Sie kennen das: nach Feierabend noch schnell im Supermarkt einkaufen. Sachen in den Kofferraum, raus aus der Parklücke. Der Rückwärtsfahr-Pieper piept noch ganz leise und langsam. Noch. Rums! Schon ist es passiert. Heck an Heck mit einem Golf, Crash bei Tempo 3. Wir Fahrer stehen uns gegenüber, schütteln den Kopf: schön blöd. Schuld haben beide. Jeder regelt seinen Schaden selbst. Die kleinen Kratzer an der Stoßstange werden schon nicht die Welt kosten. Tschüss.

Mit Vollkasko werden aus 800 Euro 1100 Euro

Am nächsten Tag in der Werkstatt meines Vertrauens: Der Servicemitarbeiter schaut sich die kaum sichtbaren Crashspuren an. Seine Diagnose: Ungefähr 800 Euro, da muss die Stoßstange ausgebaut und komplett lackiert werden. Ich schaue entsetzt, sage: Gut, dann lass ich das über meine Vollkasko laufen (Vollkasko oder Teilkasko: Was ist besser?). Dann, sagt der Werkstattmann, wird es noch rund 300 Euro teurer, weil die Versicherung die Überführung des Wagens zum Lackierer bezahlt, das hätten sonst wir übernommen. Ich schlucke trocken. Ich muss eine Nacht drüber schlafen. Da fällt mir mein alter Fußballkumpel ein, der macht irgendwas mit Lackschäden, Dellen-Doktor oder so. Er sagt: Ich kenne einen sehr guten, jungen Lackierermeister, der macht auch kleine Privataufträge.Nix wie hin. Gut schaut sie aus, die kleine Werkstatt im Industriegebiet. Der Chef kommt selbst, schaut sich den Schaden an, geht um das Auto, guckt hier, guckt da, fühlt mit dem Finger über den Lack des knapp ein Jahr alten Autos. Seine Diagnose: Vorn am Kotflügel ist genauso ein kleiner Kratzer wie an der Stoßstange, sieht aus wie ein Schlammspritzer, ist aber keiner. Die Dinger poliere ich dir raus, sieht hinterher aus wie neu. Aber an der rechten Hintertür hast du einen echten Lackschaden, da muss lackiert werden." Ich frage, Übles ahnend: "Mit Türausbau und so?" Quatsch, sagt der junge Mann, das ist nicht nötig. Smart Repair, direkt an der Stelle.

Werkstattmann sucht nach Ausreden

Interessant, aber was soll mich der ganze Spaß kosten? Vorn, hinten und die Tür? Antwort: 250 bis 300 Euro. Frage: 1250 bis 1300 Euro? Nein, wie ich gesagt hab, mehr als 300 werden das nicht. Wir vereinbaren einen Termin, drei Tage später bringe ich den Wagen zum Lackierer, übrigens keine zehn Kilometer entfernt von meinem Autohaus. Ich bekomme einen Leihwagen, für den ich nur das Benzin zahlen muss. Am Nachmittag hole ich den Wagen ab. Ergebnis: wie neu! Ich zahle 289 Euro und fahre – ziemlich wütend – zu meinem Autohändler. Raten Sie mal, was das gekostet hat, drei Lackschäden, alle beseitigt. Der Werkstattmann zuckt mit den Achseln. Ich erzähle ihm die Geschichte, er sucht nach Ausreden: Das mit dem Ausbau der ganzen Teile sei eine Vorgabe des Herstellers. Das mit den Überführungskosten sei üblich. Das mit dem Rauspolieren wisse er jetzt auch nicht, er sei ja kein Lackierer.

Großer Autohändler sollte seriös arbeiten

Freunde der Sonne, so geht es nicht. Erstens: Ich erwarte von einem Autohändler mit großer Werkstatt, dass einfachste Lackschäden seriös begutachtet und eingeschätzt werden. Zwischen Rauspolieren und Türausbau-Volllackierung liegen 1000 Euro. Zweitens: Dass Handwerker für eingekaufte Dienstleistungen, hier das Lackieren, eine Art Provision kassieren, ist in vielen Gewerken geübte (immer häufiger unverschämte) Praxis. Knapp 300 Euro für das Überführen eines Autos von A nach B über weniger als zehn Kilometer? Vorsichtig formuliert ist das unseriös. Gelackmeierte sind die Kunden, die sich nicht wehren.

Von

Sebastian Balmaceda