Es ist einer dieser Träume, von denen Autoverrückte wie wir hoffen, sie mögen irgendwann in Erfüllung gehen. Du stehst mit vier der stärksten, schnellsten und seltensten Supersportwagen auf einer einsamen, eigens für dich abgesperrten Autobahn. Dreispurig. Flach wie eine Bowlingbahn und so weit das Auge reicht. Fern am Horizont geht die Sonne auf, während das Anlassen der Motoren die Stille durchbricht. Moment! Das ist gar kein Traum? Korrekt. Es ist die Startbahn des Jagdbombergeschwaders 32 ECR. Exakt 2778 Meter lang, 27 Meter breit. Geographische Lage: 10°52' östlicher Länge, 48°11' nördlicher Breite. Lagerlechfeld/Bayern. Luftwaffenstützpunkt und Basis einiger der besten Piloten der Bundeswehr. Knapp 2000 Mann sind hier stationiert, 900 davon für die Technische Wartung der Flugzeuge zuständig und rund 400 im Pilotenstab. Das 577 ha große Gelände beherbergt 33 Kampfjets vom Typ Panavia Tornado ECR in seinen Hangars. Jeder schwer wie ein Tanklastzug, dabei bis zu 2300 km/h (Mach 2) schnell. Kosten pro Stück einst: 70 Millionen Mark – und selbst für Pazifisten ein erhabener Anblick. Bloß, das interessiert im Moment keine Menschenseele. Zumindest niemanden, der ein Bundeswehr-Abzeichen trägt. Stattdessen schart sich die halbe Kompanie wie ein Rudel hungriger Wölfe um unsere vier Hauptdarsteller: Lamborghini LP 640, Mercedes SLR McLaren, Ruf Rt 12 und Saleen S7 Biturbo. Besonders die Piloten, die sonst bei sogenannten "Airfield Attack"-Manövern mit bis zu 1,1 Mach (1400 km/h) nur 30 Meter über Grund, Wasser oder durch Canyons fliegen, gleichzeitig in ihren Spezialanzügen und mit Pressatmung Kräfte von bis zu 8g (achtfaches Körpergewicht!) aushalten, haben nur noch Augen für diese vier Herrscher der Straße.

Der LP 640 ist getarnt wie ein Stealth-Bomber

Vier gegen einen: Supersportler bereit zum Duell mit dem Tornado.
Vier gegen einen: Supersportler bereit zum Duell mit dem Tornado.
Aber auch wir blicken gespannt auf unser Vorhaben, die Boliden von null bis 300 km/h zu beschleunigen: Welcher ist der Schnellste? Reicht die Länge der Startbahn? Treten Probleme auf? Was ist mit der Aerodynamik? Fragen, die es zu beantworten gilt. Also installieren wir unser "2D"-GPS-Messgerät und fangen an. Als Erstes ist der Lamborghini fällig. Getarnt wie ein Stealth-Bomber, fällt der mattgraue LP 640 zwischen all den Kampfjets kaum auf. Dieser Wagen ist Top-Gun pur. Martialisch, bedrohlich, roh. Unverwechselbar. Und noch stärker als sein Vorgänger: Durch eine Hubraumvergrößerung von 6,2 auf 6,5 Liter leistet der Murciélago jetzt 60 PS mehr – insgesamt 640 PS. Das Fahrwerk wurde mit neuen Dämpfern und anderen Stabilisatoren ausgestattet, um das Handling zu verbessern und vor allem die Lastwechselreaktionen des 1665 Kilo schweren Supersportlers zu entschärfen. Auf der Nordschleife hat Testfahrer Giorgio Sanna damit laut offizieller Angabe eine Zeit von 7 Minuten und 40 Sekunden erzielt, die Topspeed wurde mit 342 km/h gemessen. Hört sich gut an, doch wir wollen erst mal wissen, was die Beschleunigung hergibt.

Tarnkappenbomber auf Rädern: der Lamborghini Murciélago LP 640.
Tarnkappenbomber auf Rädern: der Lamborghini Murciélago LP 640.
Unser Testwagen ist mit automatisiertem Schaltgetriebe (E-gear) und Launch-Control ausgerüstet, so soll der Spurt auf 100 km/h in 3,4 Sekunden gelingen. Eine Visco®-Kupplung verteilt bei solch einem Jump-Start die Antriebskraft des Allradlers zu 80 Prozent an die Hinterachse. Nach ausreichender Aufwärmphase rollt der italienische Stier heiser röchelnd an den Start. Wir aktivieren die Launch-Control oder besser gesagt, die Abschussvorrichtung: Traktionskontrolle aus, "Sport"-Taste ein (für schnellere Schaltzeiten), Räder gerade, Wippe ziehen, erster Gang, Fuß von der Bremse, Hände ans Lenkrad, kurz durchatmen … – und blitzschnell wie ein Kickboxer das Gaspedal durchtreten.

Was dann passiert, macht den Piloten zum Passagier. Die Drehzahl jagt hoch, während der Wagen noch für knapp eine Sekunde im Stand verharrt. Plötzlich ein Schlag ins Kreuz, die Einscheiben-Trockenkupplung hat bei 5000/min zugebissen: "Verdammt, fliegt mir jetzt der komplette Antriebsstrang um die Ohren?!" Die gewaltigen 335er-Walzen drehen kurz durch, suchen Grip. Finden ihn. Und dann geht’s ab. Mit diabolischem Gebrüll fliegt der V12-Lambo förmlich davon, durchbricht im ersten Gang die 100 km/h – und schafft deshalb überragende 3,3 Sekunden, Tempo 200 fällt bei 11,1 und die 300er-Marke schließlich bei 33,3 Sekunden. Eine deutliche Ansage an die Konkurrenz.

Das Herzstück des SLR ist ein 5,4 Liter großer V8-Kompressormotor

Der Mercedes SLR McLaren versucht sich als Nächstes. Bullig blubbernd wie ein Power-Boat aus Miami Vice bewegt sich der mitternachtsblaue Sternenkreuzer an den Soldaten vorbei. "Unser Kommodore fährt auch Mercedes", raunt Oberstleutnant Volker Heilmann, Chefausbilder der Kampfpiloten, schmunzelnd herüber. "Aber natürlich keinen McLaren." Das Herzstück des SLR ist ein 5,4 Liter großer V8-Kompressormotor – ach was, eher eine Triebwerkskulptur. Allerdings haben die 626 PS und 780 Newtonmeter Drehmoment null Bock aufs Museum, sondern suhlen sich lieber im Öl der Trockensumpfschmierung. Das hat jetzt knapp über 90°C Temperatur, ideal für einen ersten Vollgastest. Wir wählen den Sport-Modus der Fünfgangautomatik. Das Ansprechverhalten ist nun schärfer, die Schaltzeiten am kürzesten.

ESP aus, Wählhebel auf "D". Linken Fuß auf die Bremse, rechts aufs Gas – und bei knapp 3500 Touren heißt es: Feuer frei. Die ewig lange Haube reckt sich himmelwärts, das Heck geht in die Knie und mit grollendem Getöse aus den Sidepipes rast der SLR vorwärts. Subjektiv ist der gefühlte Schub im McLaren-Mercedes am eindrucksvollsten. Vor allem zwischen 100 und 200 km/h demonstriert er, welche Power in ihm steckt. Zwar verliert er den Start (3,9 Sekunden von 0 auf 100) gegen den Lambo, holt dann aber mächtig auf und passiert den 200-km/h-Messpunkt in exakt der gleichen Zeit (11,1s). Erst oberhalb von 280 km/h kämpft der SLR mit seinem mäßigen cw-Wert von 0,37. "Ganz schön knapp. Die 300 erreicht er erst einen halben Kilometer vor Ende der Landebahn", berichtet SPORTSCARS-Testfahrer Henning Klipp. "Sofort danach musste ich in die Eisen" – die sind übrigens aus Keramik und verzögern erstklassig.
Der Saleen ist an der Reihe. Ein amerikanischer Enzo, ultraflach (1041 mm), Seriennummer "047". Es ist der erste Test eines Saleen S7 Biturbo in Europa überhaupt. Wir wollen das Geheimnis des "Bugatti-Jägers born in the USA" lüften. Spannende Frage: Wird er die unglaubliche Werksangabe von 2,8 Sekunden für den Spurt auf 60 Meilen (96 km/h) erreichen? Vom Aussehen ist dem S7 alles zuzutrauen. Zahlreiche Kiemen sowie eine überdimensionierte Dachhutze sorgen für Kühlung der Brembo-Bremsen (ohne ABS!) und Frischluftzufuhr für den V8-Biturbomotor. Zwei gewaltige Garret GT37 Lader pushen den Siebenliter-Giganten auf 750 PS und 950 Newtonmeter maximales Drehmoment. Elektronische Helferlein? ESP? Airbags? Fehlanzeige! Dafür gibt’s einen integrierten Überollkäfig, optional Fünfpunkt-Renngurte – und eine Rückfahrkamera im LCD-Monitor der Kenwood-Anlage. Bei den Piloten kommt der Saleen bestens an, aber nur bis zum Start. Zwar produziert die Vierrohr-Auspuffanlage auf Kommando infernalischen Rennwagensound, doch das Rasseln der Sintermetallkupplung weckt Misstrauen: "Wenn mein Jet solche Geräusche machen würde, würde ich keinen Meter fliegen."

Der US-Supersportler Saleen S7 Biturbo enttäuscht

Bloß nichts schleifen lassen: Bei 286 Sachen setzt der Saleen auf.
Bloß nichts schleifen lassen: Bei 286 Sachen setzt der Saleen auf.
Unser Testfahrer ist in diesem Punkt weniger zimperlich. Nachdem er seine 1,93 Meter an den geöffneten Flügeltüren vorbeigewunden, den engen Fußraum (keine Chance ohne Rennfahrerschuhe!) erkundet und es sich hinter dem winzigen Lenkrad "bequem" gemacht hat, kann’s losgehen. Direkt der erste Start gelingt, die Michelin Sport Pneus drehen nur kurz durch, dann schießt der rote S7 mit berstendem Krach davon. Der Sound aus den vier Auspuffrohren hallt noch nach, obwohl der Wagen bereits nach wenigen Sekunden nur noch als Punkt am Horizont zu sehen ist. Wow, das sah schnell aus … Doch das Ergebnis ist ernüchternd: "nur" 4,2 Sekunden bis hundert. Die Zielvorgabe Dreihundert endet gar bei 286 km/h – Grund: die aerodynamisch ausgefeilte Kohlefaser-Karosserie (extrem langes Heck, glatter Unterboden, Diffusor) produziert so viel Anpressdruck, dass die Carbonlippe bei diesem Tempo über den Asphalt schrubbert. Weiterbeschleunigen unmöglich.

Kurz darauf macht der Saleen überhaupt keinen Mucks mehr. Eine defekte Lichtmaschine verhindert weitere Versuche und erklärt im Nachhinein die fehlende Leistung und schlechte Beschleunigung. Leider entfallen damit weitere Messfahrten und folglich die Werte für Elastizität und Bremsen. Wir holen es nach, versprochen. Als kleine Entschädigung können wir vorab mit Werten dienen, die unsere amerikanischen Kollegen von "Road&Track" gemessen haben: Dort beschleunigte ein Saleen S7 Biturbo in 3,4 Sekunden auf 60 mph, in 6,2 auf 100 mph (160 km/h) und in 12,1 Sekunden auf 150 mph – was ungefähr 240 km/h entspricht.

Mit einem getunten Porsche 911 zum Sieg

Der Ruf Rt 12 ist von ganz anderem Kaliber als der anfällige Ami-Bolide. Leistung trifft Zuverlässigkeit, lautet beim bayrischen Kleinserienhersteller die Devise. Es gilt eben, einen guten Ruf zu verteidigen – und der besagt in der zwölften Generation: 911 Turbos noch besser zu machen, als sie ohnehin schon sind. So liegen zum Beispiel die Öffnungen zur Anströmung der Ladeluftkühler beim Rt 12 wie schon beim Vorgänger direkt auf den hinteren Kotflügeln. Das ermöglicht schnellere Luftzufuhr und optimiertes Ansprechverhalten. Bis auf die knallblaue Außenhaut hinterlässt der Rt 12 im Vergleich zur Konkurrenz einen dezenten Eindruck. Außen stechen die typischen Sport-Außenspiegel und der geteilte Heckspoiler ins Auge. Im Cockpit geben Schalensitze und Drei-Punkt-Gurte perfekten Halt, das mit Wildleder bezogene Volant sichert Griffigkeit bei Topspeed. Für Nordschleifentrips empfiehlt sich als Extra für 11.000 Euro außerdem ein Überrollkäfig.

Blauer Knaller: Den Ruf Rt 12 schlägt zwar der Tornado – sonst aber keiner.
Blauer Knaller: Den Ruf Rt 12 schlägt zwar der Tornado – sonst aber keiner.
Das wahre Meisterstück bleibt jedoch im Verborgenen: Zwei Abgasturbolader, 3,8 Liter Hubraum, Trockensumpfschmierung, Titanpleuel, hydraulischer Ventilausgleich, Getriebeölkühlung und weitere Finessen sitzen im Heck. Offiziell stehen 650 PS und 870 Nm an. Der Rumpfmotor und das Getriebe stammen vom Porsche 996 Turbo. Der Rest ist selbst entwickelt: "Bis auf das Kurbelwellengehäuse haben wir alles ausgetauscht", erklärt Ruf-Pressesprecher Marc Bongers. Sind die Zylinder in der Abfolge 1-6-2-4-3-5 gestartet, tut sich erst wenig: Harmlos wie Frau Holle rollt der Sechszylinder-Boxer an den Start.

Das dann folgende Inferno, lässt sich am besten genießen, wenn man an der 500-Meter-Markierung wartet. Als wolle er dem Tornado die Show stehlen, schießt der allradgetriebene Rt 12 mit geöffneten Bypässen und Triebwerkdonnern vorbei. Begeisterung beim Testpiloten: "Phantastisch! Sagenhafter Schub und erstaunlich leichtgängige Kupplung. Damit kann man sonntags ja sogar zum Brötchenholen fahren." Die würden definitiv ofenwarm auf dem Frühstückstisch landen, denn auch die Zeiten sind mehr als beeindruckend: 3,4 Sekunden bis hundert, 9,8 Sekunden auf 200 km/h und 24,8 Sekunden bis Tempo 300 – schlichtweg sensationell! Die nicht gerade schwache Konkurrenz verweist der Ruf-Turbo vor allem bis Tempo 300 damit deutlich auf die Plätze.

Einzig den Tornado-Jet kann auch er nicht unterbieten. Sehr zur Beruhigung der anwesenden Piloten, die bei aller Bewunderung für die Hochkaräter auf vier Rädern eine Niederlage ihrer "fliegenden Schätzchen" wohl härter als zugegeben getroffen hätte. Am Ende dieses "traumhaften" Tages machen wir uns auf der überfüllten Autobahn A9 auf den Rückweg. Mit der Erkenntnis, dass manche Autos in ihrem vorherigen Leben als Kampfjet zur Welt gekommen sind (Murciélago), andere mehr versprechen, als sie halten (Saleen S7), auch große Hersteller faszinierende Exoten bauen (Mercedes SLR McLaren) und es nur einen Sieger geben kann – den Ruf Rt 12. Er bietet einen vergleichsweise fairen Preis, verblüffende Alltagstauglichkeit und – in diesem Vierervergleich nicht ganz unerheblich – die besten Fahrleistungen.

Die technischen Daten des Tornado-Jets

Seit mehr als 50 Jahren leistet das Jagdbombergeschwader 32 der Schwabstadlkaserne seinen Beitrag zur Friedenssicherung und Landesverteidigung im Rahmen der Bundeswehr und zugleich des NATO-Bündnisses. Der bayrische Stützpunkt ist einer von sieben "Fliegenden Kampfverbänden" der Luftwaffe. Rund 2000 Soldaten sind hier stationiert, davon 900 für die Wartung und Technik der Maschinen sowie 400 im Pilotenstab. Der Stützpunkt verfügt als Einziger in Deutschland über 33 sogenannte Tornado ECR Jets, die modernste Variante dieses Kampfflugzeugtyps. Die Abkürzung ECR (Electronic Combat and Reconnaissance) steht übersetzt für: Elektronischer Kampf und Aufklärung. Speziell diese Jets sind durch ihre moderne Sensorik in der Lage, feindliche Radarstellungen im Tiefflug zu erkennen und zu bekämpfen. Da kein weiterer NATO-Partner bis dato über ein ähnliches Hightech-Waffensystem verfügte, kamen acht ECRTornados des Jagdbombergeschwaders 32 im Auftrag der NATO im Kosovo-Konflikt Mitte der 90er Jahre zum Einsatz. Ziel: Überwachung und Schutz vor Boden-Luft-Raketen der serbischen Armee. Es war der erste bewaffnete Einsatz seit Gründung der Bundeswehr.

Der Tornado verfügt über zwei Düsentriebwerke, die mit Nachbrenner Überschallgeschwindigkeiten ermöglichen. Dabei wird der Treibstoff direkt in den Abgasstrahl des Triebwerks eingesprüht, was zu explosionsartiger Leistungssteigerung – und siebenfach höherem Verbrauch führt. Zusätzlich besitzt der Tornado pfeilförmige Schwenkflügel, die bei hohen Geschwindigkeiten weit nach hinten geschwenkt werden und so den Luftwiderstand verringern. Die Steuerung erfolgt elektronisch (flyby- wire) über ein automatisches Stabilisierungssystem. Im Notfall kann der Tornado aber auch nur manuell geflogen werden. Bei drohendem Absturz hilft ein Schleudersitz, der mit einer Sprengkapsel versehen ist. Bereits 1,3 Sekunden nach Ziehen der Reißleine hängt der Pilot am voll ausgefalteten Schirm. Dass der Job nicht jedermanns Sache ist, musste auch Michael Schumacher erfahren, als er in einem Tornado mitfliegen durfte. Nach der Landung ging's kreidebleich ab ins Gebüsch.

Von

Ingo Roersch