Reichen Achtzylinder mit 540 PS und Flunder-Optik zum Rennwagen? AUTO BILD MOTORSPORT wollte es genau wissen. Der Ausritt in der Callaway Corvette Z06R GT3 klärt auf.
Bild: Lena Barthelmeß
Sitze ich in einer Serien-Vette? Warum klingt der V8-Donner so leise, so dumpf – hier in der GT3-Corvette Z06R? Oder sind meine Ohren noch vom Ausritt in der GT1-Corvette von Phoenix Racing im Jahr 2007 verwöhnt? Ich rolle zurück in die Boxengasse. Dort erwartet mich Ernst Wöhr, Besitzer dieses silberfarbenen Keils: "Wir haben wegen der Lärmvorschriften einen 98-Dezibel-Endschalldämpfer für den Tracktest verbaut. Normalerweise donnert unser Ami mit 110 Dezibel über die Piste." "Okay, ich dachte schon, da hinten hat jemand Bananen in die Rohre gesteckt," antworte ich. 98 Dezibel – da ist selbst ein vorbeifahrender Lkw lauter. Aber: Das Sirren und Kreischen von Getriebe und Differenzialen ist auch nicht von schlechten Eltern! Vor allem beim kräftigen Hochschalten. Und das passiert gerade.
Sieht nicht nur fett aus – fährt sich auch so. Die GT3-Corvette ist ein echter Gegner für Porsche und Lambo.Ich bin auf dem Weg zur Parabolika, dem schnellsten Abschnitt des Hockenheimrings. Noch einen Zug am Hebel, jetzt erscheint eine "6" im Display. Das ganze Cockpit vibriert. Gerade noch erkenne ich eine dreistellige Ziffer mit der Zahl 28 vorne dran. Also fahre ich gerade über 280 km/h? Nicht schlecht. Bei all der Begeisterung verpasse ich fast den Bremspunkt. Die rechte Hand schlägt im Sekundentakt den Schalthebel des sequenziellen Sechsganggetriebes immer wieder nach vorn. Den linken Fuß drücke ich mit aller Kraft auf das Bremspedal. Der rechte versucht ab und zu Zwischengas fürs Runterschalten zu geben. Und die linke Hand am Lenkrad hat alle Mühe, die Fuhre auf Kurs zu halten. Das klingt schlimmer als es ist. Denn schon nach zehn Runden geht alles für einen Gastfahrer wie mich viel flüssiger. Weitere fünf Runden und Euphorie kommt auf. Das Gefühl: Ich bin eins mit dem Auto.
Callaway: das erfolgreichste Team in der GT3-EM
Mit der Callaway Corvette haben die Piloten James Ruffier und Arnaud Peyroles bei der FIA-GT3 EM 2008 richtig abgeräumt.Ein Rennen geistert durch meinen Kopf. Und die Frage, wie ich dabei wohl abschneiden würde. Wie viele Sekunden wäre ich wohl hinter den etablierten Piloten mit dem gleichen Auto? Doch bevor ich anfange mit den Callaway-Ingenieuren am Setup zu arbeiten, höre ich für heute lieber mal auf. Callaway – was für ein großer Name. Bekannt als amerikanischer Automobilhersteller und Tuner. Dessen deutsche Zweigstelle Callaway Competition aus dem schwäbischen Leingarten kümmert sich um die Renneinsätze in Europa. In der FIA-GT3-Europameisterschaft 2008 war dieses Team mit den Piloten James Ruffier und Arnaud Peyroles fast unschlagbar. Mit elf Punkten Vorsprung sicherten sich die beiden Franzosen im Z06R GT3 beim Saisonfinale in Dubai den Europameistertitel.
Damit setzten sie die Erfolgsgeschichte der von Callaway entwickelten und aufgebauten Corvette in der hart umkämpften GT3-EM fort. Mit dem Gewinn der EM-Teamwertung 2007, der Fahrer-Vizemeisterschaft 2007 und dem Titelgewinn 2008 ist Martini Callaway Racing das erfolgreichste Team in der seit 2006 ausgefahrenen FIA-GT3-Europameisterschaft. Sämtliche Corvette in der FIA GT3 und bei den ADAC GT Masters kommen aus dem Callaway-Stall. Das Team um Ernst Wöhr hat diese Renn-Vette in Eigenregie entwickelt. Um die Aerodynamik Zu verbessern, wurde im Windkanal getestet.
Von 0 auf 200 in 10,02 Sekunden und 285 Spitze
Die Callaway-Corvette wird von einem sieben Liter Achtzylinder mit 540 PS angetrieben.Der sieben Liter große Achtzylinder leistet mit 540 PS nur 30 Pferde mehr als ein Serienmodell. Dafür wiegt der Renner fast 200 Kilo weniger. Und zusammen mit dem sequenziellen Getriebe sprintet die GT3-Corvette aus dem Stand in nur 3,9 Sekunden auf 100 km/h und in 10,2 Sekunden auf 200. Mit der von mir gefahrenen Übersetzung sind nur 285 km/h möglich. Mit anderen Zahnrädern im Getriebe sind mehr als 320 Sachen drin. Aber das allein entscheidet nicht über den Erfolg dieses Deutsch-Amerikaners. Alles ist in diesem Auto einfach perfekt aufeinander abgestimmt. Motor, Fahrwerk und Bremse harmonieren so gut, dass selbst ein Gastfahrer wie ich zügig um den Kurs kommt. Und so weit entfernt von der von mir schon gefahrenen GT1-Corvette ist diese Flunder nun auch nicht. Nur eben nicht so laut und knallig. Aber der zusätzliche Schalldämpfer lässt sich ja auch schnell wieder ausbauen.
Fazit von AUTO BILD MOTORSPORT-Testfahrer Guido Naumann: Die GT3-Corvette aus dem Callaway-Stall sieht fett aus – und geht auch so! Obwohl der Motor fast Serie ist, lässt sich der Renner dank leichterer Carbon-Karosse, sequenziellem Getriebe und Wahnsinns-Fahrwerk fast wie ein GT1-Wagen fahren. Der Ami-Keil lenkt direkt ein, beschleunigt unglaublich aus Kurven heraus. Das Callaway-Team hat mit seiner Corvette einen strammen Gegner für die Porsche- und Lambo-Armada gebaut.