(dpa) Die Flensburger Verkehrssünderdatei soll gerechter und einfacher werden. Mit dem Ja des Bundesrats ist der Kompromiss nun endgültig beschlossene Sache. Greifen sollen die neuen Regeln zum 1. Mai 2014. Autofahrer in Deutschland müssen sich dann auf ein neues Punktesystem für schwere Verstöße am Steuer einstellen. Nach monatelangen Diskussionen machte der Bundesrat heute (5. Juli 2013) den Weg für einen Kompromiss frei, mit dem die Flensburger Verkehrssünderdatei nach mehr als 50 Jahren grundlegend umgebaut wird. Anstelle der jetzigen Skala von einem bis sieben Punkten gibt es künftig je nach Schwere des Vergehens einen, zwei oder drei Punkte. Der Führerschein wird bei acht statt bisher 18 Punkten entzogen.

Fragen und Antworten zur Reform der Verkehrssünderkartei

Wie viele Punkte gibt es künftig überhaupt?

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"Einfacher, gerechter und transparenter" solle das System werden, betonte Ramsauer. Als er Anfang vergangenen Jahres erste Pläne vorlegte, sprach der Autofahrerclub ADAC sogar von einer "Revolution in Flensburg". Mehrere Aspekte wurden dann aber geändert und wieder nachjustiert, nachdem sich auch tausende Bürger per Internetforum geäußert hatten. Die bisherige Skala von 1 bis 7 Punkten wird deshalb nicht so stark vereinfacht wie angedacht. Je nach Schwere des Delikts soll es nicht nur zwei, sondern zumindest drei Kategorien geben: also 1, 2 oder 3 Punkte. Der Führerschein ist dann bei 8 Punkten statt 18 Punkten weg. Der Deutsche Anwaltverein bedauert, dass die Möglichkeit der "feineren Unterscheidung der Vergehen" damit aufgegeben wird.

Was passiert mit den jetzigen Punkten?

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Eine Amnestie für die existierenden 47 Millionen Punkte gibt es nicht, sie werden prinzipiell umgerechnet. Da künftig im wesentlichen noch Verstöße erfasst werden sollen, die für die Sicherheit auf der Straße relevant sind, dürfte sich aber manches Sünderkonto leeren. Von den neun Millionen Bürgern mit Eintrag in Flensburg könnten wohl einige Hunderttausend ganz aus der Kartei verschwinden. Wegfallen soll etwa der eine Punkt fürs Fahren in Umweltzonen von Großstädten ohne vorgeschriebene Plakette - ausgerechnet "der einzige umwelt- und gesundheitsbezogene Strafpunkt", moniert die Deutsche Umwelthilfe. Dafür kostet dies dann 80 statt 40 Euro. Auch bei anderen Verstößen soll die Kombination aus Punkten und Geldbußen geändert werden.

Kann man Punkte noch loswerden?

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Um den "Punkterabatt" gab es bis zuletzt ein heftiges Tauziehen. Ramsauer wollte eigentlich Schluss damit machen, dass sich gerade Wiederholungstäter über freiwillige Seminare von Punkten "freikaufen" können. Die FDP fürchtete Härten für Berufsfahrer und setzte durch, dass die Möglichkeit bleibt. Auf Drängen des Bundesrats kann nun aber nur ein Punkt in fünf Jahren abgebaut werden – zunächst sollten es zwei sein. Die neu konzipierten Schulungen sollen gestrafft werden, damit sie nicht so teuer werden. "Ein Normalverdiener hätte sich nie 600 Euro leisten können, um sein Punktekonto zu vermindern", sagt SPD-Fraktionsvize Florian Pronold. Laut ADAC dürften statt der bisher üblichen 200 Euro künftig um die 400 Euro fällig werden.

Wie geht es weiter?

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Die elektronisch erfassten Punkte sollen pünktlich zum ersten Geltungstag am 1. Mai 2014 umgestellt sein. Bei älteren Einträgen, die noch in Papierakten stehen, beginnt die neue Zeitrechnung erst bei der nächsten Bearbeitung. Wer seinen reformierten Punktestand wissen will, muss sich übrigens selbst erkundigen, eine automatische Mitteilung gibt es nicht. Bewähren müssen sich die Regeln dann in der Praxis. Die Gewerkschaft der Polizei sieht allein durch einen solchen Verwaltungsakt keine spürbare Verbesserung der Sicherheit, wie der Vorsitzende Oliver Malchow sagt: "Solange das Risiko gering ist, bei dem Begehen einer Ordnungswidrigkeit oder einer Verkehrsstraftat erwischt zu werden, wird bei Verkehrsrowdys kein Umdenken einsetzen."
Bestehen bleibt eine Möglichkeit, über den freiwilligen Besuch von Schulungen einen Punkt innerhalb von fünf Jahren abzubauen, wenn man maximal fünf Punkte hat. Gespeicherte Punkte sollen jeweils separat verjähren. Eine Punkte-Amnestie gibt es nicht. Auf den Kompromiss hatte sich der Vermittlungsausschuss erst Ende Juni verständigt, nachdem die rot-grün dominierte Länderkammer das vom Bundestag beschlossene Gesetz gestoppt hatte. Mit dem Konzept soll das Punktesystem laut Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) einfacher, durchschaubarer und gerechter werden. Der Bundestag hatte die Änderungen kurz vor dem Bundesrat gebilligt.        

Geldbußen werden erhöht

In die Datei aufgenommen werden sollen künftig überwiegend nur noch Verstöße, die sicherheitsgefährdend sind. Dies hat auch Folgen für einen Teil der in Flensburg gespeicherten 47 Millionen Punkte. Gelöscht werden sollen Punkte für leichtere Ordnungswidrigkeiten, etwa das Fahren in einer Umweltzone ohne Plakette, für das es bislang einen Punkt gibt. Im Gegenzug drohen teils höhere Geldbußen. Die übrigen Punkte werden nach dem neuen System umgerechnet. So werden gefährliche Überholmanöver künftig mit einem Punkt statt mit zwei Punkten bewertet. Wer innerorts 31 bis 40 Kilometer pro Stunde zu schnell fährt, bekommt zwei statt drei Punkte. Bei einem Alkohol- Vollrausch am Steuer werden drei statt der bisherigen sieben Punkte fällig. Punkte verjähren künftig jeweils getrennt, und zwar je nach Schwere nach zweieinhalb, fünf oder zehn Jahren. Bisher verhindert jeder neue Verstoß, dass die erfassten Punkte insgesamt verschwinden.
Neu konzipiert werden Fahreignungsseminare, die pädagogische und psychologische Elemente kombinieren sollen. Auf Drängen des Bundesrats werden sie inhaltlich gestrafft. Dadurch sollen sie nicht wie erwartet bis zu 600 Euro teuer sein, nachdem bisher etwa 200 Euro fällig sind. Die Seminare sollen nach fünf Jahren überprüft werden. Zudem werden auch bestimmte nicht-sicherheitsrelevante Verstöße mit je einem Punkt in den Katalog aufgenommen, etwa Fahrerflucht nach Unfällen sowie das Zuparken von Feuerwehr- oder Rettungsausfahrten. Der ADAC begrüßte die Reform, die das System transparenter mache. Sie dürfe aber nicht dafür benutzt werden, das allgemeine Bußgeldniveau anzuheben. Der Auto Club Europa kritisierte: "Ein undurchschaubar kompliziertes System ist in ein nicht minder kompliziertes System transferiert worden." Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland beklagte, der Wegfall des Strafpunktes torpediere die Wirksamkeit von Umweltzonen. Die Gewerkschaft der Polizei erwartet keine spürbare Verbesserung der Verkehrssicherheit. Zentrales Problem sei zu wenig Polizeipräsenz.