Deutschland gegen England – das ewige Duell gewinnt an Dynamik. Nachdem die Deutschen im Fußball dominieren (siehe WM 2006), treffen sich die Gegner 2007 auf der Rennstrecke. Die Briten fahren mit dem neuen Europa S auf, die Deutschen wollen mit dem Porsche Cayman Paroli bieten. Ort des Geschehens ist aber kein Stadion, sondern die Motorsport Arena Oschersleben. Wer Lotus fahren möchte, musste schon immer Kompromisse eingehen. Vor allem beim Innenraum. Lotus hält für seine Insassen wie gewohnt eine äußerst schmale Kabine bereit. Große Fahrer müssen ihre Beine stark anwinkeln und stoßen schnell mit dem Kopf ans Dach. Weder elektrisch verstellbare Sitze noch andere technische Spielereien gehören zur Grundausstattung; umso erfrischender kommt diese Rückbesinnung auf die reine Fahrfreude an.

Beide Coupés lieben die sportliche Kurvenhatz

Im Porsche sitzt der Fahrer geradezu auf dem Bodenblech, streckt seine Beine weit in den schmalen Tunnel zu den Pedalen und zieht das etwas zu groß geratene Lenkrad nah zum Körper. Wer ein komfortables und leises Fahrzeug sucht, mit dem er lange Autobahnetappen mühelos abspulen kann, ist sowohl beim Cayman als auch beim Europa S an der falschen Adresse. Beide Coupés sind vornehmlich auf sportliche Kurvenhatz abgestimmt. Der Lotus Europa S ist mit einem von General Motors stammenden Zweiliter-Turbo und 200 PS ausgerüstet. Dabei bewegen die Pferde lächerliche 995 Kilo Leergewicht. Auf 245 PS und 1385 Kilogramm bringt es der Porsche. Der Boxer verlangt nach Drehzahlen. Ab 5000 Umdrehungen zersägt der Cayman dann regelrecht die Luft. Perfekt: die Abstufung des Sechsgang-Schaltgetriebes. Wechselt man haarscharf bei knapp über 7000 Touren den Gang, bleibt der Cayman nahtlos in Schwung. In diesem Zustand ist der Boxer in seinem Element – untermalt vom unverwechselbaren Klang.

Spielerisch und präzise bleibt der Porsche auf der Ideallinie

23,9 Sekunden bis Tempo 200: Das nennt man wohl Porsche-Feeling.
Noch gradliniger und gieriger marschiert der Lotus Europa S vorwärts. Bis 3000 Touren spielt sein Vierzylinder noch ganz den Braven. Weder Sound noch Schub lassen erahnen, was bei weiter durchgestrecktem Gasfuß losbricht. Sonor schnaubend und schlürfend schießt der englische Europäer mit Turbo-Power nach vorn und lässt seiner Drehfreude ungebremsten Lauf. Liegen die beiden Sportcoupés beim klassischen Sprint von null auf 100 km/h noch fast gleichauf, sieht es bei der Hatz auf 200 km/h schon anders aus. Der Lotus braucht dafür 25,1 Sekunden, der motorisch stärkere Porsche nur 23,9 Sekunden. Umgekehrte Verhältnisse dann bei den Elastizitäts-Messungen: Den Überholvorgang von Tempo 80 auf 120 km/h im fünften Gang erledigt der Lotus dank Aufladung und geringerem Gewicht in 6,5 Sekunden. Der Cayman genehmigt sich ganze zwei Sekunden mehr.
Kann der neue Lotus den Porsche auch auf der Rennstrecke abhängen? Obwohl der Cayman auf den ersten Blick bei den Messungen unterlegen scheint, zeigt er dem Lotus, dass geringes Gewicht nicht alles ist. Geradezu spielerisch und mit beeindruckender Präzision zieht der Porsche seine Runden auf der Ideallinie. Traktionsprobleme sind ihm fremd. Irgendwann stellt sich die Frage, was eher passiert: Ob der Grip der Räder abreißt oder sich der Asphalt auflöst – so sehr klebt der Porsche auf der Rennstrecke. Einzig die Lenkung mit großem Volant und üppigem Lenkeinschlag lässt etwas zu wünschen übrig. Dass der Mittelmotor-Sportwagen Lastwechselreaktionen mit anschließendem tückischem Kreiseln quittiert, muss der Cayman-Pilot nicht befürchten. Natürlich profitiert der Porsche hier vom teuren PASM-Fahrwerk (8032 Euro), dessen Sport-Einstellung ihrem Namen alle Ehre macht. In Oschersleben reichte es zu einer Rundenzeit von 1:50,37 Minuten.

ESP gibt es für den Lotus nicht einmal gegen Aufpreis

Puristischer Sportwagen: ESP entspricht nicht dem Stil des Lotus.
Etwas mehr Fingerspitzengefühl verlangt der Lotus Europa S, fordert man ihn auf der Rennstrecke. Trotz schmaler 175er-Bereifung an der Vorderachse baut der Europa S sehr hohe Kurvengeschwindigkeiten auf. AUTO BILD SPORTSCARS-Testfahrer Dierk Möller-Sonntag: "Das Fahrwerk ist kompromisslos auf Rundkurse abgestimmt. Der Wagen übersteuert leicht beim Gaslupfen vor der Kurve, durch erneutes Treten des Gaspedals fängt er sich wieder und geht mit sehr hoher Querbeschleunigung neutral durch die Kurve." Ein helfendes ESP gibt es nicht einmal gegen Aufpreis. Das braucht man auch nicht, denn wer sich für den Lotus. Mit 1:50,88 Minuten ist der Lotus in Oschersleben genauso schnell wie sein deutscher Rivale.

Und was kostet der Fahrspaß? Sportwagen sind nach wie vor teuer. Lotus (49.100 Euro) und Porsche (48.879 Euro) liegen im Grundpreis dicht zusammen. Rüstet man den Cayman jedoch mit Annehmlichkeiten wie Xenon, Navigationssystem und Sportfahrwerk aus, stehen am Ende satte 67.000 Euro auf der Rechnung. Dem mit Navi, Leder und Klima gut ausgestatteten Lotus kann man lediglich andere Lackierungen spendieren. Wie das Duell ausgeht? Deutschland gewinnt nicht nur auf dem Fußballfeld, sondern auch auf der Rennstrecke ganz knapp. Pech gehabt, liebe Engländer. Kleiner Trost: Im Cricket seid Ihr eindeutig besser.

Fazit von AUTO BILD SPORTSCARS-Redakteur Guido Naumann

Vor einer solchen Entscheidung steht man gerne: Lotus oder Porsche?
Porsche Cayman: Der Basis-Porsche-Cayman ist ein ernst zu nehmender Gegner in der Klasse der zweisitzigen Sportler. Überzeugend verbindet er Fahrkomfort mit Fahrdynamik – auf der Rennstrecke schnell und trotzdem alltagstauglich. Lotus Europa S: Das neue Coupé von Lotus ist in puncto Fahrleistungen dem Porsche zwar etwas überlegen und fährt mehr die kompromisslose Sportschiene. Trotzdem gelingt es ihm nicht, den Cayman auf der Rennstrecke abzuhängen. .