Rentnerautos: Gebrauchtwagen-Test
Sechs Rentnerautos im Test

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Rentnerautos mit niedriger Laufleistung sind der Traum aller Gebrauchtwagenkäufer. Zu Recht? Oer überwiegen in Wahrheit die Standschäden? AUTO BILD hat sich mal umgeschaut!
Autos aus Rentnerhand gelten auf dem Gebrauchtwagenmarkt oft als Volltreffer. Sie standen meist nur in der Garage herum und haben entsprechend wenig Kilometer auf der Uhr. Außerdem wurden sie stets liebevoll gehegt und gepflegt. Wartungsstau ist ein Fremdwort. So ist zumindest ihr Ruf. Aber stimmt das wirklich? AUTO BILD hat sich sechs Kandidaten mal genauer angesehen!
Volvo 340 GL: Skurriler Außenseiter für Individualisten
Es erinnert ein wenig an einen gestressten Staubsauger, wenn die Variomatic den Motor des Volvo 340 aufheulen und dann bei konstant hoher Drehzahl lärmen lässt. Schleift die Kupplung? Nein, das gehört so. Dafür überzeugt der Riementrieb im Stadtverkehr, wo es völlig ruckfrei läuft. Mit perfekter Traktion übrigens, denn der 340 setzt auf die sportliche Transaxle-Bauweise: Motor vorn, Getriebe und Antrieb hinten. So entsteht eine ideale Balance, und der schrullige Volvo schießt schneller durch die Kurve, als Vorurteile folgen können. Auch schneller, als man es dem 1,4-Liter-Motörchen mit 68 PS zutrauen würde. Das Aggregat ist eine Leihgabe von Renault und schiebt den kleinen Schweden erstaunlich vehement an. Schweden? Nö, der 340 kommt aus Holland. Da nämlich lief er als direkter Nachfolger des DAF-Volvo 66 vom Band. Nichts für Markenfans, das Gros der Neukäufer war aber eh im Rentenalter. Von so einem hat auch Peter Hesseler sein spätes 1990er-Exemplar gekauft. Nur 57.000 Kilometer sind über all die Jahre zusammengekommen. Trotzdem will Hesseler sich trennen. Warum? Er lächelt und zeigt in die Garage. Da steht ein früher Lancia Delta. Noch so ein Exot.Fazit: Der Volvo 340 ist überaus solide, die Variomatic macht Spaß. Optik und Charakter kann man nur lieben oder hassen. Urteil: drei von fünf Punkten.
Opel Omega A Caravan: Der weiße Riese bekommt Flecken
Als sich kein günstiger Gebrauchter finden ließ, hatten die Großeltern ein Einsehen und überließen Sabrina (22) ihren 1993er Opel Omega. Der große Kombi war in den letzten Jahren längst zum Stehzeug verkommen und wurde nicht mehr benötigt. Die überschaubaren 63.000 Kilometer sammelte er in frühen Jahren. Das merkte auch Sabrina, die bald kräftig in die Beseitigung von Standschäden investieren musste. Nachdem er fit gemacht worden war, erstaunten sie die Hipsterqualitäten des einstigen Spießers. "Auf jedem Parkplatz werde ich auf den Wagen angesprochen", wundert sich die Bremerin. Damit ist es jetzt vorbei. Nachdem der Opel seine Pflicht erfüllt hat, sucht sie für den kommenden Oldie nun nach einem Liebhaber – den dürfen ein paar erste Rostflecken auf der weißen Blechweste aber nicht stören.Fazit: Der Omega A ist längst eine Rarität geworden. Riesig, praktisch, ökonomisch. Nur leider auch rostanfällig. Urteil: drei von fünf Punkten.
Ford Fusion: Der war nicht cool genug

Der Coolness-Faktor lässt zu wünschen übrig. Aber die Landkundschaft weiß die praktischen Talente des kantigen Kölners zu schätzen.
In Motala, einer kleinen Stadt am See in Südschweden, war dieser beige Saab 99 lange 47 Jahre zu Hause. Immer bei einem zum Schluss ziemlich alten Herren. Vielleicht in einem roten Holzhaus wie bei "Pettersson und Findus". Im Gegensatz zu dem chaotischen Kinderbuchhelden mit seinem schlauen Kater dürfte der Saab-Besitzer aber eher von der besonders ordentlichen Truppe gewesen sein. Gut gefettet und wie aus dem Ei gepellt steht der Zweitürer da. Kleinere Steinschläge wurden penibel ausgetupft, alle Rechnungen akribisch archiviert. Nicht mal die werksmäßigen Folien auf den Fußraumteppen entfernte der Mann. Bei so viel Pflege blieb anscheinend nicht viel Zeit zum Fahren – jungfräuliche 73.000 Kilometer zeigt der Tacho, gerade mal 1500 pro Jahr. In der schwedischen Provinz ist das nichts. An mitteleuropäisches Klima muss sich der Nordländer erst noch gewöhnen, noch hüstelt und verschluckt sich der 86 PS starke Triumph-Motor. Richtig gelesen: Aus Mangel an einem eigenen Viertakter bedienten sich die Schweden notgedrungen bei der Konkurrenz. Viele so gut erhaltene und originale Saab 99 gibt es nicht mehr. Vor allem nicht mit der originalen Schutzfolie.Fazit: Ein Probesitzen in diesem Saab gleicht einer Zeitreise. Ein beeindruckendes Stück schwedische Automobilgeschichte. Urteil: vier von fünf Punkten.
Mazda Premacy: Parksensoren hätten ihn gerettet
Tolle Variabilität, viel Platz, solide Technik. Kein Wunder, dass der zwischen 1999 und 2005 bei uns verkaufte Kompaktvan Mazda Premacy viele Fans fand. Kein Leidenschaftskauf, aber einer, der lange glücklich machen kann. Besonders wenn der erste und einzige Besitzer wie in diesem Fall in 16 Jahren nur 47.000 Kilometer zusammenfuhr. Entsprechend gepflegt wirkt der Innenraum, grobporig das Lenkrad und straff die Sitze. Man kann Tachos manipulieren, niedrige Laufleistungen aber spürt man sofort. Fahrerisches Unvermögen dagegen sieht man hier besonders deutlich. Tiefe Beulen zieren die Beifahrerseite, fortschreitender Rost die angestoßenen Radläufe. Angesichts der geforderten 1899 Euro Kaufpreis absolut okay. Nur mit der Liebe für den Premacy will es auf einmal nicht mehr so recht klappen.Fazit: Als billiges Arbeitstier ist der Mazda okay. Für mehr ist sein Gesamtzustand leider zu schlecht. Urteil: 2,5 von fünf Punkten.
Ein Prospekt, der schon häufig durchgeblättert wurde, eine sorgfältig studierte und mit Häkchen und Notizen versehene Preisliste sowie ein jungfräulicher alter Fahrzeugbrief mit nur einem Haltereintrag. Bei diesem Audi 100 2.0 E Automatik scheint jedes Rentnerklischee zu stimmen. Dazu passt auch das sorgsam durchgestempelte Scheckheft. Doch was ist das? Der Vorbesitzer ist 1966 geboren und war um Zeitpunkt des Kaufs gerade mal 25 Jahre alt! Wer hatte in dem Alter das Geld für einen neuen Audi 100? Und vor allem: Wer, der das Geld hatte, wollte so einen Rentnerschlitten? Um ihn dann in den folgenden 28 Jahren nur 63.000 Kilometer zu bewegen? Zumal der laufruhige, aber eher faule Zweiliter in Verbindung mit der trägen Automatik nicht gerade die meist dynamischen Ambitionen dieser Altersklasse trifft. Egal, Käufern soll es recht sein. Hier steht ein selten gewordener Audi 100 der Baureihe C4. Gepflegt wie ein Rentnerwagen, nur ohne die obligatorischen Einparkrempler. Frei von Kratzern und Rost, spätere Klassiker-Karriere nicht ausgeschlossen. Die fehlende Ausstattung stört nicht. Jedenfalls so gut wie nicht. Die Zentralverriegelung hätte ruhig drin sein können.Fazit: Selten gewordenes Langzeitauto mit Entspannungsgarantie und besonderer Historie. Der Preis ist dennoch optimistisch. Urteil: 3,5 von fünf Punkten. In der Bildergalerie zeigt AUTO BILD Rentnerautos mit niedriger Laufleistung!
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