Sieht eigentlich ganz harmlos aus, der neue 7er. Geduckter, zierlicher als der alte, mal abgesehen von der geschwollenen Nase. Aber gar nicht futuristisch. Schwer zu glauben, dass BMW uns hier einen blechgewordenen Intelligenzbolzen präsentiert. Neben dieser Hightechladung nehmen sich andere Autos aus, als hätte sie Fred Feuerstein konstruiert. Selbst die S-Klasse von Mercedes muss sich IQ-mäßig geschlagen geben. Terrabytes jagen übers Datenautobahnenkreuz und quer durch den 7er, wobei die Eiligsten den sogenannten FlexRay-Express nutzen – ein Datensystem, dessen Übertragungsrate das 20-fache des im Auto bisher Dagewesenen beträgt. Beifall, bitte!
Und bevor die weniger Technikinteressierten wegschlafen, hier in Kürze noch einige Sensationen, die es zuvor nicht gab:
• Total vernetzte Fahrdynamiksteuerung inklusive Hinterradlenkung mit vier Wahlprogrammen.
• Riesenbildschirm (10,2 Zoll) plus verbessertem iDrive mit Internetzugang, Navigationssystem mit realistischer 3D-Darstellung und Betriebsanleitung.
• Neue Assistenzsysteme wie Nachtsichtgerät mit Personenerkennung und Anzeige der aktuellen Tempobegrenzung.

Erste Erkenntnis: Wer den 7er nimmt, spart Geld

Die Liste (das meiste kostet übrigens Aufpreis) ließe sich seitenweise fortführen, und Mister Spock fände derlei Hightech vermutlich ganz normal. Doch entscheidend ist die Frage: Ist der neue 7er nur schlauer, oder fährt er sich auch besser als die Konkurrenz? Zur Probe aufs Exempel dient uns ein 740i mit allen fahrdynamisch relevanten Extras (Wankausgleich "Dynamic Drive" plus "Integral-Aktivlenkung"). Seine Gegner heißen Audi A8 4.2 FSI und Mercedes S 450, mithin die härtesten aller Nüsse in diesem Segment. Erste Erkenntnis: Der BMW ist der Preisgünstigste und zwar gleich um ein paar Tausender. Dann der erste Augenschein: Der 7er wirkt am kompaktesten, der Mercedes am gewaltigsten – optisch zutreffend, aber ansonsten falsch, denn nach den Maßen nehmen sie sich nichts. Nur der A8 ist etwas kleiner.

Gespaltene Persönlichkeit: hinten cheftauglich, vorne sportlich

Jetzt einsteigen und räkeln. Und schon lässt der BMW ahnen, dass wir es mit einer gespaltenen Persönlichkeit zu tun haben. Hinten wirkt er absolut cheftauglich – reichlich Beinraum, bequeme, großzügig bemessene Sitze. Aber vorn umweht die Insassen ein Hauch von Sportlichkeit. Es sitzt sich tief in der Nische, der Wählhebel der Automatik präsentiert sich wieder als Knüppel auf der Mittelkonsole, das Cockpit fahrerorientiert, alles typisch BMW, alles bestens. Schön, dass die Sitzverstellung wieder da ist, wo sie hingehört, noch schöner das neue iDrive-System. Damit dürften auch Novizen schnell zurechtkommen, ein Overkill der vielen Bedienfunktionen bleibt aus. Hinreichend nobel geht es ebenfalls zu, wenn auch nicht nobler als in den beiden Kontrahenten. Besonders feudal fühlt sich der Passagier in der S-Klasse untergebracht. Auch wegen ihrer Polstermöbel, die Abrahams Schoß den Rang ablaufen. Erhaben die Sitzposition, luftig der Raumeindruck – da fühlt sich der Fahrer wie ein Kapitän auf der Brücke. Zugleich sorgt das iDrive-ähnliche Comand-System dafür, dass er alles unter Kontrolle hat. Die Bedienung ist zwar etwas umständlicher als im BMW, aber dafür ist die Bildschirmgrafik spitze. Und die vormals so fummeligen Knöpfe für die Fensterheber ersetzen inzwischen konventionelle Schalter.
Rüber in den A8 und siehe da: Audis Feinster ist nicht nur außen kleiner, sondern auch innen. Im Fond geht es eine Idee enger zu, außerdem fehlt es Großgewachsenen an Beinauflage – nicht optimal. Gleiches gilt für das Audi-typische MMI-Bediensystem. Als der A8 vor sechs Jahren herauskam, war es wegweisend, aber inzwischen wirkt es überholt: Zu viele unübersichtliche Tasten und Bedienschritte, kleiner Bildschirm, das geht mittlerweile einfacher. Immer noch auf dem Stand: die Qualität. Wer im Audi sitzt, weiß, wofür er das viele Geld hingeblättert hat. Dennoch: Dass der A8 schon leicht staubt, ist nicht zu übersehen. Aber der Allradler hat ja noch ein Ass im Ärmel, also ab auf die Piste.

Beim Fahrwerk greift BMW tief in die Trickkiste

BMW 740i
Die Leichtigkeit, mit der sich der zwei Tonnen schwere 7er dirigieren lässt, straft die Gesetze der Massenträgheit Lügen.
Der Herausforderer 740i besitzt zwei angetriebene Räder und zwei Zylinder weniger (den V8 ersetzt ein Sechszylinder-Bi-Turbo mit 326 PS), doch beim Fahrwerk greift BMW tief in die Trickkiste. Alles ist vernetzt, alles kommuniziert, aber der Fahrer kommt bei diesem Computerspiel keinesfalls zu kurz. Im Gegenteil: Die Leichtigkeit und Handlichkeit, mit der sich der Zweitonner dirigieren lässt, straft die Gesetze der Massenträgheit Lügen. Straßenkrümmungen nimmt er aus dem Handgelenk, wobei die Hinterradlenkung mit einem netten Kick Nachhilfe leistet. Klasse, zumal im "Sport"- oder "Sport+"-Modus auch mit dem Gaspedal mitgelenkt werden darf – alles ganz harmlos, schön sanft und höchst vergnüglich. Da macht es dann auch fast nichts, dass der 7er in Sachen Komfort kleinere Brötchen backt. Nicht, dass er seine Passagiere belästigen würde. Aber vor kleineren Stößen bleiben sie nicht verschont, auch auf der Autobahn. Und an die Ohren dringen deutliche Abroll-, Wind- und Motorgeräusche. Letztere immer dann, wenn der Sechszylinder sein Bestes gibt. Kraft hat er genug, da braucht es wirklich keinen V8, aber akustisch ist eher Sport als Luxus angesagt. Einwandfrei indessen die flinken Gangwechsel der geschmeidigen Sechsstufenautomatik. Da vermissen wir nur die Schaltpaddel am Lenkrad.

Das Metier des Mercedes ist das komfortable Reisen

Mercedes-Benz S 450
Kurven nimmt die S-Klasse ohne Beschwerden, aber auch ohne die Eleganz und die Leichtfüßigkeit des BMW.
Nach dieser Dynamikvorstellung erinnert unsere luftgefederte S-Klasse schon eher an ein sanftes Ruhekissen. Kurven nimmt sie mannhaft und ohne Beschwerden, aber auch ohne die Eleganz und die Leichtfüßigkeit des BMW. Hier machen sich die zwei Tonnen schon deutlicher bemerkbar. Und Grenzgänger am Steuer müssen sich auf rigide ESP-Zügel gefasst machen. Das Metier des Mercedes ist das komfortable Reisen. Von der Federung umschmeichelt und unbelästigt vom Lärm des Fahrens, überkommt den S-Klasse-Piloten unweigerlich große Gelassenheit. Und auch im Fond herrscht erholsame Ruhe – dort ist es im Mercedes am leisesten. Sicher, wenn es sein muss, geht es mit dem 340 PS starken V8 des S 450 heftig voran. Aber bei angemessener Fahrweise gilt: Mit einem Glas Rotwein im Garten zu sitzen ist aufreibender.
Und die Kür des Audi? Keine Frage: Wenn es kritisch wird auf den Straßen, nass und rutschig, dann schlägt seine Stunde, da fährt er seinen Widersachern auf und davon. Gegen den Grip des Allradantriebs ist hier kein Kraut gewachsen. Ansonsten macht der kraftvoll bollernde 350-PS-V8 Laune, aber sein Leistungsplus verschafft ihm keinen Vorsprung. Auch sonst kann der A8 unterwegs sein Alter nicht verheimlichen. Er federt ruppiger, schaltet nicht ganz so gehobelt, nimmt Kurven nicht so willig und präzise wie der BMW und zeigt beim Fahren insgesamt weniger Finesse. Kritik auf höchstem Niveau, zugegeben. Aber so geht es eben zu in der Luxusklasse. Da ist nur das Beste gut genug. Und das bietet ab sofort BMW.

Fazit von AUTO BILD-Redakteur Wolfgang König

Der neue 7er ist nun wieder ein echter BMW: fahraktiv, leichtfüßig, technisch mit allen Wassern gewaschen und dazu mit einer ausreichenden Dosis Luxusklassekomfort gesegnet. Wer es lieber ruhiger und noch bequemer hätte, liegt bei der S-Klasse richtig – ein echter Mercedes eben. Und der Audi? Schon ein wenig verstaubt, wen wundert’s bei sechs Jahren auf dem Buckel.

Von

Wolfgang König