Drei Rallyes vor Saisonende hat Tänak damit Tabellenrang zwei erobert, sein Rückstand auf Neuville beträgt nur noch 13 Punkte. Der fünfmalige Weltmeister Ogier ist auf Rang drei zurück gefallen, zehn Punkte hinter Tänak. „Die Meisterschaft könnte noch ziemlich interessant werden“, blickte Tänak auf die nächste Runde in Großbritannien (4. bis 7. Oktober) voraus.
WRC
Ogier ist nur noch Dritter in der WM
Die Rallye Türkei zählte erstmals seit 2010 wieder zur WM, allerdings in einer anderen Gegend als vor acht Jahren. Die Schotterwege rund um Marmaris an der Türkischen Riviera erwiesen sich als das Brutalste, was die Weltmeisterschaft seit dem Ende der WM-Läufe in Kenia und Griechenland erlebt hatte. Die Fahrtzeit von Sieger Tänak mit knapp vier Stunden spricht Bände – die Rallye Finnland gewann er bei vergleichbarer Gesamtlänge bereits nach zweieinhalb Stunden. 
Tänak war am Ende der ersten Etappe nur Fünfter. Weil aber nach und nach alle vor ihm Platzierten in Schwierigkeiten gerieten – von mehr Reifenschäden, als die zwei erlaubten Ersatzräder beheben konnten, bis zu komplett ausgebrannten Fahrzeugen – schob sich der materialschonend fahrende Este im Yaris WRC (1,6-Liter-Turbomotor, rund 380 PS, Allrad) Platz um Platz nach vorne. 
Am Ende gewann er 22,3 Sekunden vor Teamkollege Jari-Matti Latvala (33), Toyota übernahm mit diesem Doppelsieg die Führung in der Marken-WM. Hyundai-Pilot Hayden Paddon wurde mit beinahe zwei Minuten Rückstand Dritter. Sensationell der Gesamtrang sechs von Routinier Henning Solberg (45) im vergleichsweise seriennahen Skoda Fabia R5 (1,6-Liter-Turbomotor, rund 285 PS, Allrad).
Auch Julius Tannert (28) wurde ein Opfer der Brutalo-Strecke. Der Sachse führte im Ford Fiesta R2 (1,0-Liter-Turbomotor, ca. 190 PS, Vorderradantrieb) beim Finallauf der Junior-WM anfangs das Feld an. Nach einem Überschlag bei geringer Geschwindigkeit konnte er zunächst weiterfahren. Eine Serie von drei Reifenschäden bedeutete dann aber auch für ihn das vorzeitige Aus – bei WM-Läufen sind grundsätzlich maximal zwei Ersatzräder erlaubt.

Von

Christian Schön