"Schnuckelig", so das Fahrtenbuch, sei der Clio Grandtour, der das neue Renault-Design in schönster Form darstellt. Erst recht im Dezir-Rotmetallic des Dauertestwagens. So ein kleiner Kombi steht gemeinhin für puren Nutzwert in der elterlichen Pampers-Phase, bietet er doch auf der Fläche eines Golf mehr Kofferraum (443 bis 1380 Liter) zu familienfreundlichen Preisen: 20.240 Euro kostete der Clio Grandtour Luxe mit 90 Benzin-PS, inklusive Einparkhilfe "City-Paket" und Multimediasystem R-Link, das schon bald Ärger machte. Nach 8681 Kilometern fixierte der Kartenschacht die SD-Karte nicht mehr korrekt, woraufhin das Navisystem abstürzte. Zweimal musste Renault den Schacht auf Garantie austauschen, das Navi hatte trotzdem weiter seine Macken: Es stieg mitten in der Führung plötzlich aus, lag kilometerweit daneben oder nannte falsche Tempolimits. Manchmal funktionierte ein Trick: Karte raus, Karte rein. Manchmal half nur warten.

Bildergalerie

Renault Clio Grandtour TCe 90 Luxe
Renault Clio Grandtour TCe 90 Luxe
Renault Clio Grandtour TCe 90 Luxe
Kamera
Renault Clio Grandtour: Dauertest

Die Materialqualität steht im krassen Gegensatz zum Aussehen

Renault Clio Grandtour
Nervfaktoren: Klavierlack und das Markenlogo sorgten für störende Reflexion, am Lenkrad lauerten scharfe Materialkanten.
Das elektronische Geduldsspiel reihte sich nahtlos ein in eine Verarbeitung, die nach dem sympathischen Erstkontakt böse ernüchterte. "Der Clio sieht nach 30.000 km so verranzt aus wie andere nach Testende", schrieb Redakteur Christopher Clausen. Die Gurtzungen hinterließen hässliche Kratzspuren auf dem harten Plastik der Türverkleidungen, der Teppich im Kofferraum war stark abgenutzt – die Materialqualität stand im krassen Gegensatz zum Aussehen. Da hat Renault offensichtlich an der falschen Stelle gespart. Clausen: "Der Clio kommt dem billigeren Dacia Sandero leider viel zu nahe." Der Billigmarke Dacia? Was klingt wie ein böser Vorwurf, ließ sich am Testwagen mehrfach festmachen: So zog es ab 140 km/h teilweise empfindlich und laut durch Türdichtungen, am Lenkrad lauerten scharfe Materialkanten. Die Heizung musste stark aufgedreht werden, um den Innenraum halbwegs zu wärmen. Das blecherne Scheppern beim Türschließen und das laute Abrollgeräusch – in den Radhäusern mangelt es an Dämmung – zeigen, dass dem Grandtour der nötige Feinschliff fehlt.
Mehr zum Thema: Die Dauertest-Rangliste mit allen Testergebnissen

Viele Kleinigkeiten verspielen Sympathien

Renault Clio Grandtour
Die Sicht nach schräg hinten ist schlecht, eine Rückfahrkamera daher auf jeden Fall eine gute Idee.
Dazu kam eine Bedienung, die nur teilweise als französisch charmant durchgeht. Dass die Sicht nach schräg hinten bei diesem kleinen Designkönig eine Rückfahrkamera verlangt, sei dem Clio vergeben. Nicht jedoch der unnötig tief liegende Startknopf, der hektische Regensensor oder die Temperaturanzeige, die unter drei Grad in Dauerblinken verfällt. Beim Tanken klickt die Zapfpistole schon, wenn noch weitere elf Liter hineinpassen, und das Nachfüllen von Wischwasser dauert wegen der kleinen Öffnung Minuten. Mit solchen Kleinigkeiten hatte der Renault viele Sympathien verspielt, als unser frankophiler Kollege Frank B. Meyer forderte: "Schreibt mal was Gutes!" Gern, da gab es genug, angefangen bei den bequemen Sitzen bis zur praktischen Ablage überm Handschuhfach. Die Handbremse ist im Clio noch ein echter Hebel! Das Schließsystem mit der Startkarte, das automatisch öffnet oder verriegelt, empfanden viele Tester als genial – bis Kollege Claudius Maintz die Sicherheitsschwachstellen von Keyless Go enthüllte.
Im Überblick: Alles Infos zum Renault Clio Grandtour

Der Dreizylinder stellt nur sanfte Gasfüße zufrieden

Viele Fahrer rieben sich an dem ungewöhnlichen Dreizylinder mit nur 898 Kubikzentimetern, der dank Turbolader 90 PS leistet und im Twingo ein Feuerwerk abfackelt. Einer dieser modernen Hubraumzwerge, die auf dem Papier wahre Sparwunder vollbringen (Normverbrauch: 4,5 Liter/100 km), im Alltag aber zumindest Gewöhnung verlangen. Dieser Motor liefert nur sanften Gasfüßen gefühlt genug Leistung. Bei voller Beladung oder beim Auftauchen des ersten Hügels am Horizont kommt der 1155 Kilo schwere Clio arg ins Keuchen, wozu die lange Übersetzung des Fünfganggetriebes ihren Teil beiträgt. Wer nun versucht, dem TCe 90 etwas Feuer abzuringen, erntet Verbräuche mit einer Acht vorm Komma. Im Testschnitt waren es am Ende 7,7 Liter.
Es klappert die Mühle ...
Kilometer 50571: Das Getriebe verhagelt die Dauertest-Note. Ein Tausch zur Halbzeit ist unumgänglich.
Immerhin überstand der Motor den Dauertest ohne erkennbaren Verschleiß, wie DEKRA-Sachverständiger Günther Schiele bei der Zerlegung bestätigte. Zu diesem Zeitpunkt hatte das erste Getriebe schon längst schlappgemacht. Ab rund 35.000 Kilometern fanden sich immer mehr Einträge, dass die Gänge beim Einlegen hakeln. Als bei Tachostand 50.571 auch noch Klappergeräusche jeden Schaltvorgang begleiteten, rollte der Clio vorsichtshalber in die Werkstatt, wo Renault auf Nummer sicher ging: Die Schaltbox wurde ausgetauscht. Die spätere Diagnose ergab, dass ein defektes Kugellager schon böse Kratzspuren hinterlassen hatte und ein Totaldefekt kurz bevorstand. Mit diesem kapitalen Schaden war dem Clio seine Dauertestnote bereits kräftig verhagelt. Ein Getriebeschaden bedeutet bei AUTO BILD 20 Punkte und bestenfalls eine 2 minus im Abschlusszeugnis, womit der Kombi schon nicht mehr die 1 minus erreichen konnte, die der Dacia Lodgy erzielt hatte – pikanterweise ein Auto der Billigtochter Dacia. Spätestens da war Schluss mit schnuckelig.Oben in der Bildergalerie erfahren Sie, was während des Tests und bei der Demontage des Testwagens nach Erreichen der 100.000 Kilometer außerdem aufgefallen ist. Den vollständigen Artikel mit allen Daten und Tabellen gibt es im Online-Artikelarchiv als PDF-Download.

Fazit

von

Manfred Klangwald
Schöne Hülle, schwacher Kern. Was sein Design verspricht, kann der Clio im Alltag nicht halten: störanfällige Elektronik, einfache Materialien und als Gipfel ein defektes Getriebe. Die Qualität muss besser werden, Renault liegt derzeit deutlich hinter Koreanern und Deutschen. Die Franzosen können es doch, wie Rostvorsorge und Motorverschleiß beweisen.

Von

Manfred Klangwald
Joachim Staat