Specialized Tarmac SL7 Comp, Rennrad, Allround-Rennrad
Specialized Tarmac SL7 Comp im Test

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Das Tarmac SL7 von Specialized gilt in seiner Summe als bestes Rennrad der Welt. Wir wollten herausfinden, ob das Sportgerät seinen Erwartungen gerecht wird – und was die Stärken und Schwächen der 5.600 Euro teuren "Comp"-Variante sind.
Bild: Hendrik Oyen
Je höher man fliegt, desto tiefer kann man fallen. An diese Weisheit muss man denken, wenn man selbst auf dem Tarmac SL7 Platz nimmt und so hoch fliegt, dass die eigenen Erwartungen an den Carbonboliden erfüllt werden – und der Fall ausbleibt. Der Ruf eilt dem Tarmac meilenweit voraus, schließlich vermögen es nur wenige andere Rennradmodelle, ein so fabelhaftes und sportives Image über einen derart langen Zeitraum erfolgreich vor sich herzutragen. Und nur wenige andere Modelle (vielleicht auch keins?!) sind für so viele Radsportprofi-Siege verantwortlich, zum Beispiel durch Ikonen des Sports wie Peter Sagen oder Julien Alaphilippe oder den deutschen Weltstars und Tour-de-France-Etappensiegern Nils Politt und Lennard Kämna.
Wobei, der Ehrlichkeit halber muss man an dieser Stelle darauf hinweisen, dass zwischen unserem Tarmac SL7 in der Comp-Konfiguration und dem Upperclass-Tarmac S-Works SL7 wahnsinnige 8.900 Euro Preisdifferenz liegen, wofür man de facto ein weiteres SL Comp plus Carbon-Laufradsatz bekommen könnte. Allerdings würde man dann immer noch nicht wie das federleichte S-Works an der UCI-Grenze von 6,8 Kilogramm kratzen, da das SL7 Comp rund 1,5 Kilogramm mehr Gewicht auf die Waage bringt. Optisch hingegen sehen sich beide Modelle – sieht man mal von den flächigeren Laufrädern am S-Works ab – ziemlich ähnlich. Die Formen sind klar, stimmig und wohlproportioniert, die Kabel unkenntlich und der Designkompromiss aus modernen Aero-Formen und klassischer Rennradgeometrie ein Volltreffer.
Technische Daten
Modell | Specialized Tarmac SL7 Comp |
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Preis | 5.600 Euro |
Rahmen | Carbon (FACT 10r Carbon) |
Gabel | Carbon (FACT Carbon) |
Cockpit (Lenker, Vorbau) | Aluminium |
Schaltung | Sram Rival eTap AXS, 12-fach |
Übersetzung | 48/35 – 10–36 |
Laufräder | DT Swiss R470, Aluminium |
Reifen | Turbo Pro, 26 Millimeter |
Bremsen | SramRival, hydraulische Scheibenbremsen |
Die Ausstattung im Check
Für einen Kaufpreis von 5.600 Euro sollte man selbst beim Premium-Bikebauer Specalized erwarten dürfen, dass die Gangwechsel auf Knopfdruck erfolgen, im Falle des Tarmac Comp per elektronischer und kabelloser Sram Rival eTap AXS mit zwölf Gängen. Sehr praktisch an den AXS-Gruppen ist die Feinjustierung (Micro-Adjust genannt) über die App, die für jeden Gang separat vorgenommen werden kann. Sollte eine Kettenblatt-Ritzel-Kombination mal nicht 100 Prozent flüssig laufen, kann in 0,2-Millimeter-Schritten nachgeholfen werden.
Richtig gut und in der einen oder anderen Situation extrem hilfreich ist die große Gangbandbreite zwischen Kettenblatt (48 bzw. 35 Zähne) und Kassette (10–36 Zähne). Im kleinsten Gang (35/36) kommt man mit leichter Untersetzung jeden noch so steilen Berg hoch. Selbst in den Alpen (natürlich auch immer abhängig vom persönlichen Leistungsstand) dürfte man mit dieser Übersetzung in keine all zu großen Probleme geraten, wenn man einen Tour-de-France-Pass erklimmt. Wer das Tarmac Comp kauft, kauft damit Reserven für jedwedes Terrain.

Tadellos und mit elektronischen Tugenden ausgestattet: Srams Einsteigergruppe Rival eTap AXS mit ihren zwölf Gängen und der bergfreudigen Übersetzung.
Bild: Hendrik Oyen
Zur elektronischen Einsteigergruppe Rival AXS und zur AXS-Gruppe wurde (auch schon von uns) viel geschrieben und gesagt. Es gibt, sollte der Antrieb erstmal perfekt eingestellt sein, nichts zu monieren und viel Freude beim Schalten. Während man lange Zeit die Schaltlogik (Kettenblattwechsel durch gleichzeitiges Betätigen beider Shifter) gelobt hat, kann man mit den neuesten Elektroschaltungen die Logiken nach Belieben programmieren. So oder so: Elektronische Schaltungen sind klar im Vorteil gegenüber mechanischen Lösungen – und daher an einem Rennrad dieser Couleur folgerichtig verbaut.
Allerdings schlägt Srams Rival eTap AXS, zum Beispiel verglichen mit Shimanos Di2 Ultegra, gewichtstechnisch ganz schön zu Buche. Das zeigt sich auch am Gesamtgewicht des Fahrrads, das deutlich über acht Kilogramm liegt. Die Rechnung zum S-Works geht so: plus 300 Gramm für den Rahmen, plus mehrere hundert Gramm für die Schaltgruppe – und hatten wir schon die Laufrad-Kombination erwähnt? Die stäbigen Aluminum-Laufräder von DT Swiss sind auch dafür verantwortlich, dass das Comp nicht ganz so spritzig ist wie die deutlich teurere Konkurrenz. Positiv überrascht haben uns indes die Specialized eigenen Reifen Turbo Pro, bei denen Grip, Komfort und Pannenschutz (kein Platten nach mehr als 2.000 Kilometer) gemessen am Preis von nur 30 Euro (UVP) deutlich über den Erwartungen performt haben.

Das integrierte Cockpit wirkt aufgeräumt, die Kabel verlaufen unterhalb des Vorbaus in den Rahmen. Der schmale Lenker gab anfangs Grund zur Besorgnis, stellte sich dann aber als nicht zu unbequem heraus.
Bild: Hendrik Oyen
Fahreindrücke nach mehr als 2.000 Kilometern
Das Specialized Tarmac SL7 Comp war acht Wochen lang bei uns im Test. In diese Zeit fiel ein Trainingslager auf Fuerteventura, wo über 1.000 Kilometer zusammen kamen. Ebenso reiste das Tarmac mit nach Mallorca zum Event Kill The Hill (Reportage in der BIKE BILD 3/2022). Dauerwind und krasse Böen und ruppiger Asphalt auf den Kanaren, Hügel, Berge und butterweicher Straßenbelag auf Mallorca, auch mal leichter Schotter und der typische Fleckenteppichasphalt in Hamburg – das Tarmac hat alles mitgemacht, was man ihm zugemutet hat. Auf den Renner ist Verlass, das ist die erste Botschaft.
Mächtig beeindruckt haben uns das präzise Handling und die Laufruhe bergab. Das Kurvenverhalten ist schlicht grandios und der Mittelklasse-Reifen haftet besser als man das für möglich hält. Und nochmal, weil es wirklich faszinierend ist: An Fahrstabilität ist der Renner nicht zu überbieten. Ob 60, 70 oder sogar 80 Stundenkilometer in der Spitze – das Rennrad zuckte sogar während verdammt krasser Seitenwinde auf Fuerteventura nicht mal eine Sekunde lang, sondern rollte konsequent und stur geradeaus. Damit ist das Tarmac SL7 in der Comp-Ausstattung für uns ein Kauftipp für Rennrad-Neulinge mit dem nötigen Budget, die ein hochklassiges wie gutmütiges Rennrad suchen.

Wahnsinn, wirklich purer Wahnsinn, was mit dem Tarmac SL7 bei rasanten Abfahrten und bei Richtungswechseln möglich ist. Achtung, Suchtgefahr!
Gut, aber nicht sehr gut schätzen wir die Kletterfähigkeiten des Tarmac SL7 ein. Es ist leider so, dass bergauf einfach jedes Kilo zählt – und davon hat das Comp nicht zu viel, aber auch nicht so wenig auf den Rippen, dass es das Zeug zum Kletterbike hat. Doch mit einer einfachen Tuningmaßnahme – der Griff zu leichten Carbonlaufrädern – würde das Bike noch leichtfüßiger Berge und Anstiege hochkommen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Mit dem Tarmac Comp kommt man problemlos und gut alle Anstiege hoch (wir hatten die breite Übersetzung schon erwähnt), aber wenn das Fahrrad in jeder Rennradkategorie nicht nur vorn, sondern ganz vorn mitspielen will, muss es sich auch mit den Besten der Besten (zum Beispiel Canyons Ultimate) messen lassen. Das S-Works vermag das sicher zu können, dem Comp sind dort Grenzen gesetzt, wo Special-Rennräder ein kleines Quäntchen besser sind.
Dasselbe gilt in puncto Aerodynamik. Auch wenn das Tarmac SL7 das Aero-Modell Venge von Specialized aus dem Sortiment gefegt hat, weil es dem Hersteller nach ähnliche Aerodynamik-Eigenschaften mitbringen soll, hat es doch während der Trainingslagerzeit gegenüber einem ausgewiesenen Aerorad spürbare Nachteile von 30 Watt gezeigt bei hohen Geschwindigkeiten, die sich durchaus minimieren lassen mit flächigeren Laufrädern (wo wir schon wieder bei unserem heißen Tuning-Tipp wären).

Flächig, aber nicht zu hart: Die Aero-Sattelstütze schneidet den Wind, federt aber ausreichend, sodass man auch fünf plus Stunden im Sattel verbringen kann.
Bild: Hendrik Oyen
Bedenken hatten wir beim Thema Komfort beim Anblick der flächigen Sattelstütze aus Carbon. Doch das Gegenteil zeigte sich. Egal, ob wir zwei oder sechs Stunden im Sattel saßen, so oder so zeigten sich keinerlei Probleme und Schmerzen während dieser Zeit. Der Sattel ist zwar eine Geschmacksfrage, aber trotzdem bleibt nach vielen Fahrten auf vielen verschiedenen Testbikes der Eindruck zurück, dass Specialized-Sättel besonders angenehm sind und in der Regel keines Austausches bedürfen. Und auch der dünne Alu-Lenker war viel besser, als wir das beim ersten Eindruck für möglich hielten. Auch mit Blick aufs Cockpit: keine Probleme, keine Schmerzen.
Fazit
Das Specialized Tarmac SL7 bietet ein überragendes Handling. Man fühlt sich auf Anhieb wohl auf dem fahrstabilen Renner und kann dank sehr guter Komfortwerte lange Zeit im Sattel verbringen. Kletter- und Aerodynamikeigenschaften des Comp-Modells sind gut bis sehr gut, aber verglichen mit den Top-Rädern in ihrem Segment nicht überragend. Mit einer einfachen Tuning-Maßnahme (Carbon-Laufräder) kann man das SL7 Comp noch besser machen. Über die Zukunftsinvestition sollte man als potenzieller Käufer nachdenken. Ebenso über die 5.600 Euro, die ohne die Tuning-Maßnahme für das zeitlos schöne Rennrad fällig werden. Aber hey, man ist dann Eigentümer eines Tarmac SL7, das in seiner Gesamtheit ein gnadenlos gutes Rennrad ist und in seiner Vielfältigkeit eigentlich nicht zu überbieten. Daher: Der Legendenstatus ist voll verdient – und je nach Perspektive das beste Rennrad der Welt.