Test Lorinser SL Nardo 3/Techart GT Street Cabrio
Die mit dem Wind tanzen

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Porsche 911 und Mercedes SL verbindet mehr als gedacht: Will der Fahrer bei Tempo 300 Cabrio-Feeling genießen, sollte er bei Lorinser SL Nardo 3 und Techart GT Street Cabrio die eine oder andere Windbö einkalkulieren.
Augenflattern. Auto schießt nach vorn. Der Wind. Stürmt. Will mich bezwingen. Gelingt ihm nicht. Mütze auf. Wegducken. Klein machen. Drei Grad Außentemperatur. Dunkelheit. Nur die Harten kommen in den Garten. Leere Autobahn. Doch nicht. Elefantenrennen. Bremsen. Geduld. Beschleunigung. Weiße Knöchel. Eisbeine. Stehen lassen. 300 km/h. Ausrollen. Der Selbstversuch – von 200 auf 300 km/h – hat sich gelohnt: Nicht wegen der zugezogenen Erkältung. Sondern weil wir jetzt belegen können, was wir bisher nur geahnt haben: Offen fahren kostet Performance – in hohen Geschwindigkeitsregionen sogar ordentlich. Sonnenanbeter verlieren im Vergleich zu Open-Air-Verweigerern beim Weg von 200 auf 300 km/h bis zu 11 Sekunden. So viel Zeit lässt der Lorinser SL liegen, wenn das Klappdach im Kofferraum verweilt. Beim Techart GT Street Cabrio bleiben nur 1,8 Sekunden auf der Strecke – als wäre das Auto für offenes Schnellfahren konzipiert. Natürlich müssen wir die Bedeutung unserer Erkenntnis relativieren: Die beiden Cabrios der Luxusklasse dürften im Performance-Wettstreit nur in den seltensten Fällen ins Hintertreffen geraten – völlig unabhängig von der Verdeckstellung. Techart und Lorinser haben ihre stärksten Pferdchen an den Start geschickt: SL Nardo 3 prallt auf GT Street Cabrio – ein Aufeinandertreffen der Giganten. Als Basis halten SL 600 und 911 Turbo Cabrio her.
Lorinser setzt beim SL auf Breitbau und Lufteinlass-Attrappen

Trotz üppiger Anbauteile ist der GT Street leichter als sein Genspender

Die Messwerte sprechen eine deutliche Sprache: Im Zeitraffer verstreichende 11,4 Sekunden dauert der Ritt auf 200 km/h, bis 300 km/h vergehen 30,9 Sekunden. Damit reiht sich der GT Street in unserer 0-bis-300-km/h-Hitliste hinter dem Enco 911 Turbo Coupé (30,2 Sekunden) und vor dem Mercedes SLR McLaren (31,9 Sekunden) ein. Der Lorinser SL ist auf dem Papier langsamer. Von 0 bis 200 fällt er um 1,9 Sekunden zurück, bis 300 km/h 8,6 Sekunden. Fast begeht man den Fehler, dem deutlich schwereren Mercedes Behäbigkeit zu attestieren. Dabei benötigt seine fünfstufige Automatik gelegentlich einfach einen Gedenkmoment, um sich über den nächsten Schritt klar zu werden. Dann jedoch fällt der Hammer. Und das kann weh tun. Zumindest, wenn man nicht damit rechnet, dass das Auto bei abgeschaltetem ESP umgehend quer kommt – selbst auf schnurgerader, trockener Straße. Das muss und darf so sein: Fast wären wir enttäuscht, wenn angesichts des maximalen Drehmoments von 1015 Newtonmetern nicht derlei Nebenwirkungen aufträten. Kraft seiner zwei Turbolader hat das seit 2002 gebaute Mercedes-Aggregat des modifizierten SL 600 einen längeren Atem als die meisten überehrgeizigen Youngster. Derlei Emporkömmlinge weist das Auto mit einem milden Zwölfzylinder-Räuspern in ihre Schranken – ganz im Tonfall des Erfolgstypen, der sich und der Welt nichts mehr beweisen muss.
Auf der Piste zeigen die Roadster ihre unterschiedlichen Charaktere

Dessen ungeachtet durchgeführte Vollgasfahrten enden bei 318 km/h im Begrenzer. Nur mit einer optional erhältlichen längeren Übersetzung rücken echte 350 km/h in greifbare Nähe. Der Lorinser SL rennt bei Bedarf 325 km/h. Dafür benötigt er zwar einen extrem langen Anlauf, fühlt sich dabei aber pudelwohl. Satt und sicher auf der Straße liegend, kommt das altbekannte beruhigende Mercedes-Trutzburg-Flair auf. Zumindest, solange keiner das Dach öffnet.
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