Der Vorgänger gilt als legendär. Große Fußstapfen für den Renault Clio R.S. Ob er dem Vergleich standhalten kann, klärt der Gebrauchtwagen-Test.
Hoch drehender Zweiliter-Sauger, knackiges Sechsganggetriebe und ein Sahnefahrwerk. Mit dem zwischen 2006 und 2013 angebotenen Clio R.S. zeigten die Renault-Verantwortlichen, wie man Sportwagen-Freaks für sich gewinnt. Wie man sie wieder verprellt, demonstrierten sie ein paar Jahre später mit dem Nachfolger auf Basis des Clio IV. Die schicke Schale des 2013 debütierten R.S. konnte nicht über die konzeptionellen Defizite hinwegtäuschen. Ein verbrauchsoptimierter, aber etwas charakterloser 1,6-Liter-Vierzylinder mit Turbo ersetzte den herrlichen Sauger mit Drehorgelcharakter des Alten. Auch dem serienmäßigen Doppelkupplungsgetriebegeht der Sportsgeist ab, den die Sport-Freunde erwarten. Entsprechend sinken die Preise für junge R.S. stärker als für die älteren. Das macht den kleinen Franzosen für eine ganz andere Käuferschicht interessant: Liebhaber des Understatements. Diejenigen, die gerne viel Power unter der Haube haben, es aber nicht zeigen wollen. Das klappt gut, denn abgesehen von wenigen Details wirkt der 200-PS-Kleinwagen nicht viel wilder als ein Basis-Diesel der örtlichen Stadtwerke.
* Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist www.dat.de.
230 Sachen sind drin, Überholprestige gibt's aber nicht dazu
Video: Renault Clio RS (2020)
Mehr Power für den Sport-Clio
Klar, Dachspoiler, Schürzen und Auspuffanlage verraten den R.S. am Ende. Aber das erkennen nur Kenner. Den Besitzern bleibt der Genuss des Überraschungsmoments, wenn der Kleine unerwartet losspringt und in 6,7 Sekunden auf Tempo 100 spurtet. Mit etwas Anlauf sind am Ende sogar 230 Sachen drin. Wenn die anderen Platz machen. Überholprestige ist nicht gerade die Paradedisziplin französischer Kleinwagen. Komfort schon eher. Auch der Clio kann hier punkten. Die Sportsitze sind gemütlich, das Fahrwerk hart, aber nicht unbarmherzig. Einzig die aufpreispflichtigen 18-Zöller mit flachen 40er-Flanken sorgen für Unruhe. Was die Besitzer aber noch mehr aus der Ruhe bringen könnte, ist die dürftige Verarbeitung des Clio IV. Und hier kommen wir zum eigentlichen Problem der Baureihe. Schon ein Grandtour TCe 90 Luxe, der zwischen 2013 und 2016 den AUTO BILD-Dauertest hinter sich brachte, offenbarte mehrere Schwächen der Baureihe. So zeigte sich das Multimediasystem regelmäßig von seiner trägen Seite, indem die Rückfahrkamera erst hochgefahren war, als es schon wieder vorwärts ging, sich die Radiolautstärke nicht verstellen ließ, solange Navikarten geladen wurden – und der SD-Schacht des Richtungsweisers selbst auch mehrmals ausstieg und die Besatzung orientierungslos zurückließ.
Die Chrom- und Klavierlackeinlagen können nicht über die einfache Machart des Clio IV hinwegtäuschen. Die Materialien sind von der billigen Sorte.
Auch die Qualität des Innenraums erinnert eher an die Billigschwester Dacia. Die labberigen Fußmatten in Putzlappenstärke sowie der im Zeitraffer alternde Kofferraumteppich ernüchtern genauso wie die billigen und chronisch knatschenden Verkleidungsteile, deren einfache Kunststoffe zudem höchst kratzempfindlich sind. Vor allem aber die ständigen Windgeräusche, verursacht von mies eingepassten Türen, gehen gar nicht. Erst recht nicht, wenn es dann wie im Dauertest zieht. Weil auch noch ein Getriebe kaputtging, war der rote Kombi bei uns am Ende mit der Note 3– noch gut bedient. Ob ein R.S. besser abgeschnitten hätte? Schwer zu sagen. Zwar gilt die Antriebseinheit als robust, aber die hohe Leistung verleitet eben auch zu einem entsprechenden Fahrstil. Weil der wiederum zu einem stark erhöhten Verschleiß führt, müssen Gebrauchtkäufer besonders gründlich bei der Vorabbegutachtung sein. Es ist ein grundsätzliches Problem, dass potente Kleinwagen nur selten von seriösen älteren Herrschaften bewegt werden. Gesalzene Versicherungseinstufungen sind die logische Folge. Der junge Wagen vom Vertragshändler ist in Kombination mit einer weitreichenden Gebrauchtwagengarantie daher die beste Wahl. Individualisierte Tuningopfer, die mit Chiptuning noch heißer gemacht wurden, sollten nicht einmal in Erwägung gezogen werden. Der größte Feind des Clio R.S. aber ist hausgemacht. Sein Vorgänger. Der macht einfach noch mehr Spaß.
Rational ist dem Clio nicht viel vorzuwerfen. Wer sich mit der laschen Verarbeitung und dem etwas unschlüssigen Getriebe arrangiert, bekommt viel Power für wenig Geld. Nur eben keinen Wagen mit Kultpotenzial. Urteil: 3,5 von fünf Punkten.