Roter Teppich, Blitzlichtgewitter, VIPs, so weit das Auge reicht. Im Minutentakt fahren Limousinen vor und spucken Stars und Sternchen aus. Fotografen überschlagen sich in eifriger Geschäftigkeit. Plötzlich wenden sich sämtliche Objektive von den Reichen und Schönen ab und schwenken gen Auto. Das steht stämmig und selbstbewusst auf dem Asphalt und sonnt sich im Rampenlicht. Kein abwegiges Szenario: Eignen sich unsere zwei spektakulären S-Klassen doch durchaus zum standesgemäßen Promi-Shuttle. Mit Lorinser und Brabus tritt die erste Garnitur Mercedes-Veredler zum Vergleich an. Beide fahren großen Pomp auf.

Schwarze Schönheit: Mercedes S 500 im Brabus-Trimm.
Brabus setzt neben komplettem Spoilerwerk auf sein 20-Zoll-Rad im neuen Monoblock-E-Design. Offensichtlich reagiert der Tuner aus Bottrop allergisch auf Tand, der blitzt und funkelt. Folgerichtig lackiert Brabus die Räder in dezentem Titan metallic, der Grill glänzt schwarz. Die vier Zusatzscheinwerfer der imposanten Front mustern die Umgebung mit kritischem Blick. Am Heck prangen vier fette Auspuffrohre, die die nähere Umgebung mit herzerwärmendem V8-Grollen berieseln. Lorinser agiert noch extrovertierter. Neben dem üblichen Front- und Heckornat tauscht der Tuner die vorderen Kotflügel aus und ersetzt sie durch neu gestylte Teile mit markanter Einlassöffnung. Den Auspuff integriert Lorinser in die Heckschürze – der Endschalldämpfer klingt zahmer als beim Konkurrenten aus Bottrop.

Triebwerk: Dank 6,1 Litern Hubraum leistet der Brabus-V8 satte 462 PS.
Auch motorisch gibt sich Lorinser zurückhaltender: Er verbaut Sportnockenwellen, Fächerkrümmer, bearbeitet den Zylinderkopf und modifiziert die Motorsteuerung. Diese Maßnahmen generieren 62 Mehr-PS (450 statt 388 PS) und 45 zusätzliche Newtonmeter (575 statt 530 Nm). Brabus indes schöpft aus dem Vollen: Mit einer Hubraumerhöhung auf 6,1 Liter beweist der Tuner der Welt ein weiteres Mal, dass er in Sachen "Auflitern" die unumschränkte Nummer eins ist. Neben Spezialkurbelwelle und vergrößerter Bohrung kommen bearbeitete Zylinderköpfe und andere Nockenwellen zum Einsatz. Darüber hinaus finden größere Ventile und Titanfederteller Verwendung. Das fulminante Triebwerk lässt denn auch keine noch so geringe Anfrage des Gasfußes unbeantwortet. 462 PS und ein steil aufragender Drehmomentberg von 615 Newtonmetern garantieren, dass immer ausreichend Power anliegt. So kennt und liebt man Brabus.

Dreht druckvoll hoch und schiebt, was das Zeug hält: der Lorinser S L55 S
Etwas anderes überrascht routinierte Autotester viel mehr: Die Tatsache nämlich, dass sich der Lorinser-Mercedes trotz Standard-Hubraum (5,5 Liter) kaum schlapper anfühlt. Das Auto dreht druckvoll hoch und schiebt, was das Zeug hält. Auch beim Fahrverhalten schenken sich die Kontrahenten nicht viel: Beide liegen – selbst bei sehr hohem Tempo – stoisch auf der Straße und gefallen mit unerschütterlichem Geradeauslauf. Beide sind spürbar agiler als das Serienauto. Beide glänzen trotz Tieferlegung und Riesenrädern mit akzeptablem Komfort – mit leichtem Vorsprung für Brabus. Beide haben die Marotte, bei Schrittgeschwindigkeit zu ruckeln. Und beide Tuner versichern, dieses Problem inzwischen im Griff zu haben.

Die Lorinser-S-Klasse beschleunigt schneller als das Brabus-Pendant.
Die Messungen bringen unerwartete Resultate: Mit einem Bremsweg von zwei mal über 40 Metern hätten wir in dieser Performance-Liga nicht gerechnet. Nächste Überraschung: Im Beschleunigungskapitel liegt Lorinser vorn. Null bis 200 km/h dauern bei ihm 20,3, bei Brabus 21,1 Sekunden. Nicht unerwähnt lassen wollen wir, dass Lorinser zwei Autos zum Test anlieferte – eines für Fotos, eines für Messfahrten. Letzteres trug Fußwerk in 18 Zoll, statt 20 Zoll wie das Brabus-Auto. Zudem war das Lorinser-Messfahrzeug keine Langversion – und damit 40 Kilogramm leichter als sein ausladender Kontrahent. Trotzdem vermuten wir, dass die Lorinser-Leistungssteigerung auch bei identischer Testwagen-Konfiguration nicht ins Hintertreffen geraten würde.

Zudem kostet sie weniger, wenngleich die Preise auf ähnlichem Niveau liegen – einem hohen. Beide Veredler wissen eben um den guten Klang ihres Namens. Ohnehin eignen sich die zwei S-Klassen mit Preisen von knapp 150.000 Euro nur für Superreiche. Die es aber nicht stören sollte, wenn ihnen ihr Auto die Show stiehlt.

Von

Ben Arnold