Tracktest Mercedes SLR McLaren 772 GT
Automatisch Silberpfeil

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Exklusiver Ausritt in einem exklusiven Auto. Der Mercedes SLR McLaren 772 GT ist nur wenigen Superreichen vergönnt. AUTO BILD MOTORSPORT durfte ihn auf der Formel-1-Teststrecke von Le Castellet fahren.
Auf ein paar Dinge kann man sich im Rennsport verlassen. Eines davon ist der Zusammenhang zwischen der Motorleistung und der Kraft, die man benötigt, um die Kupplung zu treten. Schließlich sollte sie nicht schon nach dem ersten Startversuch in Rauch aufgehen. Ab etwa 400 PS ist also ein Unterschenkel im Elefantenformat hilfreich. Welche Kraft erfordert also die Kupplung des SLR 722 GT, dessen Achtzylinder-Triebwerk gewaltige 680 PS produziert? Exakt null. Zero. Nada. Der Renner, der Stirling Moss' legendäre Startnummer vom Mille-Miglia-Sieg 1955 im Namen trägt, verwöhnt seinen Piloten mit einem Automatikgetriebe. Und so beginnt die erste Ausfahrt aus der Boxengasse der Formel-1-Teststrecke von Le Castellet im Süden Frankreichs mit einem eher ungewohnten Handgriff.
Der Automatik-Schalthebel will aus der Position "P" wie Parken in die Ebene "D" wie Drive geführt werden. Geschaltet wird danach mit zwei Wippen am Lenkrad. Einmal rechts ziehen bedeutet Hochschalten. Das linke Paddel ist für Gangwechsel nach unten zuständig. "Die Getriebesteuerung hat eine neue Software ohne Vollautomatik", erläutert Paul Field. Der Brite ist bei Ray Mallock Limited (RML) für die Verwandlung des normalen $(LA389318:Mercedes-Benz SLR McLaren 722)$ in die GT-Variante verantwortlich. Dabei verkürzten Elektroniker die automatischen Schaltzeiten von 0,3 auf 0,2 Sekunden. Dennoch sind es gerade diese Gangwechsel, die mich im Laufe der ersten Runden richtig ins Schwitzen bringen. 0,2 Sekunden Schaltverzögerungen bedeuten in der Praxis, dass sich Fahrer und Fahrzeug leicht asynchron durch Raum und Zeit bewegen.
Und plötzlich ist das Heck weg

Der DTM-Champ ist beeindruckt
Einer von ihnen ist Klaus Ludwig (58). "Am meisten beeindruckt mich die Motorleistung", sagt der dreimalige Deutsche Tourenwagen-Meister (1988, 92 und 94). Der kompressoraufgeladene V8-Motor (680 PS), verhält sich genauso, wie es der infernalische Sound aus den armdicken Sidepipes vermuten lässt. Ein mechanisch angetriebenes Gebläse verhindert jedes Leistungsloch. Und so wuchtet das 5,5-Liter-Triebwerk schon bei bescheidenen 4000 Touren das völlig unbescheidene Drehmoment von 830 Newtonmeter auf die Kurbelwelle. Eine Traktionskontrolle hilft, diese Kraft kontrolliert auf den Boden zu bringen. So muss Formel 1 fahren vor dem Verbot von elektronischen Fahrhilfen gewesen sein. Am Kurvenausgang das rechte Pedal kompromisslos aufs Bodenblech drücken, den Rest erledigt Copilot Computer. Nicht, dass der 722 GT deswegen einfach zu fahren wäre. Das Gewicht von etwa 1,5 Tonnen – inklusive Fahrer und Benzin – macht sich vor allem beim Bremsen und Einlenken bemerkbar. Leichtfüßig ist anders. Ebenfalls gewöhnungsbedürftig ist die wegen der tiefen Sitzposition eingeschränkte Sicht. Wo die ewig lange Motorhaube endet, kann man nur ahnen. Erleichtert wird meine Arbeit im Cockpit von einer Klimaanlage. Die ist zwar auf die Betriebszustände Ein und Aus abgespeckt, aber vorhanden. Ebenso wie Servolenkung und Bremskraftverstärker.
Für den Racer bleibt ein wenig Luxus

Fazit: Abgesehen von der gewöhnungsbedürftigen Semi-Automatik ist dieser SLR ein Dampfhammer. Für einen Gentleman-Racer sind die Verstellmöglichkeiten an Fahrwerkund Aerodynamik fast zu komplex. Schade, dass ein Einsatz im offiziellen GT-Rennsport kein Thema ist.
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