In der Kürze liegt die Würze

Wenige Typenbezeichnungen bei Autos machen Sinn. Beim RS 200 von 1985 schon: RS stand und steht heute noch bei Ford für die sportlichen Autos. Die 200 bezeichnet die gebauten Stückzahl. Es ist die Mindestanzahl, um den Allrader für die Gruppe B im Rennsport zu homologieren.

Für ein paar Stunden kommen wir in den Genuss von Fords Rallye-Auto mit kurzer Geschichte. Fast so kurz wie sein Radstand und seine Länge. Denn der Glanz des Rennwagens strahlte nur ein Jahr. Danach verlosch sein Strahlen wie das eines Kometen. Der Grund: Die Rennen der Gruppe B wurden verboten. Doch wie heißt es so schön? In der Kürze liegt die Würze.

Der zweisitzige Hochleistungssportwagen ist eine Kreuzung aus Formel-1- und Rallye-Technik: Selbsttragendes, verbindungssteifes Monocoque-Chassis mit zusätzlichen Verbundwerkstoffen, an das vorn und hinten je ein Stahlrohrahmen befestigt ist. Der Überrollkäfig ist in den A-Säulen integriert. Dazu gibt es Doppel-Dreiecks-Querlenker vorn und hinten und doppelte Schraubenfeder-Stoßdämpfer-Einheiten pro Rad. Lediglich Windschutzscheibe und Türen stammen aus dem Serien-Regal: sie gehören zum Sierra.

Motor mit Turbo-Power

Der Motor ist ein alter Bekannter aus diversen Touren- und Formel-2-Wagen der siebziger Jahre. Allerdings war er damals nicht so stark wie im RS 200. Die doppelte Nockenwelle, vier Ventile und zwei Einspritzdüsen pro Brennraum, Garrett-Turbolader und 230 PS besorgen den Druck, der ein flottes Vorankommen sichert. Und wir genießen es. Bei der Rennversion drückt der Turbo mit 1,2 bar Luft in die Brennräume und mobilisiert so bis zu 500 PS. Zumindest mit dem kleinen 1,8-Liter-Motor. Später, mit 2,1 Liter Hubraum, waren sogar bis zu 650 PS drin.

Der RS 200 fällt rein äußerlich durch seine großen, runden Glupschaugen, den wuchtigen Kotflügelverbreiterungen und der Plastik-Plexiglas-Heckklappe mit integriertem Heckspoiler auf. Man sieht beim Öffnen der Front- und Heckklappe, dass das Auto besonders servicefreundlich konzipiert wurde. So kann das Getriebe unter Wettbewerbsbedingung in rund zehn Minuten gewechselt werden. Der Mitteltunnel ist vom Wagenboden aus zugänglich und die Gelenkwellen können von unten ausgebaut werden.

Der Vierzylinder-Motor ist leicht zugänglich und kann in 1,5 Stunden getauscht werden. Ungewöhnlich wirkt der Ladeluftkühler auf dem Dach, doch dadurch hat er den besten Schutz bei Rallye-Einsätzen. Dass solche Features nicht ganz billig sind versteht sich von selbst. Ford verlangte 1985 für den Flitzer 92.500 Mark. Dafür bekamen die Kunden aber auch in der Straßenversion ein besonderes Extra: eine Plastikwanne als Kofferraumschale.

Sachlicher Innenraum

Pure Sachlichkeit herrscht im Innenraum: Der mittig angeordnete Drehzahlmesser gibt Auskunft über die anliegenden Umdrehungen des Mittelmotors, sofern sie der Fahrer nicht durch ein leichtes Säuseln und Zischen 30 Zentimeter hinter seinem Nacken spürt. Dämm-Material: Fehlanzeige. Dafür gibt die Ladedruckanzeige Gewissheit was der Rücken spürt: Voller Ladedruck bei 0,8 bar liegen jetzt an. Das tut gut, das vermittelt Sicherheit. Wie die engen Schalensitze mit feuerfesten Nomex-Bezügen. Die beruhigen noch mehr, sind doch zwei Treibstofftanks (73 und 41 Liter) hinter den beiden Sitzen montiert.

Das weitere Sammelsurium von Schalter, Hebeln und Uhren interessiert weiter nicht. Nur der Umschalter für das Getriebe, die schmale Pedalerie, und der kurze Stummel auf der Mittelkonsole mit den kurzen, sehr eng beieinander liegenden Schaltwegen. So eng, dass es manchmal kracht.

Der Clou beim RS 200 ist jedoch, dass der Pilot während der Fahrt von Heck- auf Allradantrieb umschalten und diesen noch untersetzen kann. Auf griffigem Asphalt ist der Hinterradantrieb am schnellsten, bei rutschigem Untergrund bietet der Allradantrieb (37 Prozent vorn, 63 Prozent hinten) die beste Traktion.

Umschaltbarer Antrieb

Das Umschalten des Antriebs war besonders für die Rallye-Sonderprüfungen gedacht. "Die Möglichkeit, je nach Straßenzustand zwischen Hinterrad- und Allradantrieb zu wählen, garantiert dem Piloten, dass er überall durchkommt", sagte der dreifache Formel-1-Weltmeister Jackie Stewart nach den ersten Testfahrten Ende 1984. Der RS 200 sollte von vornherein alles gewinnen, was es gibt.

Wir fahren auf Asphalt, da reicht zuerst der Heckantrieb. Da die Ford-Teststrecke nass ist, probieren wir den Vierradantrieb aus. Ja, das ist perfekt für den Stepptanz zwischen den Pylonen. Rollt der Wagen erst, bei drei Millimeter Kupplungsspiel nicht einfach, wird der Leichtfuß gierig nach Drehzahlen. Der Motor hängt kurz und direkt am Gas, pfeift leise röchelnd vor sich hin.

Auch ohne ABS, Fahrwerkskontrollen und kurzen Radstand lässt sich der Ford souverän fahren, den acht Stoßdämpfern und dem heruntergeschraubten harten Fahrwerk sei Dank – wir geben dem RS 200 die Sporen. Doch ein Blick durch das kleine Lederlenkrad zeigt: Da geht noch was, der rote Bereich beginnt erst bei 8500 Umdrehungen. Im leicht untersteuernden Drift geht es durch die Kurven auf die Gerade. Haben sich die Füße erst an die schmalen Pedale gewöhnt, gibt es keinen schöneren Tanz.

Technische Daten

Für Roman Bilan, selbst Besitzer eines RS 200, ist der Renner noch heute ein "absoluter Leckerbissen". Er war nach seiner Meinung den anderen Fahrzeugen total überlegen und das beste Auto der Serie. "Der RS 200 ist heute noch einer der schnellsten Autos auf der Straße – wenn der Fahrer ihn beherrschen kann", sagt der Autohändler aus Neidenbach bei Bitburg.

Wir stellen den RS 200 ab, lassen Motor und Turbolader noch ein wenig im Leerlauf verschnaufen, hören dem Ticken des heißen Metalls zu und geben Roman Bilan einfach nur vollkommen Recht.

Die kurze Karriere des RS 200

Der RS 200 sollte 1985 für Ford nach der "Knochen"-Escort-Ära die Rückkehr in den Rallye-Sport ebnen. Doch daraus wurde nicht viel, denn nach nur einem Jahr wurde die Gruppe B verboten. All die schönen Sachen wie Allradantrieb, Mittelmotor, Turbolader, geringes Gewicht und viel Leistung fielen weg. Der Grund: Die Rennautos – Konkurrenten waren Audi Sport Quattro, Peugeot 205 Turbo 16 und Lancia Delta S4 mit fast 500 PS – glichen Raketen ohne den heutigen Sicherheitsstandard. Für die Fahrer zum Teil unkontrollierbare Geschosse.

Nach mehreren schweren Unfällen, bei denen Piloten, aber auch Zuschauer starben, war es Ende 1986 aus mit der Gruppe B. Der werksunterstützte RS 200 bestritt deshalb nur wenige WM-Läufe. Die seriennahe Gruppe A gab dagegen den Ton an. Im Vergleich zur Gruppe B war das aber eher etwas für Mädchen. Für die Homologation in dieser Rennklasse musste Ford jedenfalls bis Februar 1986 200 Exemplare bauen, daher der Name.

Nur 78 der teuersten Serienautos, die Ford jemals gebaut hat, sahen die Schotterstrecke. Der Rest wurde im zivilen Straßenverkehr eingesetzt, so wie der von uns getestete Wagen. Heute existieren weltweit noch etwa 140 Ford RS 200, davon nur neun in Deutschland. Die Einzelanfertigungen sind schätzungsweise 150.000 Euro wert.