Audi-Technik

Warum heißt Fernweh eigentlich Fernweh? Jeder, der schon mal mit einer dicken Benzinkutsche in den Süden geballert ist, kennt die Antwort: Weil dir die Tankrechnungen die Haare vom Kopf fressen - und das tut verdammt weh.

Spaß beiseite. Diese Art von "Fernweh" haben immer mehr Autokäufer satt und steigen um. Sparsame Diesel in großen Schlitten sind längst so normal wie barbusige Strandperlen an der Riviera. Schmeißen wir also alle Vorbehalte über Bord und suchen uns den richtigen Partner für die Tour in den Süden. Ein Alfa 166 wäre schön, ein Audi A6 vernünftig, ein Fünfer-BMW herrlich sportlich und ein Peugeot 607 mal was anderes.

Zweifellos am besten meint es Audi mit uns. Der TDI (131 PS) geizt mit dem Diesel, als müsste Audi-Chef Paefgen jeden Extraliter, den der A6 vertilgt, aus der eigenen Tasche löhnen. Sechs Liter braucht die Limousine im Durchschnitt - und nur selten einen Tropfen mehr. Etwas trinkfreudiger gibt sich der140 PS starke Alfa 166 2.4 JTD: 7,1 Liter. Damit schafft auch er mehr als 1000 Kilometer ohne Tankstopp - von Frankfurt nach Florenz. Für die Reise in die Toskana ist der Alfa zweifellos der ideale Begleiter. Schön wie die Landschaft, aber nicht so extrem geformt wie sein kleiner Bruder 156.

Alfa-Design

Der große Alfa soll optisch länger halten. Und seine Fans sind sich schon heute sicher: Der hat das Zeug, in Ruhe zum Klassiker zu reifen. Da blitzt zwischen moderner Cockpit-Architektur die Schönheit von gestern auf. Chromringe umfassen die Anzeigen, statt durch Gitter strömt Frischluft aus chromumrandeten Öffnungen mit Drehklappen. So, wie vor dreißig Jahren bei Giulia und Bertone-Coupé. Sogar ein Holzlenkrad wie beim alten GTV gibt's wieder. Kostet heute zwar Aufpreis, (235 Mark), aber wer will, kann sich damit immerhin ein Stück Lebensart ins Auto holen.

Das bringt Sympathiepunkte. Und die hat der 166er nötig. Denn beim Platzangebot schummelt er wie die Hütchen-Spieler vor dem Mailänder Dom. Mit einem konkaven, also nach innen gewölbten Armaturenbrett wird Raumgefühl vorgegaukelt. Ziemlich clever, denn der Alfa ist eng geschnitten. Vorn wie hinten. Und hinten helfen auch keine Tricks mehr. Vordersitzlehne, Türen, Dach - das ist alles recht nah. So wie es Alfisti mögen? Nun ja. Das Sechsganggetriebe zumindest dürfte ihrem Spieltrieb entsprechen. Aber auch das ist leider eine Krücke, um den vergleichsweise schmalen Bereich zu kaschieren, in dem der kernig klingende Fünfzylindermotor Kraft hat. Funktioniert gut, wenn man viel schaltet, ist aber nichts für Fahrer, die eher entspannt reisen wollen. Die werden auch mit der Fahrwerksabstimmung wenig anfangen können. Solange der 166er auf glatter Straße dahinrollt, ist alles tutto bene. Doch wenn la Strada nicht mehr so bene ist, wird's ungemütlich. Der Alfa ist unterdämpft. Dazu fehlt den Vordersitzen Halt, und große Fahrer können nur mit leicht gespreizten Beinen hinter dem Lenkrad hocken. Zwar bietet das agile Handling Fahrspaß, aber gefühllose Lenkung und schwache Bremse trüben den Genuss.

Setzen wir die Reise im Audi fort. Gerade erst optisch dezent aufgefrischt, entdecken wir in ihm den Teutonen schlechthin. Ein Auto, das dir direkt sagt: "Mit mir machst du nichts falsch." Vor allem nicht mit dem Motor. Der Turbodiesel mit Pumpe-Düse-Technik und 131 PS ist nominell zwar der schwächste im Vergleich, in der Praxis aber der agilste. Mit seiner enormen Kraft flitzt er leichtfüßig über den Brenner und souverän im hohen Gang durch die Altstadt von Bari. Schalten, bremsen, lenken, durch enge Gassen manövrieren - das macht der Audi so locker, als hätte er italienisches Blut im Tank und nicht der Alfa.

BMW-Komfort

Im Gegensatz zu seinem Italo-Kollegen 166 kann der A6 sehr wohl Sport und Komfort unter eine Karosserie bringen. Denn neben der Optik hat Audi auch gerade das Fahrwerk überarbeitet. Das Stuckern der Vorderachse ist verschwunden. Was jetzt noch durchdringt, schlucken die Supersitze. Alles andere schluckt der Kofferraum. In keinen anderen passt so viel Gepäck wie in den A6. 520 Kilo dürfen geladen werden, 551 Liter. Dabei handelt es sich nicht einfach nur um einen DIN-Wert für den Prospekt, sondern um echten, nutzbaren Raum. Absolut rechteckig - ohne störende Radkästen, Ecken und Kanten. Locker bringen wir bis zu sieben Koffer darin unter. Glatt einer mehr als bei BMW.

Der Fünfer bietet auch innen fühlbar weniger Platz. Alles ist prima verarbeitet, fühlt sich hervorragend an und lässt sich bestens bedienen, trotzdem wünschen wir uns in der Oberklasse mehr Luft zum Atmen. Vor allem vorne am Armaturenbrett. Diese Nähe zum Fahrer passt eher zum Dreier. Wie auch der Motor. Hier im Fünfer wirkt der Zweiliter-Diesel trotz 136 PS eine Nummer zu klein. Wir ärgern uns über seine Anfahrschwäche und unbefriedigende Elastizität. Dafür fasziniert seine Laufruhe. Der BMW ist tatsächlich der Gleiter in diesem Quartett. Mit unerwartet hohem Komfort. Bei der Federung setzt BMW klar und konkurrenzlos den Maßstab. Selbst über übelste Rüttelpisten scheint er hinwegzuschweben.

Ihren Anteil am Federungskomfort leisten auch die serienmäßigen 15-Zoll-Räder, auf die Reifen mit 65er-Querschnitt montiert sind. Die Konkurrenz rollt ausnahmslos auf 16-Zoll-Rädern mit flacheren 55er-Reifen. Allein das führt zu spürbar mehr Fahrkomfort bei BMW. Wieso es für den Fünfer aber kein elektronisches Stabilitätsprogramm gibt, bleibt das Geheimnis von BMW. Peugeot liefert es (wie Audi) ab Werk. Im Notfall greift es schnell und sanft ein, hält so die große Limousine in der Spur.

Peugeot-Format

Groß ist der 607 wirklich. Riesengroß sogar. Wozu bei diesem Platzangebot überhaupt noch eine Mercedes S-Klasse? Dazu kommen eine opulente Ausstattung, sorgfältige Verarbeitung sowie hochwertige Materialien. Da fährt Luxus mit.

Also lehnen wir uns im Fond zurück, strecken die Beine aus und lauschen auf dem Weg nach Süden dem Motor. Ist das wirklich ein Diesel? Vom typischen rauen Klang ist im 607 nichts zu hören. Vorbildlich haben die Franzosen die Motorgeräusche auf ein Minimum reduziert. So leise läuft derzeit kein anderer Vierzylinder-Diesel. Umso erstaunlicher, dass der 607 bei unseren Geräuschmessungen nicht glänzt. Der simple Grund: zu hohe Wind- und Abrollgeräusche.

Zum Sprinter fehlen dem 607 zwar Spontaneität und Antrittskraft des Audi, dafür liegt seine Stärke im Durchzugsvermögen. Elastisch und geschmeidig reagiert er bei mittleren Drehzahlen aufs Gas, hält sich beim Überholen nicht allzu lange auf. Ganz auf Komfort ausgelegt ist auch die Schaltung. Schön leichtgängig. Über die etwas zu langen Wege können wir bei einer Reise-Limousine hinwegsehen. Mehr stören die zu gefühllose Lenkung und der zu große Wendekreis beim Rangieren.

Wir lernen: Fernweh ist heilbar - aber nicht billig. Am günstigsten gehen wir mit dem A6 auf große Fahrt: 58.968 Mark. Doch wie bei jeder Reise kommt es auf das klein Gedruckte an: Denn mehr Luxus steckt zweifellos in den Pauschalangeboten von Alfa und Peugeot.

Testergebnis

Fazit So weit, so gut. Das können wir bei dem vorliegenden Testergebnis wörtlich nehmen. Alle vier fahren auf hohem Niveau - nicht nur als Urlaubsgleiter. Selbst der vergleichsweise kleine Alfa erreicht eine 3+. Seine Schwächen verzeichen ihm echte Alfisti leichten Herzens. BMW, eigentlich Synonym für Sportlichkeit, spielt hier mit dem antrittsschwachen Zweilitermotor eher die Rolle des Konservativen, verwöhnt dafür mit Komfort. So wie Peugeot mit viel Platz und Ausstattung. Im 607 steckt schon ein Hauch Luxusklasse. Dafür hat Audi den A8. Der A6 soll nur in seiner Klasse glänzen. Ein Anspruch, den er nach dem Facelift mit Bravour erfüllt.