Freiheit und Gleichheit – die Grundwerte der französischen Republik können die Neuen bei Renault problemlos vorleben: Scénic und Kadjar haben eine ähnliche Größe, gleiche Motoren und kuscheln sich auch beim Preis nahe aneinander. Doch beim dritten Wert, der Brüderlichkeit, hört’s dann auf. Denn der Van spricht die gleichen Käufer an wie sein Bruder, und das sogar mit der gleichen Masche: Bonjour, hier kommt der schicke, trendige Hochsitz. Van gegen SUV – ein Streit, der uns freut.

Der Kadjar setzt ganz auf die modische SUV-Optik

Renault Kadjar
Technik-Bruder: Der Kadjar steht auf der Basis des Nissan Qashqai – und zeigt deutlichen Offroad-Look.
Der Kadjar, 2015 vorgestellt, sendet eindeutige Signale: breite Schultern, steile Frontscheibe und hohe Sitzposition – das ist Offroad-Look, einer vom Schlage VW Tiguan oder Nissan Qashqai, der die Technik liefert. Doch die modischen Blechmuskeln hat auch der Scénic drauf, der zudem auf großen 20-Zoll-Rädern vorfährt. Dagegen sehen die 17-Zöller am Kadjar aus wie kleine Kutschenräder. Mit den Türen öffnet der Van eine ganz andere Welt. Luftig dank der weit nach oben reichenden Frontscheibe, hochwertiger in Materialien und Verarbeitung, zumindest nach vorn übersichtlicher wegen der schmalen Dachpfosten. Man lehnt sich entspannter zurück, auch weil der Scénic, den unsere französischen Kollegen von AUTO PLUS testeten, auf den großen R-Link-Monitor verzichtet, der uns so oft ärgert. Stattdessen klare Knöpfe, keine Klagen. Na also, geht doch, zumal das rustikale Kadjar-Cockpit einfacher wirkt. Dafür ist das SUV im Fond überraschend geräumiger.
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Beim Platzangebot im Fond gibt es eine Überraschung

Renault Scénic
Der Scénic ist hinten enger als der Kadjar, weil er seinen Platz verschenkt – da hilft nur die Langversion.

Wie bitte, der Van enger? Ja, weil im Scénic der Platz – trotz längs verschiebbarer Rückbank – irgendwo flöten geht und die Knie an die aufklappbaren Tabletttische stoßen. Dafür schmeicheln im Van wieder die französischen Verwöhnerchen wie Glasdach, Bodenfächer oder Lüftungsdüsen, zudem hat der Scénic den größeren Kofferraum. Und für 1300 Euro extra noch einen Nachschlag in petto: Der 4,64 Meter lange Grand Scénic kommt mit maximal 1901 Liter Laderaum fast schon auf Busformat. Unter der Haube können die Brüder ihre Verwandtschaft nicht verhehlen. Gleiche Motoren, gleiche Getriebe, nur den Allradantrieb mit dem 130-PS-Diesel hat der Kadjar exklusiv. Exakt diesen Motor haben wir für den Vergleich gewählt, allerdings mit Frontantrieb. Dann zieht das 120 Kilo leichtere SUV an der Ampel spürbar flotter los, beim Verbrauch tun sich beide wenig. Die 320 Nm Drehmoment machen beim Überholen gelassen, auch wenn die Fuhre mal voll beladen ist.
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Vom laufruhigen Diesel ist wenig zu hören allerdings pfeift der Wind ab 100 km/h lauter um den Scénic herum. Obwohl die beiden Renault eher die Gelassenheit hinterm Steuer fördern, fühlt sich das Fahren deutlich anders an. Unverkennbar das gemütliche SUV-Thronen im Kadjar: Mit viel Gewicht auf der Vorderachse fährt er lieber geradeaus als um enge Kurven, wo seine schwere Nase nach außen drängt. Auf solchen Strecken überrascht der Scénic, so eine direkte und feine Lenkung kannten wir von Franzosen-Vans bisher nicht.

Beim Preis liegen die beiden nicht um Welten auseinander

Renault Kadjar Renault Scénic
Noch ist der Scénic ein wenig günstiger als der Kadjar, aber für das SUV wird es bald Rabatte geben.
Nur wendiger sollte er sein, denn in der Stadt zirkelt der Kadjar nicht nur handlicher (10,7 Meter Wendekreis) um die Verkehrsinseln, seine grauen Stoßfänger schützen auch günstiger bei Parkrempeleien. Außerdem bremste der SUV bissiger. Gut zu wissen, weil der Scénic alle Vorteile der neuen Renault-Familie mitbringt. Notbremsassistent und Verkehrszeichenerkennung sind schon ab Basis Serie, in teureren Versionen hat er zudem jeweils ein paar Nettigkeiten mehr an Bord – auch wenn die einzelnen Pakete leicht anders geschnürt sind. Bei Wartungsintervallen und den vorbildlichen fünf Jahren Garantie (VW-Käufer müssten da rot werden) zeigen die Renault-Brüder wieder vorbildliche Égalité. Zumindest bis es zum Kauf kommt. Denn in den offiziellen Preislisten liegt der neue Scénic je nach Ausstattung noch ein paar Hundert Euro günstiger als der Kadjar – doch wollen wir wetten, dass das SUV unter Rabattdruck kommen wird? In den Showrooms ist's nämlich vorbei mit der Brüderlichkeit, aber das ist ja das Schöne bei Renault. Wo sonst liegen Van und SUV so nah beieinander?
Technische Daten Renault Kadjar dCi 130 • Motor: Vierzylinder, Turbo, vorn quer • Hubraum: 1598 cm³ • Leistung: 96 kW (130 PS) bei 4000/min • max. Drehmoment: 320 Nm bei 1750/min • Vmax: 190 km/h • 0–100 km/h: 9,9 s • Antrieb: Vorderradantrieb, Sechsganggetriebe • Tankinhalt: 55 l • L/B/H: 4449/1836/1604 mm • Kofferraum: 472-1478 l • Leergewicht: 1490 kg • EU-Mix: 4,3 l Diesel/100 km • Abgas CO2: 113 g/km • Preis ab 27.190 Euro.
Technische Daten Renault Scénic dCi 130 • Motor: Vierzylinder, Turbo, vorn quer • Hubraum: 1598 cm³ • Leistung: 96 kW (130 PS) bei 4000/min • max. Drehmoment: 320 Nm bei 1750/min • Vmax: 194 km/h • 0–100 km/h: 11,4 s • Antrieb: Vorderradantrieb, Sechsganggetriebe • Tankinhalt: 52 l • L/B/H: 4407/1866/1645 mm • Kofferraum: 506-1554 l • Leergewicht: 1615 kg • EU-Mix: 4,5 l Diesel/100 km • Abgas CO2: 116 g/km • Preis ab 28.490 Euro.

Fazit

von

Joachim Staat
Haben wir schon über Geschmack gesprochen? Tun wir auch nicht, weil der Scénic so viel SUV mitbringt wie kein Raumauto zuvor. Im Vergleich ist er der hochwertigere, luftigere, modernere Renault, der Kadjar der flottere, kernige Typ. Den Rest entscheidet - richtig - der Geschmack!

Von

Joachim Staat