Ein kurzer Schlag. Das war die Bodenwelle. Jetzt rechts die Einmündung zur kleinen Rettungsstraße – mein Bremspunkt. Fuß vom Gas, rüber aufs Bremspedal. Richtig giftig beißen die Klötze auf die Scheiben. ABS-Sensoren, die für mich fühlen, wann die Blockiergrenze der Vorderräder erreicht ist? Fehlanzeige! Noch ein Stückchen mehr das Pedal nach unten treten, und ich rutsche mit stehenden Reifen am Einlenkpunkt vorbei. Bei jedem Runterschalten heult der 2,0-Liter-Motor hinter mir kurz auf, jedes Einkuppeln lässt die Hinterreifen kurz und herzhaft aufschreien. Einlenken. Mit dem Lenkrad dreht sich meine rechte Hand nach oben, bis über den Cockpitrand. Ich spüre, wie der Fahrtwind jetzt durch jede einzelne Masche des feuerfesten Nomex-Stoffs des Rennhandschuhs pfeift. Meine Finger abkühlt, die das Steuer fest umkrallen. Schnurstracks biegt der offene Renner ab.
Im Lenkrad und Hintern spüre ich den hohen Kerb, über den das linke Vorderrad hinwegfegt. Vor mir sehe ich parallel durch eine Öffnung in der Verkleidung, wie die Schubstange zwischen Radaufhängung und Federbein nach oben schnellt, die liegende Feder wie ein Akkordeon zusammendrückt. Mitte der Schikane. Umlenken. Das Heck schwänzelt leicht. Ich gehe schon wieder sachte aufs Gas, damit die Schaufelräder des Turboladers in Schwung bleiben, sein Ladedruck sofort ansteht. Scheitelpunkt der Ausgangskurve: Lenkeinschlag zurücknehmen, das Gas voll runter. Wie von der Tarantel gestochen springt das Auto vorwärts. Ich bin schneller am kurvenäußeren Kerb, als ich gucken kann. Die Windgeräusche am Helm werden lauter. Hochschalten und raus beschleunigen auf die nächste Gerade.

Das Leichtgewicht macht mächtig Dampf

Herrlich, wie viel Saft in dieser flachen Orange steckt! Aber halt: Genau gesagt sind es nicht mehr und nicht weniger als 240 PS Leistung und 310 Newtonmeter maximales Drehmoment. Aber in der Rennversion des KTM X-BOW (gesprochen Cross-BOW) hat der für Konsorten wie Audi TT (1395 Kilo) und Golf GTI (1336 Kilo) entwickelte 2,0-Liter-Direkteinspritzer mit gerade einmal 825 Kilo Lebendgewicht zu kämpfen. Und damit ist der offene Zweisitzer im Renntrimm – man höre und staune – 35 Kilo schwerer als sein Straßenpendant. "Die Veränderungen für die GT4-Rennversion des X-Bow beschränken sich im Wesentlichen auf zusätzliches Sicherheits-Equipment, das von der FIA vorgeschrieben ist", erklärt Toni Stöcklmeier. Als Produktmanager bei KTM ist er einer der Väter des ersten Autos des Motorrad-Herstellers aus Österreich.

Alles drumrum gebaut

Wobei Auto wohl nicht der treffendste Begriff für den X-BOW ist. Fahrmaschine passt schon eher. Und das erklärt auch, warum bei der Rennversion auf- statt abgespeckt werden musste: Schon das Straßenmodell ist voll auf Sportlichkeit getrimmt. Null Komfort, also auch nichts zum Rauswerfen und Abmagern. Allein die Bauweise ist schon näher an einem Formel-Rennwagen als an einem Sportwagen. Das Kohlefaser-Monocoque dient Pilot und Beifahrer als Innenraum, ist die tragende Struktur des X-Bow. Motor, Getriebe, Achsen – alles ist drumherum gebaut. Bei normalen Autos ist üblicherweise die Blech-Karosse so konstruiert, dass sie die "Innereien" zusammenhält und den beim Fahren wirkenden Kräften standhält, das Auto "trägt". Doch das war den KTM-Ingenieuren zu viel Masse, zu schwer. Sie wollten ein minimalistisches Leichtgewicht, das stärkeren Sportwagen mächtig einheizt. Und deshalb erweckt der X-Bow den Eindruck, halb nackig zu sein. Nur an den Stellen, wo eine glatte Außenhaut aus aerodynamischen Gründen oder Sicherheitsaspekten nötig ist, trägt er minimale Verkleidungsteile.

Schwerer aber schneller

Tracktest: KTM X-Bow GT4
Sauschnell und ultraleicht: Für die GT4-Rennversion musste sogar Reglementbedingt Gewicht zugelegt werden.
Bei fast keinem anderen Auto ist der Blick auf die Technik so ungehindert. Um vom Automobil-Weltverband FIA als seriennaher GT4-Rennwagen in der "Fliegengewicht-Klasse" Sports Light für Rennwagen unter 1000 Kilo zugelassen zu werden, musste oder durfte KTM wenig ändern. Feuerlöschsystem, ein mit extra Kohlefaser-Matten verstärktes Monocoque sowie eine eingebaute Druckluft-Hebeanlage für schnelle Radwechsel an der Box sorgen für die Extra-Kilos. Der Rennauspuff sowie das Fahrwerk mit begrenztem Federweg und Slicks machen ihn dafür aber trotzdem schneller. Alle drei X-Bow landeten so 2008 ganz vorn in der Super-Light-Klasse. Ein maximales Ergebnis – dank minimalem Gewicht.

Fazit von AUTO BILD MOTORSPORT-Testfahrer Martin Westerhoff

Die GT4-Version des X-Bow überzeugt mit Fahrleistungen, die GT-Rennwagen mit rund 500 PS in nichts nachstehen. Vor allem die hohen Kurvengeschwindigkeiten erinnern an Prototypen à la Le Mans. Gas geben, bremsen, lenken – davon geht allerdings immer nur eines. Sonst zickt das Biest, ein Dreher folgt schnell.

KTM X-Bow GT4 "Race" im Motorsport

Tracktest: KTM X-Bow GT4
In der Sports Light-Klasse der EM belegte der X-Bow die Plätze eins bis drei.
Gemeinsam mit Dallara und dem Reiter-Team konstruierte KTM für die Saison 2008 zwei X-BOW-Rennversionen nach dem seriennahen FIA GT4-Reglement. In der "Sports Light"-Klasse der EM fuhren die Deutschen Catharina Felser (26, Platz 3), Christopher Haase (21, Platz 1) und der Niederländer Dennis Retera (22, Platz 2) ihren Gegner davon. Beim Race of Champions (13.–14.12.2008) werden die Renn-Stars auch mit modifizierten Straßen-X-BOW im Wembley-Stadion (London) gegeneinander fahren. 2009 schafft KTM mit dem X-Bow Super Sport Cup eine eigene Wertung in bestehenden Rennserien wie der FIA GT EM oder dem ADAC GT Masters. Für eine Saison (8 Rennen) soll ein Komplett-Paket etwa 100 000 Euro kosten (ohne Reisespesen). Außerdem hat KTM das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring im Visier. Problem: Das Reglement schreibt geschlossene Autos vor. Aber ein Dach könnte KTM sicher noch konstruieren.

Von

Martin Westerhoff