"Das beste Auto der Welt" – den Titel reklamiert zwar Mercedes für die S-Klasse, in Wahrheit hat ihn aber bereits 2011 der Seat Alhambra bei AUTO BILD errungen. Eine große Bürde, als der Van danach zum Dauertest antrat. 100.000 Kilometer mit Schnee, Eis, Hitze und gepeitschten Härteritten haben schon manchen Champion entzaubert. So gesehen konnte der Spanier nur verlieren, oder? Das Rüstzeug für den 2.0 TDI Ecomotive Style stimmte jedenfalls. 170 muntere Diesel-PS, Direktschaltgetriebe, Climatronic, dritte Sitzreihe, elektrisch schließende Seitentüren und Heckklappe trieben den Preis für den metallicbraunen Spanier auf 47.750 Euro.
Im Überblick: Alle Tests zum Seat Alhambra
"1400 Kilometer ohne Ermüdung abgerissen", berichtet Redakteur Jörg Maltzan nach einer Italien-Reportage. Er lobt die bequemen Polster, das durchdachte, variable Sitzkonzept und hat bei passender Gelegenheit gleich den Schlaftest absolviert: "Bei flach gelegten Sitzen wird der Seat zum Campingbus. Luftmatratze rein und gute Nacht!" Klar, dass der Kollege im Dunkeln die vielen Ablagen oder das Panoramadach (Sternenhimmel!) besonders schätzen lernte. Kinder lieben auf Reisen die Aussicht aus großen Fenstern, ihre Eltern den Überblick beim Einparken – bei 4,85 Meter Länge und kleinen Lücken wünschte sich trotzdem mancher eine Rückfahrkamera.
Tops und Flops: Die komplette Dauertest-Rangliste
Erstaunlich gespalten das Urteil über die elektrischen Seitentüren: von "herrlich komfortabel" bis "überflüssig" findet sich alles im Bordbuch. Vorm gedankenlosen Öffnen per Funkschlüssel sollte man unbedingt den Standort checken, sonst gleiten Türen oder Heckklappe vor Pfeiler oder das Garagendach. Der Reise-Riese rauschte ausgewogen gefedert und erstaunlich leise über die Autobahn, wozu der laufruhige TDI entscheidend beiträgt. Der Motor, der sich akustisch tief unterm Blech verkrümelt, fällt nur auf, wenn die Warnlampe wieder verlangt, AdBlue nachzufüllen. Der Tank für den Stickoxid-Vernichter fasst 17 Liter, doch die Leuchte nervte schon nach 13.000 Kilometern. Dann passten nur 0,9 bis 2,0 Liter hinein. Sehr seltsam.Auch das Getriebe hinterließ gelegentlich Fragezeichen auf der Stirn. Meist unauffällig, reagierte das DSG beim Anfahren manchmal verzögert. Das stört im großen Alhambra vor allem beim Rangieren, wenn man das Gaspedal antippt: nichts passiert. Mehr Gas – und der Van springt los wie angestochen. Der Mensch hinterm Steuer fühlt sich wie ein Fahrschüler. Noch schlimmer mit Anhänger, dabei ist der Seat mit seiner wegklappenden Kupplung doch ein tolles Zugfahrzeug! Diesem Komfort-König gelang es sogar, Elektronik-Muffel zu bekehren. Tempomat und Spurhalte-Assistent funktionierten einwandfrei, das "kleine" Mediasystem 2.2 fand auch in Süditalien winzige Gassen. Aber muss der Zoom-Bereich so knapp ausfallen?
So wäre der Seat störungsfrei durch den Dauertest gekommen, hätten nicht die Scheinwerfer bei Kilometer 78.153 neu justiert werden müssen. Als Günther Schiele nach 100.000 Kilometern anrückte, fand der DEKRA-Sachverständige kaum etwas zu beanstanden: Die Kantenkorrosion an der Hinterachse sah er ungern, die lose Dämmmatte in der Motorhaube und Scheuerstellen am Heckklappenheber sind Kleinkram. Dass der AdBlue-Einfüllstutzen so unzugänglich ist, wird AUTO BILD jedoch weiter beschäftigen. Der Dauertest des Alhambra geht weiter, zunächst bis 200.000 Kilometer. Am Titel "Bestes Auto" möchten wir noch ein bisschen kratzen.
In der Bildergalerie lesen Sie weitere Details zum Dauertest und zum Ergebnis der Inspektion nach 100.000 Kilometern. Den kompletten Artikel mit allen Daten und Tabellen gibt es im Online-Artikelarchiv als PDF-Download.

Fazit

von

Joachim Staat
Der Reise-Riese ist ein Mängel-Zwerg: Note 1 minus für diesen geräumigen, komfortablen und schnellen Seat, der mit solider Qualität und funktionalen Extras glänzt. Nebenbei bricht der Alhambra eine Lanze für ein fast vergessenes Familien-Auto: Der große Van ist geräumiger und variabler als jeder SUV. Ausgeschlafen, oder?

Von

Joachim Staat