Multi-Talente unter sich

Von Magret Hucko Es gibt Männer, die behaupten, dass die meisten Mini-Vans dann am schönsten sind, wenn man sie mit dem Hintern ansieht. Lieber würden sie zwei Monate auf den Stammtisch verzichten oder Fahrrad fahren, bevor sie mit einem dieser bauchigen Mutterschiffe vor dem Kindergarten parken. Typisch Männer! Sie verrennen sich in Äußerlichkeiten und verlieren dabei den Blick fürs Wesentliche. Denn diese Mini-Vans sind superpraktisch. Wahre Raumwunder. Großartige Bierkastenschlepper. Tadellose Umzugslaster und Baumarktbesucher. Und die Kleinen reagieren so flexibel auf Veränderungen, dass sie jeder Autofahrer dafür küssen müsste.

Das neueste dieser Multi-Talente heißt Opel Meriva, ein Mini-Van auf Corsa-Basis, dessen Radstand mit 2,63 Metern fast an den des Zafira heranreicht (2,69). Die Schale des Opel-Eis ist typisch für einen Van: ein kugeliger Mutterbauch, dessen Anblick beim Fahrer Schutzinstinkte weckt. Das Heck wölbt sich wie ein Schild, ausgerüstet mit warnend lang gezogenen Rückleuchten. Und von vorn guckt der Meriva so treu, dass man ihm am liebsten lange Wimpern ankleben möchte.

Der Opel ist eben ein wahrer Freund – so einer, mit dem man Pferde stehlen kann. Zumindest eine ganze Herde Schaukelpferde. Möglich macht es das Raum- und Sitzkonzept FlexSpace, das meisterlich im Stühlerücken ist. Opel hält mehrere Patente darauf. Bei der dreigeteilten Rückbank klappt nämlich alles – wenn der Fahrer es will, fallen die hinteren Plätze sogar ganz zusammen und machen Platz für 2005 Liter oder ein 2,40 Meter langes Surfbrett. Vorausgesetzt, der Wellenreiter hat gegen 110 Euro Aufpreis den klappbaren Beifahrersitz gekauft.

Schluckspecht Opel Meriva

Die beiden äußeren Sitze im Fond lassen sich vor-, zurück- und auch nach innen schieben, nachdem das schmale Polster in der Mitte auf Höhe der Sitzflächen abgetaucht ist. So flexibel wie die Sitze reagieren auch die Lehnen: Sie lassen sich von kerzengerade bis gemütlichschräg kippen. Leider habe ich – ganze 1,65 Meter groß – die Traum-Position am Lenkrad des Meriva nicht gefunden. Zwar lässt sich das Steuer wie bei allen der vier Vans in der Höhe verstellen, aber der Schalthebel des Opel liegt viel zu weit hinten, sodass ein Einlegen der Gänge nur mit angewinkeltem Arm möglich ist. Und auch die Schaltung selbst ist hakelig.

Die elektrische Servolenkung leistet weniger Widerstand und führt uns gutmütig um jede Kurve, sogar in Krisenzeiten bleibt der Meriva dank ESP und einem souveränem Fahrwerk spurtreu. Das Stabilitätsprogramm gehört allerdings nicht zur Serienausstattung, sondern muss mit 525 Euro extra bezahlt werden. In Kombination mit dem automatisierten Getriebe Easytronic und dem 1,7-Liter-Dieselmotor (75 PS) ist ESP vorläufig nicht lieferbar. "Wir arbeiten gerade an der Abstimmung", verrät Opel-Sprecher Manfred Daun. Meriva mit Automatikgetriebe müssen also zunächst ohne elektronischen Schutzengel auskommen.

Ohne blauen Umwelt-Engel sowieso. Zwar erfüllt der Opel-Van die Abgasnorm Euro 4, verbraucht aber mit seinem 1,6-Liter-Benzinmotor im Schnitt 8,3 Liter. Die Konkurrenz begnügt sich mit weniger. Der Yaris schluckt im Schnitt 7,3 Liter, der Ford Fusion 7,4, und selbst der A-Klasse reichen 8,2 Liter.

Yaris-Fahrwerk schwächelt

Ja, der Toyota Yaris 1.3 (86 PS) ist ein Vernunftauto. Praktisch, aber alles andere als ein Designwunder. Auch nach seinem Facelift ist er immer noch so uneitel, dass er sich für seinen Fahrer beinahe opfert. Auf seinem Rücken trägt er einen dicken Kasten spazieren, als würde er permanent eine Telefonzelle transportieren. In diese Kiste (1930 Liter) passt nahezu alles: Wäschetrockner, Kinderbett oder Mountainbike. Die beiden hinteren Sitze verschwinden samt Kopfstützen im Fußboden, und der Platz in der Mitte lässt sich ausbauen.

Das Fahrverhalten des Japaners ist weniger zuvorkommend. Nach einer kurvigen Strecke zeigten die Passagiere leichte Anzeichen von Seekrankheit und wollten lieber in die Konkurrenz von Fusion, Meriva oder A-Klasse umsteigen. Der Yaris neigt sich bei Ausweichmanövern extrem zur Seite und kontert abrupte Spurwechsel mit gemeinen Gegenschlägen. Die Servolenkung ist so gefühlsecht wie eine Packung Knetgummi: Der Fahrer gewinnt den Eindruck, Lenkrad und Räder stünden in keinem Kontakt.

Dafür steckt der Yaris kleine Spurrillen großzügig weg, bei größeren Unebenheiten müssen die Passagiere mit ihm leiden. Jedes Loch im Asphalt bedeutet einen Schlag in den Nacken. Ähnlich hart transportiert der Ford Fusion seine geladenen Gäste über Fahrbahnabsätze. Sein 1,4-Liter-Motor (80 PS) ist etwas kraftlos, die ganze Sportlichkeit des Fusion steckt im Fahrwerk, das aufgrund seiner gelungenen Abstimmung beinahe kein ESP benötigt. Im Grenzbereich schiebt er weder extrem über die Hinter- noch über die Vorderräder.

Viel Platz im A-Klasse-Fond

In solchen Situationen hilft in der Mercedes-Benz A-Klasse sofort das Stabilitätsprogramm ESP, das seit dem Elchtest zur Serienausstattung gehört. Die Lenkung der langen A-Klasse ist wie bei einem Computerspiel. Der Fahrer erhält über das Steuer kaum Rückmeldung.

In der A-Klasse-Langversion sitzen Reisende sowieso am besten hinten. Um elf Zentimeter können die Sitze längs verschoben oder sogar ganz ausgebaut werden. Bei zurückgefahrenen Sitzen entsteht eine Beinfreiheit wie auf einer Chaiselongue. Allerdings ist die Sitzfläche in der viersitzigen A-Klasse nicht klappbar wie im Fusion, im Fünfsitzer klappt dann alles wie gewohnt: Sitzlehne und -polster machen Platz für 1240 Liter Gepäck.

Der Mercedes-Benz vermittelt trotz seiner Höhe ein Gefühl der Enge – als würde einem gleich das Dach auf den Kopf fallen. Nachdem die A-Klasse vor zwei Jahren in die Verlängerung gegangen ist, entstand fast nebenbei ein verbesserter Federungskomfort. Weil die 17 Zentimeter mehr Auto einen vergrößerten Radstand erforderten, fährt die Langversion auch angenehmer über Feldwege als der kurze Bruder. Ist doch gut zu wissen, dass die Passagiere auch auf Abwegen bequem reisen können. Nur für den Fall, dass man(n) sich lieber nicht mit einem Van auf der Hauptstraße blicken lassen will.

Technische Daten und Testwerte

Die Bremswege aller Vans sind mit über 40 Metern zu lang. Bei A-Klasse, Verso und Meriva verlängert sich der Bremsweg, wenn sie warmgelaufen sind. Der Fusion bremst dann besser.

Kosten und Ausstattungen

Beim Preis schießt die Mercedes-Benz A-Klasse ganz klar den Vogel ab. Der Stuttgarter kostet rund 3500 Euro mehr als die Konkurrenz.

Fazit und Wertung

Fazit Der Opel Meriva ist wie ein Überraschungsei: Das Beste steckt unter der Schale. Sein Raum- und Sitzkonzept macht beinahe alles möglich. Aus dem Zweisitzer wird im Handumdrehen ein fünfsitziger Familien-Van. Meriva-Besitzer brauchen dafür nicht einmal eine Abstellkammer: Die Sitze versinken im Auto. Trotz des guten Kerns ist nicht alles perfekt im Opel-Van: Der Verbrauch ist zu hoch, die Schaltung hakelig und der Bremsweg zu lang. Das kann die Konkurrenz, insbesondere der Ford Fusion, besser. Der kleine Kölner ist trotz seines vierten Platzes mein heimlicher Favorit. Das Fahrwerk ist einfach nicht zu toppen.