AUTO BILD ist den Renault Twizy F1 gefahren. Dank KERS-Technologie aus der Formel 1 hat der Wagen fast sechsmal so viel PS wie der normale City-Flitzer.
Da, wo in einem gewöhnlichen Auto der Zündschlüssel steckt, befindet sich im Renault Twizy Sport F1 nur ein silberner Taster. Klick! Sofort ertönt ein lautes Brummen. Von wegen E-Autos sind leise. Der Twizy Sport F1 beweist das Gegenteil und klingt wie eine Waschmaschine mit Lagerschaden. Dann streckt der Mechaniker drei Finger in die Luft und zählt: drei, zwei eins, go – Gaspedal durchtreten und die Paddel des Formel-1-Lenkrades ziehen. Ansatzlos springt der Twizy nach vorn und pfeift jetzt wie ein leckgeschlagener Hochdruckkessel über den Asphalt. 40, 70, 90 km, die Tachoziffern kommen kaum mit. Nach sechs Sekunden ist er auf Tempo 100. Der direkt daneben mit qualmenden Vorderädern gestartete Megané RS schießt jedenfalls einige Zehntel später über die Ziellinie.
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Renault Twizy im Test
Dank KERS-Technologie kommt der Twizy Sport F1 auf 97 PS. Der Spaß dauert aber nur 14 Sekunden.
Na ja, vielleicht hat der Renault-Werksfahrer nicht alles gegeben, um der kleinen Elektro-Rakete nicht die Show zu stehlen. Völlig unnötig, denn mit welcher Gewalt der Renn-Twizy loszischt, dürfte selbst die größten Elektro-Skeptiker überzeugen. Genau das war das Entwicklungsziel. Mitte 2012 hockten ein paar Renault Formel 1-Ingenieure zusammen, als einer von ihnen die Runde aufheitern will: "Warum gibt es den Twizy nicht mit KERS?", fragt er. Gelächter. Doch aus Spaß wurde Ernst. Und dieser Ernst brummt gerade furchterregend hinterm Fahrer. Wo im Twizy eigentlich der Beifahrer hockt, sieht es jetzt aus wie beim Tuningtreffen der Auto-HiFi-Fans. Unter Plexiglas stecken Kabel und E-Komponenten mit Hochvolt-Warnaufklebern. Die Ingenieure haben das KERS-System aus der Formel 1 direkt in den Twizy übertragen. KERS steht für "Kinetic Energy Recovery System" und versorgt die Dienstboliden von Sebastian Vettel und Co mit elektrischer Zusatzpower. Mit dem Strom-Doping können die F1-Fahrer ihre Gegner überholen oder sich entscheidend von ihnen absetzen. Die Motor-Generator-Einheit ist nur so groß wie eine Bockwurstdose, wiegt fünf Kilo, leistet aber 80 PS. Über eine Welle ist dieser explosive Sprengsatz direkt mit dem regulären E-Motor des Twizy verbunden, so dass sich eine Gesamtleistung von 97 statt 17 PS ergibt. Zusammen mit den Lithium-Ionen-Akkus und der Kontrolleinheit steigt das Twizy Leergewicht um 100 auf 560 Kilo.Noch beeindruckender als sofort mit aktiviertem KERS-System zu starten wirkt es, mit 17 PS anzufahren und erst bei Tempo 50 die Zusatzpower abzurufen. Ein gewaltiger Kick. Ohne Vorwarnung. Ohne jeden Anlauf. Einfach so. Dieser Twizy hat keine Zündschnur, sondern schlägt ein wie der Blitz. Der Tritt in den Rücken fällt derart heftig aus, dass der Helm gegen die Kopfstütze knallt und der Blick verschwimmt. Wahnsinn, was aus der Würstchenbüchse rauskommt. Nur einen Haken hat der lustige Elektro-Baukasten aus dem Hause Renault: Der E-Boost reicht gerade einmal für 14 Sekunden. Wie in der Formel 1 eben. Zwei mal Vollgas und der Twizy ist leer wie ein Freibad im Januar. Grand Prix-Boliden können Bremsenergie in Strom umwandeln und abspeichern. Der Twizy kann das nur sehr bedingt und muss an die Steckdose samt aufwendigem Kühlsystem, um Strom zu ziehen. Technische Daten Renault Twizy Sport F1: Elektromotor • Leistung 13 kW (17 PS) • KERS-System, plus 80 PS (verfügbar für je 14 Sekunden), Gesamtleistung bis zu 72 kW (97 PS) • wassergekühltes Batteriesystem • Hinterradantrieb • Länge/Breite/Höhe 2,60/1,49/1,45 m • Leergewicht 564 kg • Leistungsgewicht 5,8 kg/PS • 0–100 km/h ca. 6,0 s • Spitze 110 km/h • Preis: circa eine Million Euro.
Renn-Technik für die Straße, damit begründen die Autobauer immer gerne das teure Engagement in der Formel 1. So wie Renault. Richtig ernst gemeint ist das nicht, aber trotzdem schön, dass die Franzosen uns diesen Spaß gönnen und ein Blick auf die Elektro-Zukunft bieten.
So sieht sie aktuell aus, die bezahlbare Elektro-Mobilität: Der Renault Twizy ist weniger ein Vollwert-Auto, sondern vielmehr ein interessantes Konzept – und bereits ab 7690 Euro zu haben. Was der kleine französische Stromer taugt, klärt ein erster Test.
Bild: Uli Sonntag
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Schon die Zulassungsunterlagen vermerken, es sei ein "vierrädriges Fahrzeug bis 550 kg". Verstehen wir Twizy also als neue Form der Mobilität, die andere Bedürfnisse als ein Erstauto erfüllt.
Bild: Uli Sonntag
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Nabelschnur zur normalen Steckdose: Drei Meter Kabel ziehen sich selbsttätig hinter die kleine Bugklappe zurück.
Bild: Uli Sonntag
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Dass es für den zweisitzigen Zweireiher zwei Türen gibt, erscheint als Luxus. Ist es auch, denn die nach vorn hochklappenden Portale kosten 590 Euro extra, ...
Bild: Uli Sonntag
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... und sie bedecken Twizys Profil nur unvollständig, selbst ein KTM X-Bow wirkt da züchtiger bekleidet.
Bild: Uli Sonntag
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Den Rücksitz vergessen wir gleich. Die enorm unbequeme Sitzschale, der kletterige Zustieg und die klaustrophobische Enge mag man eigentlich keinem zumuten.
Bild: Uli Sonntag
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Zumindest muss sich der Fahrer nicht vorwerfen lassen, es viel bequemer zu haben. Der nur längs verstellbare, atmungspassiv, aber wasserfest bezogene Monositz ist hart gepolstert und anatomisch herausfordernd geformt, ...
Bild: Uli Sonntag
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... doch die zentrale Aussicht von dort ist bemerkenswert. Schmale Dachsäulen und die große Frontscheibe ermöglichen beste Sicht voraus, ...
Bild: Christian Bittmann
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... durch die transparenten Türteile lassen sich sogar die Vorderräder betrachten.
Bild: Uli Sonntag
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Rangieren freilich erschwert der Verzicht auf eine Heckscheibe.
Bild: Uli Sonntag
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Nichts für kleines Gepäck: Hinter die schlossgesicherte Rücksitzlehne passen 31 Liter. Das hatten einst US-Cars als Hubraum.
Bild: Uli Sonntag
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So funktioniert der Twizy: Fangen wir ganz vorn an, denn da positionierten die Entwickler das Ladegerät, das die 6,1 kWh Kapazität des luftgekühlten Lithium-Ionen-Akkus in 3,5 Stunden komplett auflädt. Der Akku selbst sitzt längs unter den Sitzen, senkt so den Schwerpunkt.
Bild: Werk
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Die Batterieenergie wird von der Leistungselektronik für den 13 kW (18 PS) starken Elektromotor angepasst. Quer hinter dem Rücksitz eingebaut, treibt der Motor über ein Untersetzungsgetriebe die Hinterräder an. Am Antriebsstrang konstruierten übrigens Entwickler von Renaults Formel-1-Abteilung mit.
Bild: Werk
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Los geht's: Schlüssel auf Start, Wähltaste D drücken, Fuß von der Bremse, Fahrpedal treten, und Twizy surrt sacht los – alles so leicht zu bedienen wie ein iPod Shuffle.
Bild: Uli Sonntag
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Alle Fahrsicherheitstests meistert das schmalspurige Gefährt trotz des bemangelnswerten Verzichts auf ESP sorgenlos, wärmt dabei das Fahrerherz mit fixem Handling.
Bild: Uli Sonntag
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Die servolose Lenkung spricht direkt und präzise an, Kurven umzirpt Twizy mit minimaler Seitenneigung und geringer Untersteuertendenz, ...
Bild: Uli Sonntag
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... aber wenn jetzt wieder einer schreibt, der Renault führe sich wie ein Kart, zeigt das nur, dass derjenige nie mit einem Kart fuhr.
Bild: Uli Sonntag
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Bestenfalls der Fahrkomfort lässt sich mit einem Kart vergleichen. Eine Federung ist anwesend, bleibt aber vorwiegend untätig. Was angesichts der Wind-Regen-Kälte-Problematik aber das vernachlässigbarste Komfortdefizit darstellt.
Bild: Christian Bittmann
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Mit dem Temperament eines gänzlich unfrisierten 80er-Rollers wuselt Twizy locker im Stadtverkehr mit, stromert bei Bedarf noch ein wenig über Land, ...
Bild: Christian Bittmann
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... rekuperiert dabei im Schiebebetrieb nur schwach, bremst aber energisch, allerdings ohne ABS. Autobahnfahrten verbieten sich wegen der auf 80 km/h limitierten Höchstgeschwindigkeit.
Bild: Christian Bittmann
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Dass Twizy nur für den Nahbereich gedacht ist, zeigt zudem die knappe Reichweite von 71 km im Test. Auf 100 km gerechnet liegen die Energiekosten übrigens bei rund 2,20 Euro – mit Ökostrom, ...
Bild: Uli Sonntag
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... denn nur so ergibt ein E-Mobil überhaupt Sinn. Und der Sinn des Twizy? Als Auto unbrauchbar, doch als Revolution unersetzlich.
Bild: Christian Bittmann
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Das Fazit von AUTO BILD-Redakteur Sebastian Renz: "Die von vielen so lange herbeigebrüllte Elektromobilität ist in der Realität angekommen. Denn so wird sie aussehen, soll sie bezahlbar sein. Ein Volvo C30 Electric für rund 1500 Euro Monatsleasing und selbst ein E-Smart für 25.000 Euro ...
Bild: Christian Bittmann
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... wird Elektrofahren niemals massenmarktmöglich machen. Deswegen lässt sich Renaults Twizy auch nicht mit den Maßstäben eines normalen Autos messen, will das Gefährt auch nicht. Da fiele das Urteil verheerend aus – ohne ABS, ESP, mit einem Seitenaufprallschutz stabil wie ein Schokoriegel, ...
Bild: Christian Bittmann
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... ohne jeden Federungskomfort, zugig, eisig im Winter, hitzig im Sommer. Aber kaum jemand wird Twizy als Erstfahrzeug bewegen. Als Zweitwagenersatz dagegen ergibt das Konzept Sinn. In der Stadt wuselt Twizy mit dem Strom, bietet Platz für einen mit etwas Gepäck oder kurz mal für zwei Idealgewichtige."