Zwei Boliden mit jeweils mehr als 400 PS

Entschuldige bitte, du dumme Golf-Fahrerin, daß ich dich an der Auffahrt Elmshorn fast von der Fahrbahn geschubst hätte. Aber du solltest von der Einfädelspur nicht gleich in die linke Spur wechseln, um einen Laster reinzulassen. Das ist gefährlich... Vermutlich hast du mich im Rückspiegel übersehen, vielleicht auch gar nicht reingeschaut. Und als die rasende rote Bodenwelle sich plötzlich mit Xenonblitzen als Ferrari 360 Modena F1 entpuppte, hast du wahrscheinlich nicht realisiert, was da passiert. So fiel meine Tachonadel blitzartig von 290 auf 80, der Blutdruck hingegen beschleunigte auf 180. Meine Gedanken gebe ich hier besser nicht wieder, aber dem Erfinder des ABS zünde ich beim nächsten Kirchgang eine Kerze an.

Die Fahrt auf der meist freien A23 gehört zum Standard-Testprogramm. Hier ermitteln wir den Höchstverbrauch – 30,2 Liter Super plus ergab die spätere Füllung des 95-Liter-Tanks. Exakt viereinhalb Liter weniger verbrannte Kontrahent Chrysler Crossfire, der nach diesem Schreck uneinholbar hinterm Horizont entschwunden war. Crossfire? Uneinholbar?

Der bei Karmann gebaute Mercedes-SLK Verschnitt leistet als SRT-6 doch höchstens 246 Kilowatt, also 335 PS. Richtig. Aber nur so lange, bis er in die Brabus Allee in Bottrop kommt. Rollt er aus den Hallen wieder raus, dann heißt der Ami plötzlich Startech Coupé V8, trägt 426-PS-Sechslitermotor und Automatikgetriebe des SL unter der Haube. Und da Brabus-Chef Bodo Buschmann bekennender Deregulierer ist, darf jeder Motor zeigen, was er kann. Ergo: Kein Limit bei 250, sondern freie 285 km/h.

Ferrari-Motor als Sound-System

Tempo 285, dabei richten startende Jets bereits die Nase zum Himmel. Wir bleiben auf dem Boden und schauen uns den Konkurrenten an. Wenn Limited Cars dem Ferrari 360 Modena F1 sein "LC" anheftet, dann sind aus nominell 400 stattliche 440 PS geworden. Und allerlei Feinarbeit an Fahrwerk, Maschine und Innenraum treibt den Preis des Ferrari von 136.200 auf 226.555 Euro. Beim Preis (Crossfire Startech: 104.100 Euro) trennen die beiden Renner Welten, sicher auch beim Image. PS-Puristen aber sagen: Nur die Leistung zählt.

Also: Let’s go test. Ich winde mich natürlich zuerst in den Ferrari. Weide meine Augen an Leder und Carbon. Komme beim Anblick der Instrumente schon im Stand auf Touren: 340 verspricht der Tacho, der Tourenzähler Drehfreude bis Achtfünf. Kurzer Rundum-Blick: Die Außenspiegel zeigen auch die Nüstern der Lufteinlässe, der Blick nach schräg hinten ist von B-Säule und Haube verbaut, der Innenspiegel erlaubt aufgrund der Plastikscheibe nur einen milchigen Blick auf den riesigen LC-Heckflügel. Doch wer schaut im Ferrari schon nach hinten? Schlüssel jetzt kurz auf 90 Grad gestellt und dem Konzert aus acht Zylindern, vier Nockenwellen, 40 Ventilen und einem handgefertigten Spezialauspuff gelauscht. Hier braucht man kein Radio, hier ist der Motor das Sound-System – und ich sitze mittendrin.

Avanti. Rechten Schaltpaddel hinterm Lenkrad angestupst (das linke schaltet die sechs Gänge wieder runter), irgendwo hinten im Untergrund klackt elektrohydraulisch der erste Gang ins Getriebe, und 1440 Kilo setzen, pardon, schießen sich in Bewegung. Auf nasser Straße bringt die (abschaltbare) Antischlupfregelung (ASR) die Antriebsräder zum brutalen Stempeln, auf trockener ist man in 4,3 Sekunden auf 100 km/h, in 15,3 auf 200. Schnell weg sein ist das Ziel. Ich habe noch nie so sehnsüchtig auf das weiße Schild mit den fünf schwarzen Diagonalstreifen gewartet.

Sechsliter-Muskeln im Crossfire

Danach will ich’s natürlich wissen. Drehe die Gänge bis 8500, Schumi- Feeling pur. Ab Tempo 100 registriert das Popometer einen besseren Geradeauslauf, die Querfugen knallen aber immer lauter, um irgendwo bei Höchsttempo das Fahrwerk akustisch förmlich zu zerreißen. Kein Wunder: 30er Reifenquerschnitte haben keine Eigendämpfung mehr, da paßt ja selbst die Luft kaum noch zwischen Gummi und Felge.

Wenn der Tacho 290 zeigt, dann hat man keinen Blick mehr fürs Wohlbefinden irgendwelcher Flüssigkeiten. Auch wenn sie noch so wichtig sind. Dann zählt, was am Horizont passiert. Dann wird die leichteste Autobahnkurve zur Haarnadel, die kleinste Erhebung zum Sprunghügel. Der sechste Sinn sorgt dann unüberhörbar für Selbstschutz: Wir und die LC-Leihgabe wollen doch heil bleiben! Kurzum: Nach jeder Fahrt am Limit der aktuellen Verkehrslage weiß ich, was ich geleistet habe. Übrigens auch jeder Beifahrer.

Ja, und dann steige ich in den Crossfire, pardon, in das Startech Coupé. Eine graue Maus, schon die Farbe sieht aus wie Grundierung. Nach Ferrari-Rosso optisch ein Kaltblut. (Busch-)Mann, wie ich mich da getäuscht habe. Was der Bodo aus deutschen Großserien-Genen komponiert hat, das klebt dem LC dreist am Diffusor. Er kann den Roten aber nicht überholen. Der ihn aber auch nur schwer. Grund: Der große Heckflügel des Ferrari verbessert zwar den Abtrieb, verringert dafür die Höchstgeschwindigkeit. Die ein Startech-Pilot erstaunlich entspannt erreicht. Kein Wunder, der Sechslitermotor aus dem SL geht zusammen mit der Vollautomatikeine muskulöse Verbindung ein. Gerademal entspannte 6000 Umdrehungen pro Minute dreht der Motor am Limit.

Ein Duell Hubraum contra Drehzahl

Was der 3,6-Liter-Ferrari aus der Drehzahl holt, schöpft der Crossfire aus dem Hubraum. Und untermalt es mit einem soliden, niemals ordinären Sound. So in Baßnähe läßt er das Zwerchfell schwingen, ganz gleich ob im Leerlauf oder kurz vorm Abregeln. Auch die Bremse ist dem Tempo gewachsen. Wenn es nicht gerade um Runden-Sekunden geht. Mein Kollege Dierk Möller-Sonntag meldet aus Oschersleben: "Nach drei Runden ist die Bremse überfordert. Beim Herausbeschleunigen aus Kurven übersteuert der Startech stark, schaukelt sich auf und ist mit der viel zu indirekten Lenkung nur schwer wieder einzufangen."

Seine Ferrari-Kommentare lesen sich schon etwas anders: "Jetzt paßt die harte Abstimmung. Der 360 liegt wie ein Brett, die Bremsen beißen gut. Allerdings ist der LC immer nur untersteuernd aus den Kurven zu bekommen. Das kostet Zeit." Ich hatte mir für den Startech-Chrysler bei normaler Fahrt nur notiert: Kräftige Seitenneigung und leichtes Aufschaukeln, was bei Beifahrern zu Seekrankheit führen kann. Kein Wunder, über die Hälfte des Gewichts (55 Prozent) drücken auf die Vorderachse, der Radstand ist 2,40 Meter kurz – ein aktueller Golf hat 18 Zentimeter mehr.

Doch schon die Ausstattung des Startech-Crossfire zeigt: Er will wahrlich kein Extremsportler sein. Die Armaturen-Oberfläche glänzt kunststoffbillig in Schwarz, darunter vernäht Startech aber teures blaues Leder. In den beiden Lehnen verrät ein "V8" dem Unkundigen, was vorn unter der Haube steckt. Schließlich betonen elektrisch verstell- und beheizbare Sitze den Komfort-Charakter. Die hohe Gürtellinie wirkt dabei beschützend, gibt dem Crossfire eine unverkennbare Linie. Was in diesen uniformen Design-Zeiten ja wirklich sehr selten geworden ist.

Fazit, Technische Daten und Meßwerte

Wenn ich einmal reich wär... Dann würde ich am liebsten beide Wagen haben. Den Startech dürfte vor allem meine Frau fahren, denn die Mercedes-Gene sprechen für leicht verständliche Bedienbarkeit. Er empfiehlt sich auch für Geschäftsreisen, wo man entspannt ankommen muß. Den LC Ferrari sollte kein Mann aus der Hand geben. Dieser rollende Blutdruck-Verstärker ist mehr Renn- als Alltagswagen. Mit dem rollenden Sound-System läßt sich kräftig Eindruck schinden und Fahrspaß erleben. Aber auch im Stand macht der rote Flachmann eine super Figur.

Preise und Kontakte

Bei Limited-Cars in Hamburg kann jedes Ferrari-Zubehör einzeln bestellt und angebaut werden. Der Crossfire wird bei Startech in Bottrop komplett gekauft oder ein bestehendes Fahrzeug wird zu einem Komplettpreis umgerüstet. Hier sind dann alle unten aufgeführten Teile im Set enthalten. Zubehör wie Felgen oder Sportauspuff können auch separat geordert werden.



Kontakt Limited Cars: Telefon +49 40- 230666; www.limited-cars.de

Kontakt Startech: Telefon + 49 / (0) 2041 / 777 552; www.startech.de