Am Elektroantrieb scheint keiner mehr vorbeizukommen: Auf dem Autosalon Genf 2011 steht mit dem Rolls-Royce 102EX sogar ein Auto aus dem Segment der Luxuskarossen mit elektrischem Antrieb. EX steht bei den Briten traditionell für "Experimental Car" (also Studie), und genau über dieses Stadium ist der 102EX offenbar auch noch nicht hinaus. Der Stromer aus Goodwood gleicht eher einem Rezept, wie ein Autobauer die Superreichen dieser Welt mit einem sparsamen und sauberen Auto beglücken könnte. Dafür soll der Technologieträger rund um den Globus geschickt werden, um die Akzeptanz der Kunden zu prüfen. Denen werden Spritpreise eher egal sein, aber hier geht es ums reine Prinzip im wahrsten Sinne des Wortes.
Rolls Royce 102EX Phantom Experimental Electric
In der C-Säule sitzt die Steckdose zum Nachladen des Luxus-Stromers.
Eine Serienversion des Rolls-Royce 102EX Phantom ist laut CEO Torsten Müller-Ötvös nicht geplant. Immerhin bekommen wir mit diesem Namenszusatz einen Hinweis, in welcher Baureihe die Elektro-Technik zum Einsatz kommt. In Genf firmiert der elektrifizierte Brite auch unter der Zusatzbezeichnung Phantom Experimental Electric (Phantom EE). Und wir erhalten erste technische Daten. Die klingen so vielversprechend, dass sofort Begehrlichkeiten wach werden: Zwei Elektromotoren mit je 145 kW an der Hinterachse lassen den 102EX in weniger als acht Sekunden auf 100 km/h surren, wenn es der Chauffeur möchte. Nicht schlecht für ein 5,80 Meter langes Schlachschiff mit 2,7 Tonnen Gewicht.

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Rolls Royce 102EX Phantom Experimental Electric
Emily wird beim 102EX blau beleuchtet, allerdings nur im Stand.
Statt des V12 vorn unter der Haube kommt der Saft von Lithium-Ionen-Akkus, die 71 kWh Kapazität in die Waagschale werfen. Das ist mächtig viel Stoff, mag man meinen. Immerhin genug, um satte 800 Newtonmeter Drehmoment zu erzeugen, da kann auch der V12 (720 Nm) nicht mithalten. Allerdings hat die Sache ein paar Haken: Die Batterien wiegen 640 Kilo, wodurch die Zuladung auf 300 Kilo sinkt. Die solventen Passagiere samt Chauffeur sollten also beim Gepäck eher zurückhaltend bleiben. Immerhin stehen 460 Liter Gepäckraum zur Verfügung und weil innen der Kardantunnel wegfällt, bleibt mehr Platz für die Insassen. Die dürfen es sich auf erdfarbenen Sitzen aus edelstem Leder bequem machen. Ein Schlüsselmerkmal des Phantom EE ist die Lade- und Steuerungseinheit, die sich unter der Mittelarmlehne befindet. Ein einzelner Schalter startet und unterbricht den Ladevorgang. Das Display selbst gibt das Bild einer Batterie wieder und wird von LEDs beleuchtet. Dazu kommen Instrumente in speziellem Design, statt Holzfurnier kommen teilweise Alu-bedampfte Folien zum Einsatz.

Emily wird beleuchet

Die blau illuminierte Kühlerfigur Emily wird nur beleuchtet, wenn der Phantom EE steht. Erst einmal in Fahrt, ist die Höchstgeschwindigkeit elektronisch auf 160 km/h begrenzt. Maximal 200 Kilometer weit soll der E-Rolls kommen, dann braucht die Batterie frisches Futter. Der Ladevorgang erspart dem Chauffeur theoretisch einen lästigen Stecker, denn der Strom fließt per Induktion. Dazu braucht es ein Induktionsfeld im Boden und eines im Unterboden des Fahrzeugs, über elektromagnetische Wellen erhält der Rolls neue Nahrung. Das System ist allerdings noch in der Erprobung. So muss wohl doch der fünfpolige Stecker herhalten, dessen Gegenstück in der C-Säule des Rolls liegt. Der Ladevorgang dauert je nach anliegender Spannung zwischen acht und 20 Stunden. Bei der Optik unterscheidet sich der 102EX bis auf den speziellen Lack übrigens kaum vom Serien-Phantom, sondern zeigt vielmehr dessen sehr dezente Retuschen für das Modelljahr 2011.



Von

Stephan Bähnisch