Es ist noch gar nicht so lange her, da hießen die Schutzengel im Auto Knautschzone, Sicherheitsgurt und ABS. Das ist längst Standard. Selbst Kleinwagen haben jetzt schon ausgetüftelte Gurtsysteme, dazu eine Armada von Airbags und jede Menge Elektronik, die uns auf Kurs hält. Tag für Tag tüfteln Ingenieure immer aufwendigere Sicherheitssysteme aus.

Das Beste wäre natürlich, einen Unfall ganz zu verhüten, ihn erst gar nicht geschehen zu lassen. Und in diesem Bestreben liefern sich Mercedes und Lexus jetzt ein Wettrennen auf höchstem Niveau. Ein erster Vergleich der beiden Luxus-Dampfer S 500 und LS 460 soll zeigen, wer seine Hausaufgaben besser erledigt hat. Dafür haben wir auf Mallorca, wo der Lexus gerade der Presse vorgestellt wird, eine Teststrecke gemietet.

Lexus fährt mit zehn Airbags vor

Extra-Sicherheit bieten beide nicht etwa gratis. Zu den 82.000 Euro Grundpreis eines Lexus LS 460 kommen noch einmal 14.600 Euro Aufschlag für das komplette Sicherheitspaket. Beim Mercedes S 500 landen wir inklusive Rundum-Schutz bei mehr als 100.000 Euro. Sicher angelegtes Geld. So hält Lexus zum Beispiel mit zehn Luftsäcken ein rekordverdächtiges Airbag-Sortiment bereit. Wie effektiv die allerdings im Falle eines Unfalls schützen, muss erst ein späterer Crash-Test zeigen. Keine Zweifel gibt es über das Fahrverhalten. Und zwar bei beiden Luxus-Limousinen. Sie überzeugen mit einem durchweg souveränen Auftritt. Sauber abgestimmte Fahrwerke und die jeweils rigoros und fehlerfrei unterstützenden Anti-Schleuderhilfen halten die Schiffe auf sicherem Kurs. Bis hierhin herrscht also annähernd Gleichstand. Richtig spannend wird es, wenn wir die Assistenzsysteme vergleichen. Frage: Welches Auto hilft besser, einen Unfall zu vermeiden? Oder: In welchem Auto ist es leichter, eine Gefahrensituation zu umfahren?

Punkt eins: Ausweichen

Bereits vor einem Hindernis verhärten die Luftfedern des Lexus.
Bei Mercedes greift das ESP ins Bremssystem und in die Motor-/Getriebesteuerung ein. Dabei hilft die Wankstabilisierung ABC, dass die Karosserie weniger in die Federn eintaucht. Lexus geht einen wichtigen Schritt weiter. Neben den gleichen ESP-Funktionen werden Lenkkraft, Lenkübersetzung und das Fahrwerk verändert. Bereits vor einem eventuellen Hindernis (bei Mercedes erst während des Ausweichens!) verhärten die Luftfedern, so wird die Karosserieneigung minimiert. Der wichtigste Aspekt: Das System verkleinert die Lenkübersetzung. So ist mit deutlich weniger Lenkbewegung ein schnellerer Richtungswechsel möglich.

Ein 42-Volt-Elektromotor garantiert selbst bei extrem harten Impulsen gleichbleibend geringe Bedienkräfte. Im Ausweichversuch reagiert der LS dadurch extrem spontan, lässt sich spielend leicht dirigieren. Ein weiterer Vorteil der aktiven Lenkung: Auch nach plötzlichem Ausweichen gelingt es leichter, wieder in die richtige Spur zu kommen. In instabilen Fahrsituationen kompensiert die Technik mit korrigierenden Lenkimpulsen mögliche Fahrfehler. So reagiert der LS 460 beispielsweise beim Ausbrechen des Hecks mit leichten Lenkkorrekturen.

Punkt zwei: Radartechnik

Erkennt der Mercedes über sein Radarauge im Kühlergrill ein Hindernis, warnt er den Fahrer. Fällt dessen Reaktion zu zaghaft aus, wirft sich der Bremsassistent energisch ins Zeug. Reagiert der Fahrer gar nicht, bremst die S-Klasse automatisch mit maximal 40 Prozent ihrer Bremsleistung. Noch ausgeklügelter der Lexus. Neben Radartechnik sucht im LS zusätzlich eine Infrarotkamera nach Objekten auf der Straße. Im Infrarotbereich fallen so auch "weiche" Hindernisse (z. B. Tiere) auf. Der Radarstrahl selbst tastet zudem in feiner definierten Teilbereichen ab als beim Mercedes. Damit identifiziert das Lexus-System auch schmale Objekte wie ein Motorrad eindeutig.

Wie bei der S-Klasse geht auch beim LS früh eine Warnung an den Fahrer. Bremst er nicht, schreitet das System mit 60 Prozent maximal möglicher Verzögerung ein. Das spürt man dann heftiger als im Mercedes. Sollte es unter identischen Bedingungen zu einem Aufprall kommen, so würde der Japaner mit deutlich geringerer Geschwindigkeit auf das Hindernis treffen.

Punkt drei: Fahrerüberwachung

Big Brother: Infrarot-Sensoren kontrollieren, wo der Fahrer hinblickt.
Im Lexus wird auch der Fahrer gecheckt. Infrarotlinsen auf der Lenksäule prüfen die Aufmerksamkeit des Chauffeurs. Ist er eventuell abgelenkt? Dreht er gerade den Kopf zur Seite? Wenn ja, dann erfolgt bei drohender Gefahr akustisch oder per kurzem Bremsimpuls ein Hinweis. Selbst bei Dunkelheit tastet das Lexus-Auge die Gesichtszüge des Fahrers ab.

Punkt vier: Spurhaltekontrolle

Noch ein Lexus-Plus. Bei gefährlichem Sekundenschlaf greift die Elektronik ein. Beim Überfahren von seitlichen Fahrbahnmarkierungen wird die elektromechanische Lenkung selbst aktiv, lenkt das Fahrzeug zurück auf die Fahrbahn. Das funktioniert recht gut, solange eine Hand am Lenkrad bleibt. Was übrigens für all die Sicherheits-Wundertechnik gilt: Sie ersetzt nicht den Fahrer. Seine Aufmerksamkeit ist nach wie vor die beste Unfallverhütung. Das war früher so, und das wird wohl auch noch eine ganze Zeit so bleiben.

Fazit von Dierk Möller-Sonntag und Jan Horn

1:0 für die Japaner: Der Lexus LS legt die Messlatte höher.
Das erste Treffen der sichersten Autos der Welt hat noch keinen klaren Sieger hervorgebracht. Denn bei unseren Testfahrten auf Mallorca konnten wir keine Bremswege messen, keinen VDA-Spurwechsel (Elchtest) fahren und natürlich keine Crashversuche machen. Aber: Der Vergleich hat gezeigt, dass die Japaner mit dem Lexus die Sicherheits-Messlatte bei den aktiven Systemen zur Unfall-Verhütung auf ein neues Niveau gelegt haben. Die Lexus-Philosophie ist dabei eine andere als bei Mercedes. Weniger routinierten Fahrern wird mehr Arbeit abgenommen, sie kommen mit gefährlichen Situationen besser klar. So steht es jetzt 1:0 für Lexus – Fortsetzung folgt. Wie sieht es aus mit Bremse, Airbag, Licht oder Sehhilfen? Einen Vergleich der Sicherheitssysteme können Sie hier kostenlos herunterladen. Einfach klicken!

Lexikon: Das bedeuten die Abkürzungen

Distronic Plus: So heißt der Abstandsregeltempomat bei Mercedes.
AVS Adaptive Variable Suspension, variables Luftfederfahrwerk bei Lexus • BA und BAS Bremsassistent • ACC Adaptive Cruise Control, Temporegler mit Abstandsregelung (Lexus) • Distronic Plus Abstandsregeltempomat mit Radartechnik bei Mercedes • ESA Emergency Steering Assist, im Notfall direkter übersetzte Lenkung des Lexus • EBS Emergency Brake Signal, Notbremslicht bei Lexus • Driver Monitoring System Fahrer-Gesichtsfeldüberwachung bei Lexus • LKA Lane Keeping Assist, Spurhaltewarnung und -kontrolle bei Lexus • Neck-Pro Aktives Kopfstützensystem bei Mercedes • PCS und Pre-Safe Precrash Safety System, Präventiv-System zur Unfallerkennung undSchadenminimierung • Advanced PCS Erweiterte Stufe des PCS, fasst unter anderem Driver Monitoring System, Heck-PCS, LKA und ESA zusammen (Lexus) • RDK Reifendruck-Kontrollsystem, überwacht den Luftdruck, zeigt Werte im Display an (Mercedes) • TPWS Tire Pressure Warning System, überwacht bei Lexus den Reifendruck • VGRS Variable Gear Ratio Steering, übersetzungsvariable Lenkung des Lexus • VDIM Vehicle Dynamics Integrated Management, fasst Fahrhilfen wie VSC, VGRS etc. zusammen • VSC Vehicle Stability Control, Stabilitätsprogramm des Lexus. Heißt bei Mercedes ESP • WIL Whiplash Injury Lessening, Schleudertrauma-Schutzsystem bei Lexus • VGRS verändert das Verhältnis zwischen Lenkbewegungen und Radeinschlag